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BVB | Raphaël Guerreiro: Endlich Leistungsträger

1. Februar 2019 | Spotlight | BY Damian Ozako

Raphaël Guerreiro ist ohne jeden Zweifel ein großartiger Fußballer. In der Vergangenheit konnte er dies allerdings nur selten unter Beweis stellen. Jetzt zeigt er unter Lucien Favre die vielleicht besten Leistungen in seiner Zeit beim BVB. Er ist gereift.

Doch kein Linksverteidiger?

Im Sommer 2016 verpflichtete der BVB bereits vor der Europameisterschaft den Linksverteidiger Guerreiro vom FC Lorient. Ein wichtiger Schachzug, denn der Portugiese spielte ein starkes Turnier und holte mit der Nationalmannschaft letztendlich auch den Titel. In Dortmund hoffte man darauf, dass Guerreiro ähnliche Leistungen abruft und sich mit Marcel Schmelzer einen harten Konkurrenzkampf liefert. Doch es kam anders: Defensiv zeigte sich der Portugiese zu anfällig und offensiv brillierte er so sehr, dass Tuchel ihn lieber im zentralen Mittelfeld oder als Linksaußen einsetzte.

Dies kam Guerreiro enorm entgegen und so spielte er sich schnell in die Herzen der Fans. Seine Ballbehandlung und technischen Fähigkeiten prägten das Offensivspiel der Borussen. Jeder konnte sehen was für ein begnadeter Fußballer der Portugiese ist. Allerdings machten sich auch zeitnah Schwierigkeiten bemerkbar. Immer wieder hatte er mit muskulären Problemen zu kämpfen, die ihn aus dem Rhythmus brachten. In der letzten Saison wurde es mit den Verletzungen nur noch schlimmer. Zunächst verletzte er sich im Sommer beim Confed-Cup am Knöchel und fiel nach einer OP längere Zeit aus.

Guerreiro und der BVB: Nur ein Missverständnis?

Als er dann einsatzbereit war, fand er sich in einer verunsicherten Mannschaft wieder, die sich in einer schwerwiegenden Krise befand. Mit dem Guerreiro aus der Vorsaison hatte der Spieler auf dem Platz nichts mehr gemein. Dazu kamen noch etliche muskuläre Probleme, die immer wieder auftraten und den 25-Jährigen oft außer Gefecht setzten. Der portugiesische Nationalspieler kam in der vergangenen Saison auf nur neun Einsätze in der Bundesliga.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)


Hätte es im Sommer ein lukratives Angebot für ihn gegeben, hätten sich vermutlich viele Fans mit einem Verkauf anfreunden können. Guerreiro war nur noch ein Schatten seiner selbst. Natürlich konnte man nach wie vor erkennen, dass er ein begnadeter Fußballer ist, aber er konnte sein Potenzial nur selten abrufen. Zu selten. Konstanz zeigte er keineswegs. Dazu kamen Gerüchte, dass er sich nicht wirklich professionell verhalte und nicht den Lebensstil einen Fußballprofis habe. Der BVB und Guerreiro – es drohte sich als ein Missverständnis zu entpuppen, dass nicht mehr zu retten sei.

Platz unter Lucien Favre gefunden

Guerreiro blieb allerdings in Dortmund und blieb Teil einer Mannschaft, die sich über den Sommer drastisch verändert hat. Auch der Portugiese hat eine deutliche Entwicklung hinter sich. Zwar hat er auch in der Hinrunde zwischenzeitlich aufgrund von muskulären Problemen gefehlt, aber mittlerweile wirkt er so fit wie schon lange nicht mehr. Er läuft und arbeitet extrem viel. Jetzt kann er endlich wieder so spielen, dass er all seine Fähigkeiten wieder gekonnt einsetzen kann.

Zu Saisonbeginn saß er jedoch noch häufig auf der Bank und war lediglich ein Ergänzungsspieler. Die Offensive war eingespielt und Favre hatte keinen Grund Änderungen an der Stammelf vorzunehmen. Als Linksverteidiger wird der 25-Jährige nur noch im Notfall eingesetzt. Der Schweizer sieht Guerreiro als Linksaußen an und setzt ihn auch fast ausschließlich dort ein. Allerdings trumpfte auf dieser Position Bruun Larsen (20) auf, sodass sich der portugiesische Nationalspieler gedulden musste, bis er seine Chance bekam. Diese nutzte er dann. Da der Däne und auch Christian Pulisic (20) zuletzt keine gute Form hatten, konnte sich Guerreiro empfehlen und in der ersten Elf festspielen. Seit Dezember ist er endgültig Stammspieler.

Passt perfekt ins System

Schon unter Tuchel hat der Portugiese herausragende Leistungen gezeigt, aber aktuell scheint er seine beste Phase beim BVB zu haben. Favres Fußball passt perfekt zu Guerreiro und ihm macht seine neue Rolle merklich Spaß. Zusammen mit Jadon Sancho (18) sorgt er auf den Flügeln für ordentlich Betrieb. Er hat viele Freiheiten und fühlt sich an der Seite von Spielern wie Reus (29), Götze (26), Alcácer (25) und Hakimi (20) sehr wohl. Mit ihnen harmoniert er fast blind. Er hat ein hervorragendes Gespür dafür, wann er sich in welchen Raum bewegen muss und ist auch einer der ballsichersten Spieler im Kader der Schwarzgelben. Wie gemacht für Favres Fußball. Dazu kommt, dass er torgefährlicher als Bruun Larsen und Pulisic ist. Des Weiteren tritt er auch gute Standards. Sein Spiel hat viele Facetten und ist er in Form, gibt er der Mannschaft unglaublich viel. Guerreiro ist Arbeiter und Künstler zugleich. Eine Mischung, die selten und wertvoll ist.

(Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Immer wieder startet er Läufe in die Tiefe und sorgt per One-Touch-Fußball für sehenswerte Kombinationen. Wie zuletzt beim 1:0 von Hakimi gegen Hannover 96. Gibt man dem Portugiesen den Ball, kann man sich fast immer sicher sein, dass er eine gute Lösung findet. Seine Erfahrung ist für den BVB von hohem Wert. Dass junge Spieler wie Bruun Larsen, Pulisic und Sancho nicht konstant gute Leistungen abrufen können, ist normal. Für Favre ist es daher wichtig, dass er sich auf die älteren Spieler verlassen kann und das ist bei Guerreiro in dieser Saison definitiv der Fall. Sein Potenzial ruft er immer beständiger ab und bereichert das Spiel der Borussia enorm.

Vertrag läuft bald aus

Er wirkt deutlich professioneller und reifer in seinem Auftreten. Das alles spiegelt sich in seinen sportlichen Leistungen wieder. Momentan ist er aus der Elf von Lucien Favre nicht wegzudenken und spielt eine entscheidende Rolle dabei, dass der BVB derzeit offensiv so dominant auftritt. Bestätigt er diese Leistungen werden mit Sicherheit etliche Klubs Interesse am Portugiesen zeigen.

Borussia Dortmund sollte so früh wie möglich daran arbeiten den Vertrag mit Guerreiro zu verlängern. Dieser läuft nur noch bis 2020. Wenn dieser kein neues Arbeitspapier beim BVB unterschreiben wollen würde, wäre man schon im Sommer dazu gezwungen ihn zu verkaufen, wenn man noch Geld mit einem Wechsel verdienen will. Ihn in der jetzigen Verfassung abzugeben, wäre sehr ärgerlich. Denn aktuell ist er so gut wie noch nie und Leistungsträger. Vor einem halben Jahr schien das noch nicht allzu realistisch zu sein.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


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