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Warum Real Madrid für den BVB (noch) eine Nummer zu groß ist

27. September 2017 | Spotlight | BY Nico Scheck

Borussia Dortmund hat auch sein zweites Champions-League-Gruppenspiel mit 1:3 verloren und steht jetzt international gehörig unter Druck. Die „Königlichen“ aus Madrid waren über 90 Minuten gesehen eine Nummer zu groß für den BVB. Nun droht bereits jetzt das Aus in der Gruppenphase. Real hingegen konnte erstmals in Dortmund gewinnen und beendete somit den „Auswärtsfluch“ bei den Schwarz-Gelben.

Was national gut klappt, läuft international für die Dortmunder noch nicht so rund. 19:1 Tore, 16 Punkte und Platz eins in der Bundesliga, 2:6 Tore, null Punkte und damit Vorletzter in der Gruppe H der diesjährigen Champions League: Die Bilanzen könnten kaum unterschiedlicher sein. Zugegebenermaßen, ja, man kann bei Tottenham Hotspurs, englischer Vize-Meister, verlieren. Und ja, man kann auch daheim gegen Real Madrid, das wohl derzeit stärkste Team in Europa, verlieren, siehe Bayern München (1:2 im Viertelfinale der vergangenen Champions-League-Saison). Möchte der BVB aber auch im kommenden Frühjahr noch die Champions-League-Hymne im Signal Iduna Park und nicht nur im Fernsehenertönen hören, sollte dies nicht passieren, siehe Bayern München.

 

Die Gruppenphase wird zu einer Mammutaufgabe

Schon kurz nach der Auslosung sprach Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer beim BVB, von einer „Hammergruppe“, wahrscheinlich die am stärksten besetzte Gruppe dieser Gruppenphase. Spätestens nach diesem zweiten Spieltag kann man festhalten, dass er damit Recht hatte. Während die beiden Konkurrenten aus Madrid und London bereits sechs Punkte auf dem Konto haben, stehen die Dortmunder noch ohne Punkt auf Rang drei der Gruppe H.

Das Überwintern in Europas Eliteklasse ist bei noch vier ausstehenden Spielen natürlich nicht unmöglich, doch man muss nun eine Mammutaufgabe bewältigen. Die Duelle mit APOEL Nikosia müssen beide gewonnen werden, ebenso das Heimspiel gegen die Spurs, am besten mit 2:0 oder höher, um den direkten Vergleich für sich entscheiden zu können. Und am besten entführt der derzeitige Tabellenerste der Bundesliga auch noch zumindest einen Punkt aus Madrid. Zeitgleich muss Tottenham aber auch beide Spiele gegen den spanischen Meister verlieren. Diese Konstellation ist durchaus denkbar, doch der BVB hatte schon leichtere Aufgaben.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

 

Pressing und Umschalten vom Feinsten

Diese Überschrift passt in der Liga perfekt auf die Borussia. Schon vor dem Gruppenspiel gegen Real berichteten wir über das starke Pressing und die gefährlichen Konter. Doch im Duell mit dem amtierenden Champions-League-Sieger trifft dies genau auf den Gegner zu. Madrid zeigte sich pressingresistent und störte seinerseits den BVB früh in dessen Hälfte. Das frühe Pressen der drei Angreifer Maximilian Philipp, Pierre-Emerick Aubameyang und Andrey Yarmolenko wurde von den beiden Außenverteidigern von Real und dem Mittelfeld-Trio Luka Modric, Casemiro und Toni Kroos klug umspielt. Auf der Gegenseite offenbarte die Abwehr und das Mittelfeld der Dortmunder Schwächen gegen das sehr frühe Stören durch Bale, Isco und Ronaldo. Und auch die beiden Außenverteidiger Daniel Carvajal und Nacho Fernandez wussten im Spiel gegen den Ball zu gefallen.

So provozierten die Spanier immer wieder Fehler im Aufbauspiel des BVB. Besonders Nuri Sahin und Gonzalo Castro wirkten unter Druck nicht immer sicher. Ob hier Julian Weigl und Mahmoud Dahoud mit ihrem guten Passspiel und ihrer Pressingresistenz die bessere Wahl in der Startelf gewesen wären, lässt sich nach dem Spiel nur erahnen. Zwar unterlief beiden nach ihrer Einwechslung ebenfalls der ein oder andere Abspielfehler, doch das Spiel nach vorne wirkte anschließend zielstrebiger und organisierter.

Ein weiteres Manko im Spiel der Borussia war die fehlende Konsequenz im Umschaltspiel. Auch die Real-Defensive blieb nicht frei von Fehlern, doch Dortmund wusste diese zu selten zu nutzen. Oft misslang der letzte entscheidende Pass oder der Ball wurde schon vorher durch eine unzureichende Ballverarbeitung wieder hergeschenkt. Die Spanier hingegen wussten die Ballgewinne oft effizient auszunutzen, so auch vor dem 0:2 und dem 1:3.

(Photo credit should read PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images)

In der Champions League stottert die Torfabrik

Wie für den BVB selbst gilt auf für die Offensive um Torgarant Aubameyang: Was in der Liga so gut funktioniert, ist in der Champions League noch ausbaufähig. Zugegebenermaßen, Real Madrid ist nicht Gladbach und, bei allem Respekt, Sergio Ramos ist nicht Jannik Vestergaard. Kleinere Fehler, die in der Liga (bisher) nicht bestraft wurden, werden in der Königsklasse sofort bestraft. Sowohl Philipp als auch Aubameyang, in der Liga mit acht Treffern bester Torjäger, waren an diesem Dienstagabend viel unterwegs, doch zu oft fanden sie keine Lösung gegen Ramos und Co.

Aubameyang versprang für ihn ungewöhnlich oft der Ball und auch die Abspiele waren nicht immer präzise genug. Philipp fand auf den Außenbahnen meistens in dem bärenstarken Carvajal seinen Meister und wirkte in seinen Abschlüssen unglücklich. Auch der bisher so starke Yarmolenko konnte dem Spiel der Dortmunder nicht so sehr seinen Stempel aufdrücken wie sonst, was auch daran lag, dass er die Bälle durch das starke Pressing der Madrilenen nur unter hohem Druck verarbeiten konnte oder gar nicht erst an den Ball kam. Trotz allem ergaben sich Großchancen, die jedoch bis auf Aubameyangs Anschlusstreffer in der 54. Minute nicht genutzt werden konnten.

 

Vier Minuten zwischen Glück und Pech

Neben der Tatsache, dass Dortmunds bisherige Gegner in der Champions League ein anderes Kaliber waren als die in der Bundesliga hat man in manchen Situationen auch einfach Pech gehabt. Schon gegen Tottenham erzielte Aubameyang nach der Pause den vermeintlichen Ausgleich zum 2:2, der jedoch wegen Abseits zu Unrecht aberkannt wurde. Vier Minuten später entschied Harry Kane mit seinem Treffer zum 3:1 die Partie zugunsten der Engländer. Bitter für den BVB, der in dieser Phase den Ausgleich verdient gehabt hätte.

Und auch gegen Real setzte sich dieses Pech fort. Nach einer Flanke von Yarmolenko bugsierte Philipp den Ball Richtung Tor, Navas lenkte diesen an Ramos Hand, doch Referee Björn Kuipers lies weiterspielen. Eine knifflige, aber eher falsche Entscheidung. Nur vier Minuten später spielte Carvajal einen hohen Pass auf Gareth Bale und der Waliser sorgte mit einem Traumtor für die Führung der „Königlichen“. Nur 50 Sekunden nach Wiederanpfiff wäre fast der Ausgleich gefallen. Doch Verteidiger Raphael Varane klärte in letzter Sekunde vor Aubameyang. Und, man ahnt es bereits, vier Minuten später schickt Kroos Bale steil, dieser legt in die Mitte auf Ronaldo, 0:2. Immerhin, weitere vier Minuten später sorgte Aubameyang mit dem Anschlusstreffer noch einmal für Spannung, die Ronaldo allerdings in der 79. Minute mit dem 1:3 für beendet erklärte.

(Photo credit should read PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images)

 

Was folgt nun?

Auch wenn Borussia Dortmund noch punktlos hinter Real und Tottenham in der Gruppe H steht, ist dies keineswegs eine Katastrophe. Der Anspruch des BVB ist sicherlich das Erreichen der K.O.-Phase, doch auch ein Ausscheiden ist in dieser Gruppe durchaus möglich, zumal die Spurs diese Saison bisher auch international ihr Leistungsvermögen abrufen. Für die Bundesliga ändert diese Niederlage überhaupt nichts, der Start ist nahezu optimal verlaufen und die Umsetzung des Systems vom neuen Trainer Peter Bosz sowie die Eingliederung der Neuzugänge hat deutlich schneller und besser funktioniert als dies zu erwarten war. Selbst der Abgang von Ousmane Dembele zum FC Barcelona fällt, zumindest in den nationalen Wettbewerben, kaum auf.

Obwohl die Entwicklung der Dortmunder insgesamt also sehr positiv zu sehen ist, muss man, wenn man auch im kommenden Frühjahr Champions League spielen möchte, die kleinen Fehler abstellen. Werden die Defensivprobleme behoben und funktioniert das Umschaltspiel auch gegen stärkere Teams wie Real oder Tottenham, wird man auch in Madrid etwas mitnehmen können.

(Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images,)

Nico Scheck

Aufgewachsen mit Elber, verzaubert von Ronaldinho. Talent reichte nur für die Kreisliga, also ging es in den Journalismus. Seit 2017: 90PLUS. Manchmal: SEO. Immer: Fußball. Joga Bonito statt Catenaccio.


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