Nabil Fekir am Scheideweg

3. Mai 2017 | News | BY Manuel Behlert

Er galt als eines der interessantesten Talente in Frankreich, wurde von einigen Spitzenclubs beobachtet. Doch dann nahm ihm eine Verletzung den Rhythmus: Nabil Fekir. Ein Jahr vor der Weltmeisterschaft und mit steigender Konkurrenz in Verein und Verband hat sich die Situation für den Spieler verschlechtert. Sie ist keinesfalls dramatisch, aber die nächste Saison könnte entscheidend werden.

Der September 2015 war ein bitterer Monat in der Karriere von Nabil Fekir. Der aufstrebende Offensivkünstler spielte hervorragend, war in aller Munde und war für die Nationalmannschaft eine Option für die Europameisterschaft im eigenen Land. Der in Lyon geborene Fekir, der  algerische Wurzeln besitzt, entschied sich im Jahr 2015 bereits früh für die Nationalmannschaft Frankreichs. Ein Kreuzbandriss setzte ihn bis April 2016 außer Gefecht.

Aus der eigenen Jugend ins Rampenlicht

Fekir absolvierte einen großen Teil seiner Ausbildung in der Jugend von Olympique Lyon. Zur Saison 2013/14 rückte der im Juli 1993 geborene Fekir in den Kader der ersten Mannschaft auf. Er machte sich große Hoffnungen, denn Olympique Lyon ist bekannt für seine Talentförderung. Die Rahmenbedingungen stimmten, einen Offensivspieler, der flexibel einsetzbar ist und der einen enormen Zug zum Tor hat, kann quasi jeder Verein gebrauchen.

(Photo by ROMAIN LAFABREGUE/AFP/Getty Images)

In seiner Debütsaison musste Fekir sich erst einmal auf dem Profiniveau etablieren. Er blieb dabei geduldig und wartete auf seine Chancen. In 16 Pflichtspielen erzielte er einen Treffer und bereitete drei weitere vor. Zudem schnupperte er in der Europa League zweimal in den Europapokal hinein. Der Sommer 2014 war für Fekir dann entscheidend: Er hinterließ in der Vorbereitung einen guten Eindruck und wurde nicht mehr auf der Außenbahn eingesetzt, konnte seine Stärken im Zentrum ausspielen und spielte sich peu a peu ins Rampenlicht.

Die hervorragende Saison 2014/15

Fekir besitzt zahlreiche Qualitäten. Vor dem Tor besitzt er die nötige Finesse, die es benötigt, um auch aus schwierigen Positionen einen Treffer zu erzielen oder zumindest große Gefahr zu kreieren. Sein Abschluss ist gut, er wirkt fast nie hektisch vor dem gegnerischen Tor. Er ist technisch stark, hat eine gute Schusstechnik, die auch bei ruhenden Bällen zum Einsatz kommen kann. Überdies kann er auch im 1-gegen-1 einen Gegner ausspielen. Der Franzose besitzt ein Gefühl für gefährliche Räume, bietet gute Laufwege an und bindet immer mindestens einen Gegenspieler.

In seiner Topform in der Saison 2014/15 gelang es ihm auch häufig aus dem Mittelfeldzentrum heraus gefährliche Angriffe zu initiieren. Es wurde häufig instinktiv die richtige Entscheidung getroffen, er harmonierte gut mit seinen Mitspielern und spielte beispielsweise mit Lacazette die gegnerischen Defensivreihen schwindelig. Insgesamt gelangen ihm in 39 Spielen 15 Tore und 13 Vorlagen. Im Sommer 2015 verlängerte er seinen Vertrag, somit nahm er etwaigen, auftretenden Wechselgerüchten sofort den Wind aus den Segeln, ein Interesse wurde unter anderem dem FC Barcelona nachgesagt. Er wollte aber die Saison 2015/16 nutzen, sich für die Europameisterschaft empfehlen, seinen Wert weiterhin steigern.

Der entscheidende Rückschlag

Gerade als sich Fekir in ganz Europa einen Namen machte, gab es den bittersten Moment seiner Karriere. Kurz nach einem Dreierpack am 4. Ligaspieltag gegen SM Caen, als er überragend aufspielte und Lyon im Alleingang zum Sieg führte, riss er sich das Kreuzband. Erst am Saisonende konnte er wieder eingreifen, allerdings absolvierte Fekir in den letzten 6 Ligaspielen nur noch knapp 120 Spielminuten. Die Europameisterschaft war damit außer Reichweite, auch weil Spieler wie Kingsley Coman die Gunst der Stunde nutzten und ihrerseits mit guten Leistungen ein Empfehlungsschreiben abgeben konnten.

(Photo by FRANCK FIFE/AFP/Getty Images)

Der junge Fekir versuchte diese Enttäuschung wegzustecken und sich in Lyon nach einer guten Vorbereitung wieder zu empfehlen. Im Sommer legte Lyon bewusst nicht im Offensivbereich nach, vertraute dem jungen Spieler, sah ihn quasi als Neuzugang. Zudem wollte der Verein auch Spielern wie Cornet oder Ghezzal die Möglichkeit geben, sich weiterhin zu verbessern und ein elementarer Bestandteil in Lyons Offensive zu werden. Trainer Bruno Genesio spielt mit Olympique eine gute Rolle, sowohl in der Liga als auch im Europapokal. Er kennt die Qualitäten Fekirs und hat die notwendige Geduld mit dem Spieler. Aktuell steht Olympique auf Platz 4, will sich auf direktem Wege für die Europa League qualifizieren.

Entscheidender Faktor im Endspurt?

Die aktuelle Saison von Nabil Fekir ist nach einer solchen Verletzung mindestens gut. 42 Pflichtspiele, 12 Tore, 11 Vorlagen, unter anderem ein Dreierpack gegen Alkmaar – die Statistiken lesen sich definitiv gut. In dieser Saison fehlt ihm im Vergleich zu der Zeit vor seiner Verletzung allerdings etwas der Einfluss auf die Mannschaft. Er ist immer noch ein wichtiger Punkt in der Offensive und kann mit seinen enormen Qualitäten weiterhelfen, aber er findet sich auch häufiger einmal auf der Bank wieder, auch weil Memphis Depay, der im Winter aus Manchester verpflichtet wurde, sehr gut eingeschlagen hat.

In den letzten Wochen gelingt es Fekir allerdings häufiger von Beginn an zu spielen. In der Vorrunde der Champions League hatte er noch Probleme, in der Europa League fühlt er sich definitiv eher wohl. Dort kann er in den Spielen gegen Ajax Amsterdam beim Kampf um das Finale zum entscheidenden Mosaikstein avancieren. Konkurrent Depay ist international nicht spielberechtigt und so könnte es den 23-jährigen schon heute Abend in Amsterdam in die Startelf spülen. Lyon hat noch zwei Ziele, einerseits soll Platz 4 gefestigt werden, andererseits fehlen nur noch 3 gute Leistungen zum Titel in der Europa League, wodurch auch die Champions League in der kommenden Saison unter Dach und Fach gebracht würde.

Was passiert im Sommer?

Der Sommer 2017 könnte für Fekir nun entscheidend sein. Sein Vertrag läuft noch bis 2020, somit befinden sich sowohl Spieler als auch Verein in einer einigermaßen lukrativen Situation. In einem Jahr ist die Weltmeisterschaft, für die sich Fekir gegen eine mittlerweile deutlich größere Konkurrenz durchsetzen muss. Er muss kontinuierlich spielen. Trotz seines Formanstieges sind die Leistungsschwankungen vor allem für die eigenen Ansprüche immer noch zu groß. Wenn es Lyon gelingt sich über die Europa League für die Königsklasse zu qualifizieren, wird ein Wechsel eher unwahrscheinlich. Das gewohnte Umfeld und das höchste Niveau würden ihm guttun, einen Wechsel könnte er dann auch noch im Jahr 2018 forcieren.

(Photo by ROMAIN LAFABREGUE/AFP/Getty Images)

Ein Wechsel in diesem Sommer könnte dennoch eine Option sein. Vielleicht ist es klug, gerade jetzt, gerade in dieser Situation den nächsten Schritt zu machen. Zwar gibt es momentan keine ernstzunehmenden Gerüchte um einen Vereinswechsel, aber es scheint sicher, dass viele Vereine die Situation um Fekir beobachten. Auch für die potenziellen Käufer wäre ein Deal in diesem Sommer unter Umständen sehr klug, denn sein Wert für Lyon wird wahrscheinlich steigen – gerade durch gute Leistungen im Europapokal und wenn der Spieler wieder in den Fokus der Nationalmannschaft rückt. Nabil Fekir befindet sich jedenfalls an einem wichtigen Punkt seiner Karriere. Die nächste Entscheidung, die er trifft, kann Auswirkungen auf seine komplette, weitere Laufbahn haben.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


Ähnliche Artikel