Russlands Mittelfeldhoffnung: Aleksandr Golovin im Porträt

27. Dezember 2017 | News | BY Manuel Behlert

Er ist 21 Jahre alt, spielt im zentralen Mittelfeld, ist flexibel einsetzbar, stammt aus der Jugend von ZSKA Moskau und wird von einigen Topklubs bereits jetzt gejagt: Aleksandr Golovin. Ein Wechsel könnte in den kommenden Transferperioden durchaus Realität werden, doch vorher will er sich auf die Weltmeisterschaft im eigenen Land konzentrieren, diese womöglich auch als Bühne nutzen.

Arsenal, Barcelona, Dortmund & co. sollen Golovin, der seit Sommer 2015 fester Bestandteil der ersten Mannschaft von ZSKA ist, beobachten. Alleine das ist schon eine Auszeichnung für seine Klasse, bisher kam allerdings noch kein Wechsel zustande.

Zunächst Linksaußen

Der technisch begabte Russe spielte zu Beginn seiner Karriere bei ZSKA Moskau eher im linken offensiven Mittelfeld, musste viel Laufaufwand leisten, wurde häufig als Joker eingewechselt. In der Saison 2015/16, also seiner ersten kompletten Profisaison kam er auf 23 Einsätze, bei denen er drei Treffer erzielen konnte. Insgesamt spielte aber nicht einmal 1000 Minuten, auch weil ihm die nötige Effizienz in vielen Situationen fehlte. Doch schon dort wurde Golovin vereinzelt im Zentrum eingesetzt, fühlte sich dort wohler.

(Photo by Gareth Copley/Getty Images)

In der darauffolgenden Saison spielte Golovin nur noch sehr selten auf der Außenbahn – und das zahlte sich aus. Seine Einsatzminuten verdreifachten sich, er war deutlich mehr in das Spiel von ZSKA eingebunden und konnte seine vielseitigen Qualitäten vor allem im strategischen Bereich besser einsetzen. Diese Spielzeit war auch der endgültige Durchbruch: 37 Spiele, 3 Tore, 4 Vorlagen – eine gute Statistik für einen zentralen Mittelfeldspieler, vor allem, wenn dieser noch so jung ist.

Persönliche Weiterentwicklung

Diese 3 Tore und 4 Vorlagen hat er in dieser Spielzeit bereits jetzt auf dem Konto – in 28 Spielen. Golovin ist unangefochtener Stammspieler, hat sich nicht nur fußballerisch, sondern auch persönlich weiterentwickelt. 15-mal spielte der 21-jährige für die russische Nationalmannschaft, auch im Verein geht er voran. Zudem eignete sich Golovin mehr Defensivqualitäten an, kann ohne Bedenken auch auf der 6 eingesetzt werden anstatt auf der 8 oder der 10.

Schon früh verglich man Golovin mit Alan Dzagoev, der ebenfalls zu einem frühen Zeitpunkt seiner Karriere mit Topklubs in Verbindung gebracht wurde. Doch etwaige Wechsel scheiterten immer wieder, Dzagoev wagte den Sprung nach Mitteleuropa nicht und stagnierte irgendwann in der russischen Liga. Vielen russischen Spielern geht es so, in ihrem Heimatland spielen sie in der gewohnten Umgebung, verdienen gutes Geld und wagen nicht das Risiko des Auslandswechsels. Doch Golovin könnte anders sein.

WM 2018 als Bühne

Gerade weil im Sommer die Weltmeisterschaft in Russland ansteht, Golovin im Fokus steht. Er soll mithelfen die russische Nationalmannschaft mindestens in das Achtelfinale zu führen und will seine Qualitäten natürlich der ganzen Welt zeigen. Es ist davon auszugehen, dass der 21-jährige als Stammspieler in das Turnier startet, wenn er seine Form hält. Im Sommer könnte er zeigen, dass er schon jetzt besser ist als der 6 Jahre ältere Dzagoev – zumindest in Sachen Konstanz dürfte das stimmen.

(Photo by YURI KADOBNOV/AFP/Getty Images)

Das Turnier im Sommer sollte Golovin weiterhelfen um noch mehr Verantwortung zu übernehmen, zu einem Führungsspieler zu reifen, der das Mittelfeld der Russen über Jahre prägen kann. Grundsätzlich gibt es zu wenige Talente seiner Klasse, sodass Russland keine ganz großen Ziele formulieren kann. Trotzdem sollte die Qualität Golovins auch hier den Scouts, die ihn beobachten werden, auffallen. Ob es dann schon im Sommer zu einem Wechsel kommt, bleibt abzuwarten – bei ZSKA sind seine Entwicklungsmöglichkeiten jedenfalls begrenzt.

Strategischer Techniker

Wie bereits angesprochen sind die Qualitäten von Aleksandr Golovin absolut vielseitig. Seine Entwicklung verlief hervorragend, der Wechsel von der Linksaußen-Position ins Mittelfeldzentrum war enorm wichtig. Golovin verfügt über ein gutes Passspiel, kann das Risiko hervorragend abwägen, hat eine enge Ballführung und sich in Sachen Entscheidungsfindung extrem verbessert. Das Rundum-Paket aus Technik, Übersicht und Zug zum Tor ist für einen solch dynamischen Mittelfeldspieler immens wichtig.

Seine verbesserten Defensivqualitäten zeichnen sich vor allem durch ein gutes Raumgefühl aus, er läuft in der Rückwärtsbewegung viele Lücken zu, hat an Robustheit gewonnen und gewinnt wichtige Zweikämpfe. Offensiv ist er vor allem im kombinationen Bereich tätig, sieht sich anbahnende Lücken und versucht seine Mitspieler gut in Szene zu setzen. Hin und wieder hält er den Ball zu lange, schießt etwas zu früh oder lässt die allerletzte Präzision vermissen, aber für einen Spieler, der 21 Jahre alt ist, ist das Qualitätsspektrum schon sehr groß.

(Photo by KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP/Getty Images)

Was die Zukunft bringt und wie viel seines Potenzials Golovin noch ausschöpfen kann, wird von vielen Faktoren abhängig sein. Einerseits muss der Russe natürlich weitgehend verletzungsfrei bleiben, andererseits muss er die richtigen Entscheidungen in der Karriereplanung treffen. Ein Verein vom Kaliber Barcelona wäre womöglich nach ZSKA Moskau eine Nummer zu groß, ein Zwischenschritt sinnvoller, damit er von Beginn an auf Einsatzminuten kommt. Zurzeit scheint alles offen zu sein, nach der Weltmeisterschaft kann tendenziell alles passieren.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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