Nachspielzeit: Weil Conte am Galgen hängt – Erfolgstrainer Tuchel zum FC Chelsea?

23. August 2017 | Nachspielzeit | BY Chris McCarthy

Es ist die Top-Story der heutigen Ausgabe der Sportbild. Thomas Tuchel soll neuer Trainer des FC Chelsea werden. Auf den ersten Blick ist ein zumindest loses Interesse am deutschen Coach durchaus schlüssig, die angeblichen Gründe dafür sind allerdings nicht ganz nachvollziehbar… 

 

Tuchel zu Chelsea?

Wie die Sportbild heute exklusiv berichtet, soll Thomas Tuchel (43) der neue Trainer des FC Chelsea werden. Demnach scheint „die Uhr für Antonio Conte beim englische Meister abgelaufen zu sein“. Ein Grund dafür soll Chelsea-Direktorin Marina Granovskaia sein, die den Posten unbedingt mit dem deutschen Übungsleiter besetzen möchte.

Mit dem „glücklichen 2:1 bei Tottenham“ habe der Coach „seinen Kopf nur für den Moment aus der Schlinge gezogen“. Nach den Niederlagen im Supercup gegen Arsenal und dem verpatzten Saisonauftakt habe das die klubinternen Diskussionen allerdings nicht gestoppt! HALT! 

Wir wollen die erhaltenen Informationen der Sportbild nicht in Frage stellen, die angeblichen Umstände für die Trainerdebatte sind jedoch nicht ganz nachvollziehbar! 

 

Conte hängt am Galgen?

Ja, es gibt klubinterne Diskussionen über die Zukunft des Trainers. Mit einer unbedeutenden Niederlage im Supercup und einer (!), wenngleich peinlichen, Niederlage zum Saisonauftakt hat das allerdings rein gar nichts zu tun! Auch nicht mit der unschönen und schleppenden Trennung von Problemkind Diego Costa! Erst recht nicht wenn man bedenkt, dass die Blues nach einem enttäuschenden zehnten Platz 2015/2016 in der abgelaufenen Saison nur aufgrund Contes taktischen Geniestreichs, das System auf eine Dreierkette umzustellen, überhaupt den Titel holen konnten!

Dass der Italiener zudem durch „ein glückliches 2:1“ beim Vizemeister (!) „seinen Kopf für einen Moment aus der Schlinge gezogen hat“ ist fernab jeder Realität. Im Gegenteil, Conte bewies einmal mehr, was für ein hervorragender Trainer er ist. Er passte die Taktik sowohl an seinen durch Sperren und Verletzungen dezimierten Kader als auch den Gegner maßgenau an und holte dabei das Optimum heraus. Innenverteidiger David Luiz, trotz seiner Limitationen in der Spieleröffnung, in das Mittelfeld zu beordern und somit die kreative Schaltzentrale der spielstarken Spurs auszuhebeln, erwies sich beispielsweise als genialer und vor allem spielentscheidender Schachzug!

An seinen Trainerqualitäten zweifelt an der Stamford Bridge kein Mensch! Im Gegenteil, nach der Erfolgs-Saison boten die Klub-Bosse dem Meistertrainer einen neuen Vierjahresvertrag an. Es war der ambitionierte Ex-Nationaltrainer, der das Angebot ablehnte und letztendlich „nur“ einer Gehaltserhöhung zustimmte, ohne seinen Arbeitsvertrag tatsächlich zu verlängern.

(Photo ADRIAN DENNIS/AFP/Getty Images)

Die Gründe dafür liegen jedoch in den unterschiedlichen Vorstellungen hinsichtlich der Transferphilosophie!

Während Conte durch neue, etablierten Spieler den Erfolg aufrecht erhalten und in Hinblick auf die zusätzlich belastende Champions League sogar ausdehnen möchte, ist der Verein darauf erpicht, junge Spieler zu akquirieren, die aufgrund ihres Alters im Wert steigen werden! Darüber hinaus stimmt es tatsächlich, dass Conte, wie in der Sportbild angeschnitten, nicht sonderlich großen Wert auf die hauseigene Jugend setzt, obwohl er auch hier mehr Mitsprache bei der Gestaltung wünscht.

Chelsea möchte also eher einen langfristigen, nachhaltigen Erfolg durch eine gesunde Mischung an gestandenen Routiniers und jungen Talenten. Der oftmals hitzköpfige Conte dagegen ist auf das Jetzt fokussiert und lässt das die Führungsriege auch spüren!

Diese Ungereimtheiten führten letztendlich zu den Diskussionen bezüglich einer langfristigen Zusammenarbeit – nicht das Geschehen auf dem Platz oder gar in der Kabine!

 

Erfolgstrainer Tuchel?

Das Verhältnis zwischen Vorstand und dem, zugegeben etwas sturen, Conte ist zurzeit eher suboptimal, das ist nicht zu bestreiten. Es ist daher durchaus möglich, dass ein Top-Verein wie der FC Chelsea, bei dem intern durchaus über den aktuellen Trainer diskutiert wird, einige potentielle Nachfolger in der Hinterhand hat.

Thomas Tuchel genießt als „Klopp-Erbe“, gerade in England, einen sehr guten Ruf. Die fachlichen Kompetenzen des ehemaligen Mainz-Trainers sind unbestritten. Folglich dürfte ein Mann wie er, der darüber hinaus derzeit vertragslos ist, berechtigterweise einige Interessenten haben!

(Photo INA FASSBENDER/AFP/Getty Images)

Ein Punkt, der hierbei etwas unter geht, ist jedoch, dass auch Tuchel als nicht ganz einfach und relativ engstirnig gilt. Laut Sportbild stört dies die Chelsea-Direktorin im Fall des angeblichen Wunschtrainers nicht mehr sonderlich, da sie „keinen Kumpel für gemeinsame Pub-Besuche, sondern einen neuen Erfolgstrainer“ sucht. Die Gründe, weshalb es mit Conte also nicht so geschmeidig läuft, sind bei Tuchel plötzlich komplett irrelevant.

Klar, neben dem DFB-Pokalsieg des deutschen Trainers -und das ist keinesfalls eine Kritik an Tuchel- sehen Contes drei italienischen Meisterschaften, und der imposante Premier League Titel in seiner Debüt-Saison natürlich alt aus.

Nochmal, es ist keineswegs anzuzweifeln, dass Chelsea Tuchel als potentielle Option im Hinterkopf hat, die angeblichen Umstände dafür sind allerdings äußerst fragwürdig. 

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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