Spotlight

Revierderby ist auch Kopfsache: Wer geht besser mit dem Druck um?

26. April 2019 | Spotlight | BY Damian Ozako

Spotlight | Morgen steht das 154. Derby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 an. Während der Gastgeber sich noch im Rennen um die Meisterschale befindet, haben die Gäste noch nicht den Klassenerhalt gesichert. Eine interessante Ausgangslage, da es für beide Teams noch um sehr viel geht.

Schwung mitnehmen und Serie starten

Die 0:5-Niederlage in München hat eindeutig ihre Spuren beim BVB hinterlassen. Mit mehr Glück als Verstand konnte zuhause Mainz mit 2:1 geschlagen werden. Sehr wichtig, da ein erneuter Rückschlag die verunsicherte Mannschaft vermutlich endgültig in eine Krise gestürzt hätte und der FC Bayern längst davon gezogen wäre. Gegen Freiburg erfolgte ein weiterer Schritt nach vorne. Mit 4:0 gewann man das schwierige Auswärtsspiel im Breisgau. Das Ergebnis ist deutlich zu hoch ausgefallen und Dortmund hatte zwischenzeitlich große Probleme mit der Streich-Elf, aber die Art und Weise wie sie ihre Tore erzielt haben, darf allen BVB-Fans Mut machen. Vor allem das 1:0, das Reus (29), Götze (26) und Guerreiro (25) wunderbar herausspielten, sodass Sancho (19) letztendlich nur noch einschieben musste, erinnerte an die starke Hinrunde.

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images)


Für die Mannschaft von Trainer Lucien Favre ist das Derby die große Chance weiter Selbstbewusstsein zu tanken und die guten Ansätze aus dem Freiburg-Spiel zu verfestigen. Ein souveräner Derbysieg mit ansprechender Leistung könnte den Spieler selbst, den Fans und auch den Bayern das Signal geben, dass mit dem BVB bis zum letzten Spieltag zu rechnen ist. Um die Chance auf die Meisterschaft am Leben zu halten, müsste Dortmund ohnehin alle restlichen Spiele gewinnen. Das morgige Spiel wäre die perfekte Gelegenheit, um ein letztes Mal richtig in Fahrt zu kommen.

Speziell auf das Duell mit Schalke bezogen, hat der BVB einiges gutzumachen aus den vergangenen Jahren. Von den letzten sechs Duellen konnte lediglich das Duell aus der Hinrunde gewonnen werden. Auf einen Heimsieg gegen Schalke müssen die Fans in Dortmund seit November 2015 warten und das letzte Heimspiel wurde für den BVB zur Katastrophe, als die Bosz-Elf nach einem 4:0-Vorsprung noch unentschieden spielte. Ein Sieg wäre für Dortmund also auf vielen unterschiedlichen Ebenen immens wichtig.

Stimmung retten und Klasse halten

Doch das gilt auch für den FC Schalke 04. Die „Knappen“ befinden sich in einer außerordentlichen Krise und der Trainerwechsel hat keine fußballerische Besserung gebracht. Nach wie vor ist das Spiel des letztjährigen Vizemeisters sehr träge und fehleranfällig. Dass die Stevens-Elf auf Platz 15 liegt und immer noch sechs Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang hat, liegt eher an den teils katastrophalen Leistungen der Konkurrenz.

(Photo PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images)


Die Stimmung auf Schalke ist mittlerweile am Nullpunkt angelangt. Spieler wie Bentaleb (24) und Mendyl (21) wurden von Stevens aus disziplinarischen Gründen aus dem von vielen Verletzungen geplagten Kader gestrichen und die Ergebnisse stimmten zuletzt auch nicht. Doch mit einem Sieg in Dortmund könnten die „Königsblauen“ einen großen Schritt Richtung Klassenerhalt machen. Die Saison wäre damit nicht gerettet, aber man könnte deutlich entspannter in die letzten Spiele der Saison gehen. Für die Fanseele wäre ein Derbysieg in dieser Phase ein wahrer Segen, denn zuletzt schien die Situation der Mannschaft recht aussichtslos zu sein. Neben dem so gut wie sicheren Verbleib in der Bundesliga auch noch die geplatzten Meisterschaftsträume im Stadion des Erzrivalen zu feiern, wäre das Highlight der sonst so niederschmetternden Saison. Außerdem würde endlich mal wieder ein wenig Ruhe in den Verein einkehren.

Kaum Hoffnung auf Besserung

Sollte es allerdings eine deutliche Niederlage geben, dürften unangenehme Wochen auf Schalke zukommen. Wenn dann noch der VfB Stuttgart unter Interimstrainer Nico Willig durchstarten sollte, könnte es im schlimmsten Fall sehr brenzlig werden. Die Mannschaft befindet sich in einer desaströsen Verfassung und was Stevens auf der Pressekonferenz vor dem Revierderby von sich gab, dürfte niemandem Mut gemacht haben. Auf die Frage, warum es auch unter ihm nicht so richtig funktionieren mag, antwortete er mit diesem Statement:

„Ich kann und darf nicht alles sagen. Vielleicht wird das noch kommen. Vielleicht intern. Vielleicht aber auch in der Öffentlichkeit. Ich weiß es noch nicht.“ [via Reviersport]

Diese Mannschaft hat scheinbar so viele unterschiedliche Probleme, dass selbst Huub Stevens teilweise sehr ratlos wirkt. Für jemanden, der großen Wert auf Disziplin legt, dürfte dieser Kader tatsächlich ein absoluter Albtraum sein.

Revierderby ist (auch) Kopfsache

Ein Derby kann Kräfte freischalten, die im Normalfall nicht vorhanden sind. Die Chance dem Erzrivalen sportlich in dieser entscheidenden Phase der Saison deutlich zu schaden, macht einen Sieg nochmals attraktiver als er ohnehin schon wäre. Schalke ist spürbar verunsichert gewesen in den letzten Wochen, aber wenn die Mannschaft die Köpfe freibekommt und mutig ins Spiel geht, ist alles möglich. Niemand erwartet von den „Königsblauen“ eine großartige Leistung. Sie sind der Underdog und wollen alle überraschen. In einem Derby ist das so oder so immer möglich. Sollten sie die negativen Einflüsse allerdings nicht abschütteln können und ängstlich agieren, droht im schlimmsten Fall ein Debakel, das weitreichende Folgen hätte.

Doch hat Schalke es überhaupt in der eigenen Hand? In den letzten Wochen konnte man einige Male sehen, dass die Mannschaft teilweise nicht konkurrenzfähig war. Dortmund hat einiges gutzumachen aus der jüngeren Derby-Vergangenheit und befindet sich mitten im Kampf um die Meisterschale. Es sind genügend Motivationsgründe vorhanden und auch alles in einem deutlich positiveren Kontext. Spielt der BVB souverän auf, wäre alles andere als ein Heimsieg eine riesige Überraschung. Schalke könnte sich steigern, ein, für ihre momentane Verfassung, gutes Spiel absolvieren und trotzdem verlieren. Und genau das ist psychologisch vielleicht die größte Schwierigkeit, die die Favre-Elf zu bewältigen hat. Für so manchen Fan wären alles andere als drei Punkte schon blamabel und mit der Favoritenrolle hat der BVB schon des Öfteren Probleme gehabt.

Sportlich ist das Spiel im Normalfall eine klare Sache, aber wie gehen die Spieler mit dem Druck um? Was überwiegt mehr beim BVB? Der Wille eine Serie hinzulegen, um die Bayern unter Druck zu setzen und gleichzeitig Schalke in Schwierigkeiten zu bringen oder die Angst das gesamte Umfeld zu enttäuschen? Und traut sich Schalke zu den großen Coup zu landen? Dem Gastgeber ein Bein zu stellen und gleichzeitig einen großen Schritt Richtung Klassenerhalt zu machen, wäre sehr verlockend. Aber die Angst vor dem nächsten Rückschlag und der drohenden Relegation ist mittlerweile allgegenwärtig.

Morgen ist alles möglich und aufgrund der Ausgangslage dürfte es vielleicht sogar noch emotionaler werden, als es sonst schon immer ist. Rein fußballerisch ist es im Normalfall vielleicht eher uninteressant, aber wie die Spieler, Verantwortlichen und Fans mental mit diesem Spiel umgehen, wird spannend zu beobachten sein.

Damian Ozako

(Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


Ähnliche Artikel