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Manchester United und die Trainerfrage – nicht wenig spricht für Solskjaer

25. Februar 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Nach der Trennung von José Mourinho fand Manchester United mit Ole Gunnar Solskjaer schnell einen Trainer, der den Posten des Cheftrainers übernehmen konnte – bis Saisonende. Solskjaer sollte die Mannschaft wieder auf Kurs bringen, die „Red Devils“ stabilisieren und überdies einfach mal schauen, was in dieser Saison noch möglich ist.

Schnell wurden große Namen gehandelt, die das Zepter bei Manchester United am Saisonende schwingen könnten. Zinedine Zidane und Mauricio Pochettino waren nur zwei große Trainer, die mit dem Klub in Verbindung gebracht wurden. Unmittelbar nach der Amtsübernahme Solskjaers war wohl nur der Norweger selbst davon überzeugt, dass er eine langfristige Lösung ist. Diese Zeiten sind nun vorbei.

Ein dankbarer Auftakt führt zu mehr Selbstvertrauen

Natürlich war das Auftaktprogramm für den ehemaligen Topstürmer Solskjaer nicht allzu kompliziert. Cardiff City, Huddersfield Town, Bournemouth und Newcastle wurden mit einer Tordifferenz von insgesamt 14:3 bezwungen, die Mannschaft wirkte befreit, insbesondere Paul Pogba blühte auf. Der Franzose, der im Mittelfeld nicht nur seinen Stammplatz zurückerhalten, sondern auch viele neue Freiheiten hatte, wurde mit Toren, Torvorlagen und Kabinettstückchen zum Inbegriff des Aufschwungs. Die offensiven Kombinationen wurden flüssiger, die Mannschaft konnte sich vom, etwas übertrieben ausgedrückt, Ruf der busparkenden Bolzplatzvereinigung freimachen. Und die ersten Bewährungsproben auf hohem Niveau meisterte Solskjaer mit seiner Mannschaft auch.

(Photo OLI SCARFF/AFP/Getty Images)

Nach einem Erfolg im FA-Cup gegen Reading schlug man in der Liga Tottenham, bezwang in der nächsten Pokalrunde auch Arsenal. Zwar brannte Manchester United dabei kein Fußballfeuerwerk ab und wirkte in manchen Phasen durchaus verwundbar, die Mannschaft spielte aber streckenweise auf einem sehr guten Niveau und machte weniger Fehler als in den unkonstanten letzten Wochen unter Mourinho. Dass Qualität vorhanden ist, war ohnehin klar, auch wenn der Kader nicht in allen Positionen überragend besetzt oder unglaublich ausgewogen ist. Auffällig ist, dass die Mannschaft mit Rückschlägen wie dem 2:2 gegen Burnley, plötzlich auftretenden Verletzungen und dem 0:2 in der Champions League gegen PSG gut umgeht.

Sie findet schnell wieder zu ihrem Rhythmus, kann sich Situationen anpassen. Das zeigte das letzte Spiel gegen den FC Liverpool, als in der ersten Halbzeit verletzungsbedingt bereits alle 3 Wechsel vollzogen werden mussten. Manchester United spielte 0:0 gegen den Meisterschaftskandidaten, ließ defensiv nicht besonders viel zu und sorgte mit einer kompakteren Herangehensweise dafür, dass sich die „Reds“ nicht so oft wie gewohnt durch die Abwehrreihe kombinieren konnten. Ein Sieg wäre unter Umständen möglich gewesen und genau das zeigt, dass Solskjaer nicht nur auf der Welle des Erfolges schwimmen kann, wie es in den ersten Wochen bei den verhältnismäßig dankbaren Gegnern der Fall war.

Schwierige Situation: Weicht man vom Modell ab?

Dass Ole Gunnar Solskjaer nur bis zum Saisonende in Manchester bleiben wird, besagt die Vereinbarung, die man mit Molde FK, dem norwegischen Verein, bei dem Solskjaer unter Vertrag steht, getroffen hat. Ein solches Modell, quasi gleichzusetzen mit einer Trainerleihe, ist im Fußball absolut unüblich und auch wenn die Saison in Norwegen erst sehr spät beginnt wird Solskjaer fehlen – und zwar in wichtigen Teilen der Vorbereitung und der Pflichtspielphase. Langsam aber sicher muss man sich die Frage stellen ob Solskjaer überhaupt noch einmal nach Norwegen zurückkehrt. Er zeigt derzeit auf der großen Bühne, dass er fähig ist eine große Mannschaft zu trainieren und ihr auch ohne Neuzugänge oder eine Vorbereitung neues Leben einzuhauchen, ihr Selbstvertrauen zu verleihen.

(Photo by Bryn Lennon/Getty Images)

Und noch etwas spricht dafür, dass Manchester United vielleicht zu seinem Glück gezwungen wird – und zwar die Situation der anderen Kandidaten. Antonio Conte brachte sich quasi selbst in Manchester ins Spiel, soll aber laut Medienberichten bei den „Red Devils“ nicht die erste Wahl sein. Zinedine Zidane, der mit dem Klub in Verbindung gebracht wird, sieht England zumindest laut der Aussage des Beraters nicht als 1. Wahl an. Und Mauricio Pochettino? Der könnte sich, wie Ende des vergangenen Jahres bereits die seriöse „Times“ berichtete, einen Wechsel nach Manchester zwar sehr gut vorstellen, vor allem im Hinblick auf die finanziellen Restriktionen, die ihn in Tottenham erwarten, aber auch hier gibt es Hürden, die zu überwinden sind. Pochettino steht bei den Spurs noch äußerst lange unter Vertrag und würde mindestens 50 Millionen Euro Ablöse kosten. Eine Summe, die für einen Trainer bisher nicht einmal im Ansatz gezahlt wurde. Bei allen Qualitäten Pochettinos muss man sich die Frage stellen: Ist es das wert?

Vieles spricht für Solskjaer – aber nicht alles

Denn man muss sich vor Augen halten, dass der Kader von Manchester United einmal generalüberholt werden muss. Leistungsträger wie de Gea, Pogba, Martial, Rashford sind zwar in einem guten Alter, aber der Kader verfügt auch über einige ältere Spieler, die sukzessive ins zweite Glied rücken, nach und nach Platz machen werden. Neuzugänge mit Stammspielerqualität müssen zumindest mittelfristig auf mindestens 4-5 Positionen verpflichtet werden, wenn nicht gar mehr. Kann man es sich dann leisten 50 Millionen Euro oder mehr für einen Trainer auszugeben? Pochettino zeigte zwar bei den Spurs, dass er mit wenig Neuzugängen viel ausrichten kann, das Grundgerüst wurde aber über Jahre zusammengestellt, die Mannschaft war extrem homogen, das Spielsystem wurde von jedem Spieler verinnerlicht. Und: Die Erwartungshaltung war geringer. Das ist ein mitentscheidender Faktor. In Manchester lechzt man nach Titeln, nach einer Mannschaft, die in der Lage ist mit den Großen in Europa mitzuhalten.

Für Solskjaer spricht also die Verbesserung der Leistungen und Resultate, der Zuspruch einiger Spieler und die Bindung zum Verein. Der Norweger steht zwar weiterhin bei Molde FK unter Vertrag, ihn „freizukaufen“ dürfte aber deutlich günstiger sein als es bei Pochettino der Fall wäre. Auch in Sachen Gehalt würde sich der Norweger einige Stufen unter dem Argentinier oder vor allem Zidane einordnen. Also spricht auch das geringe finanzielle Risiko für ein Modell mit Solskjaer, während unter anderem das Renommee gegen ihn spricht. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass der Norweger erst wenige Monate im Amt ist. Er musste noch keine große Krise durchleben, hatte noch nicht binnen weniger Wochen mehrfach mit großem Druck zu tun. All diese Dinge muss Solskjaer erst noch erleben, damit man ihn wirklich seriös beurteilen kann. Die Ansätze sind da, die Mannschaft zieht mit, aber einen Trainer ohne die ganz große Erfahrung mit einem möglicherweise langfristigen Vertrag auszustatten, kann funktionieren – oder auch nicht.

Klar ist, dass Manchester United nicht heute, nicht morgen und auch nicht im Laufe der kommenden Wochen eine Entscheidung treffen muss. Pochettino steht auf der Liste und unter Vertrag, die Forderungen der Spurs dürften klar sein. Wahrscheinlich ist, dass die Klubführung weiterhin abwartet, wie sich die Dinge mit Solskjaer entwickeln, wie die Mannschaft weiter mit ihm arbeitet. Die nächsten Wochen könnten entscheidend sein, denn Manchester United trifft auf Crystal Palace, Southampton, Arsenal und Watford in der Liga, spielt in der Königsklasse in Paris und empfängt im Viertelfinale des FA-Cups die Wolves. Bleibt man auf Kurs Champions League und zieht man in das Halbfinale des Pokals ein, dann werden die Chancen von Ole Gunnar Solskjaer auf die langfristige Zukunft, die er sich persönlich so sehr wünscht, sicher nicht sinken.

(Photo by Catherine Ivill/Getty Images)


Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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