Fehldiagnose, vom Sportdirektor geschlagen, Turbulenzen | Die unglaubliche Geschichte von Frankfurts Jonathan de Guzman

18. November 2018 | News | BY Manuel Behlert

Jonathan de Guzman galt lange Zeit als einer der spannendsten Spieler im niederländischen Fußball, spielte für Feyenoord, Villarreal, Swansea und schließlich für den SSC Neapel. Mittlerweile ist der Mittelfeldspieler für Eintracht Frankfurt tätig, doch in den letzten Jahren seiner Karriere musste de Guzman einiges über sich ergehen lassen. In einem Gespräch mit dem niederländischen „Volkskrant“ enthüllt er nun schockierende Details. 

 

Am Ziel angekommen

Dabei teilte er mit, dass ihm eine Verletzung des Unterbauchs, die schließlich operativ versorgt werden musste, beinahe die Karriere kostete. Doch dazu später mehr. De Guzman wurde in Toronto geboren, wuchs in Kanada auf. 1999 zog es ihn in die Niederlande, zu Feyenoord, wo er seine Jugendkarriere verbrachte. Schnell wurden Topklubs auf den technisch versierten, strategischen Mittelfeldspieler aufmerksam, der im Verlauf seiner Karriere die großartigen Fähigkeiten, die er besitzt, häufig zeigte – aber eben auch Phasen hatte, in denen dies nicht der Fall war.

Nach Stationen beim RCD Mallorca, dem FC Villarreal und Swansea City landete de Guzman 2014 schließlich beim SSC Neapel. Der Wechsel zum italienischen Topklub sollte die Chance sein um sich auf der ganz großen Bühne zu beweisen. Unter dem erfahrenen Rafael Benitez zeigte de Guzman, was in ihm steckt, absolvierte zahlreiche gute Spiele, bis er im März 2015 eine seltsame Wölbung erkannte, die zeitweise Schmerzen verursachte. Mit diesem Problem suchte er den Vereinsarzt, Alfonso De Nicola auf.

 

6 statt 10 Kilometer

„Ich wurde sofort auf Diät gesetzt. Ich sollte weniger Kohlenhydrate zu mir nehmen“, so de Guzman. Doch das half nichts, die Schmerzen traten weiterhin auf. Nach einer längeren Ruhephase im Sommer, so sagte man de Guzman, solle die Krankheit vorbei sein, er wieder topfit sein. Doch auch das war nicht der Fall. Rafael Benitez wechselte zu Real Madrid und neben dem neuen Trainer Maurizio Sarri verpflichtete der SSC Neapel auch einen neuen Sportdirektor: Cristiano Giuntoli. Dieser sollte in der ganzen Geschichte noch eine elementare Rolle spielen.

Jedenfalls erklärte der Vereinsarzt de Guzman für fit und der Spieler versuchte zu Beginn der Vorbereitung vollen Einsatz zu zeigen. „Ich bin ein Spieler, der viel läuft. Aber wenn man auf einmal anstatt 10 nur noch 6 Kilometer laufen kann und das nur mit halber Kraft, will dich der Trainer nicht. Sie haben mir nicht geglaubt, dass ich Probleme und Schmerzen habe. Sie dachten, ich bilde mir alles nur ein und ich sei das Problem!“

Sportdirektor schlug ihm ins Gesicht

Ende August, als der Transfermarkt noch eine Weile geöffnet war, wurde de Guzman zu Sportdirektor Giuntoli bestellt. Dieser sagte ihm: „Du musst weg, du musst gehen. Weg, weg, weg! Wenn du nicht gehst, bist du hier tot, du spielst nicht mehr!“ De Guzman hatte Kontakt zu Dick Advocaat, damals Trainer in Sunderland, doch der Spieler selbst wollte erst fit werden, den Problemen auf den Grund gehen. Sportdirektor Giuntoli wurde zunehmend aggressiver, übte Druck auf den Spieler aus, wollte ihn unbedingt loswerden.

De Guzman traf sich in der Folge mit seinen Beratern um seine Möglichkeiten zu prüfen. Der Spieler wusste, dass er nicht fit ist und er nirgends spielen würde. Also entschied er sich dazu seine eigene Gesundheit in den Fokus zu stellen. Überraschenderweise passte das Giuntoli überhaupt nicht. Als de Guzman auf dem Trainingsgelände war, wurde er von ihm angesprochen. Giuntoli sagte: „Du Stück Mist, komm her! Du hast versprochen zu gehen!“ De Guzman erwiderte laut eigener Aussage, dass er überhaupt nichts versprochen habe.

Dann passierte das Unglaubliche: Giuntoli holte aus und schlug de Guzman ins Gesicht. In der Folge entwickelte sich eine Schlägerei, die im Endeffekt von Teamkollege Zuniga beendet wurde, der die Streithähne voneinander trennte. De Guzman, sichtlich angefressen, ging zum Vereinsarzt und beschwerte sich: „Ich sagte: ‚Was hast du für einen Scheiß gemacht? Wegen dir bin ich nicht fit‘!“ In der Folge durfte de Guzman nicht mehr mit der Mannschaft trainieren, nur noch alleine laufen. Er hatte keinen Draht mehr zur Mannschaft, sagte im Gespräch mit dem „Volkskrant“: „Mir hat überhaupt niemand geholfen.“

 

Diagnose nach 10 Minuten

Nachdem de Guzman merkte, dass er immer weniger Energie hatte, wurde dem Spieler erlaubt zu einem anderen Arzt zu gehen, Americo Menghi. Der stellte eine Verdachtsdiagnose und verwies den Niederländer an einen dänischen Spezialisten, Per Holmich. Und der diagnostizierte bereits nach 10 Minuten, was die Ursache für die Probleme von de Guzman ist: Ein sogenannter „Eingeweidebruch“ (Hernie). Dieser kann über längeren Zeitraum ohne große Schmerzen und vor allem ohne weitere Komplikationen verlaufen. Was dann folgte, ist unglaublich. De Guzman teilte die Untersuchungsergebnisse seinem Verein mit, doch Arzt De Nicola sagte: „Ich glaube nicht an eine Operation. Ich will nicht derjenige sein, der deine Karriere kaputt macht.“

Der Spieler wollte nur weg – und schloss sich Tabellenschlusslicht Carpi an. Dort erlaubte man ihm sofort eine Behandlung, de Guzman wurde in München operiert und war in der Folge schnell beschwerdefrei. Aber: Da er über längeren Zeitraum nicht vollumfänglich trainieren konnte folgte eine Blessur der anderen. Im Sommer 2016 kehrte de Guzman wieder nach Neapel zurück und durfte sich unter Sarri beweisen. „Er ist ein guter Trainer, beweist das auch bei Chelsea. Wissen Sie, eigentlich war vieles gut in Neapel. Fußball ist Geschäft und das verstehe ich – nur diese Geschichte, die war unmenschlich“, so der mittlerweile 31-jährige.

 

Der Schritt in die Bundesliga

In der Saison 2016/17 spielte de Guzman auf Leihbasis für Chievo Verona, war schon länger aus dem Dunstkreis der niederländischen Nationalmannschaft verschwunden und erhielt ein Angebot aus China. Ein finanziell lukratives. Doch de Guzman lehnte ab und bat seinen Berater sich nach Alternativen umzusehen. Und diese Alternative hieß Eintracht Frankfurt. Dort gewann er in seiner ersten Saison den DFB-Pokal, spielt jetzt in der Europa League und in einer ambitionierten Mannschaft.

Wie es mit seiner Karriere hätte weiterlaufen können, wenn zu Beginn die richtige Diagnose gestellt worden wäre, weiß man nicht. Für ihn ist aber eines wichtig: „Es ist gelaufen, wie es gelaufen ist. Das Kapitel SSC Neapel will ich mit diesem Interview beenden, einen Schlussstrich ziehen. Ich fühle mich jetzt, als würde ich meinen besten Fußball spielen.“

 

(Photo by Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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