Chelsea | Geduldsprobe? Transfersperre als Chance
25. Februar 2019 | Spotlight | BY Chris McCarthy
So sehr die bevorstehende Transfersperre die Kaderplanung des FC Chelsea verkompliziert, sie stellt gleichzeitig eine große Chance dar. Eine Chance, für die es etwas bedarf, das an der Stamford Bridge in den letzten Jahren zu kurz kam: Geduld.
(Ver)Komplizierter Umbruch
Ursprünglich sollte der Kader des FC Chelsea im Sommer 2019 etwas mehr an die Vorstellungen des neuen Trainers angepasst werden. Wie Pep Guardiola bei Manchester City oder Jürgen Klopp beim FC Liverpool, sollte auch Maurizio Sarri das entsprechende Spielerpersonal erhalten, um seine Spielphilosophie und Taktik erfolgreich umsetzen zu können. Mit der Verkündung der Transfersperre bahnt sich bei den Blues allerdings eine radikale Planänderung an.
Aufgrund der Missachtung von Regularien bei der Verpflichtung von Minderjährigen darf der FC Chelsea in den kommenden zwei Transferfenstern keine neuen Spieler registrieren. Die Londoner weisen die Vorwürfe von sich, haben Berufung eingelegt. Stand jetzt ist davon auszugehen, dass die Sperre dadurch verzögert wird und der Abramowich-Klub zumindest noch diesen Sommer auf dem Markt tätig werden darf.
Dann stehen ohnehin schon wichtige Entscheidungen an. Der wechselwillige Eden Hazard müsste eigentlich jetzt verkauft werden, möchte man nicht in Gefahr laufen, ihn 2020 ablösefrei zu verlieren und durch die Sperre nicht ersetzen zu können. Kann man Callum Hudson-Odoi, der ebenfalls nur noch ein Jahr Restvertrag hat und schon im Winter am liebsten den ersten Flug Richtung München gebucht hätte, von einem Verbleib überzeugen? Was wird aus den älteren Kalibern, wie David Luiz (Vertrag läuft aus), Pedro und Willian (je Vertrag bis 2020)?
In der vorerst letzten Transferperiode muss der FC Chelsea nicht nur diese heiklen Planstellen angehen. Die Verjüngung des mittlerweile sechstältesten Kaders der Premier League kann ebenfalls nicht mehr verschoben werden. Es bahnt sich ein komplizierter Umbruch an. Ein Umbruch, der womöglich sanfter hätte ausfallen können, wäre man in den letzten Jahren etwas geduldiger gewesen.
Viel Talent – Wenig Geduld
Das Talent für einen jüngeren Kader war im Westen Londons eigentlich schon immer zu Genüge vorhanden. Ob durch die Produkte einer der besten Jugendakademien Europas oder einer Vielzahl von Perspektiv-Verpflichtungen, Chelsea dachte immer an morgen.
Das Problem? Abramowich wollte den Erfolg schon immer „heute“. Dazu passt auch seine Trainerwahl. In José Mourinho, Antonio Conte und Maurizio Sarri standen und stehen Männer an der Seitenlinie, die nicht gerne auf die Jugend setzen, da sie für ihren Geschmack noch nicht reif genug sind, ihre taktischen Vorgaben umzusetzen und konstant zu performen. Perspektivspieler erhielten an der Stamford Bridge folglich zu selten die Chance, sich zu beweisen. Die prominentesten Beispiele der letzten Jahre sind Mohammed Salah, Romelu Lukaku und Kevin De Bruyne, die sich scheinbar zu langsam entwickelten, abgegeben wurden und an anderer Stelle durchstarteten.
Zu den Versäumnissen der Vergangenheit könnten sich schon bald weitere Jungprofis gesellen. Nathan Chalobah (24; Watford), Nathan Aké (24, Bournemouth) oder auch Bertrand Traoré (23; Lyon) sind allesamt unter 25 Jahre alt, wurden verkauft und liefern nun bei anderen Klubs überzeugende Argumente ab, mindestens gut genug für einen Verein wie den FC Chelsea zu sein. Doch wie schon bei De Bruyne oder Salah hatten die Blues nicht die Geduld, das selbst herauszufinden.
Chelsea wollte erfahrene, etablierte Spieler.
Inkonsequente Transferphilosophie
Das passt jedoch nur bedingt zur klubeigenen Transferphilosophie, denn eigentlich möchte man nur Spieler verpflichten, die jung genug sind, um sich zu entwickeln, bzw. im Wert noch steigen können. Ein Punkt, an dem übrigens die Zusammenarbeit mit Antonio Conte trotz Meisterschaft letztendlich scheiterte.
Wie oft gibt es aber Spieler, die einerseits entwicklungsfähig sind, gleichzeitig etabliert und über eine gewisse Erfahrung verfügen? Bis auf N’Golo Kanté und mit Abstrichen Antonio Rüdiger scheinbar selten, wie die Liste der teuren Fehlgriffe seit 2016 zeigt:
Spieler | Alter* | Ablöse (€) | Kommentar |
Michy Batshuayi | 22 | 39 Mio. | Abermals verliehen, jetzt Crystal Palace |
Álvaro Morata | 24 | 66 Mio. | Mit Kaufoption an Atlético verliehen |
Tiemoué Bakayoko | 22 | 40 Mio. | Mit Kaufoption an AC Mailand verliehen |
Danny Drinkwater | 27 | 38 Mio. | 30 Pflichtspielminuten 2018/2019 |
Davide Zappacosta | 25 | 25 Mio. | Reservist |
Emerson | 23 | 20 Mio. | Reservist |
*Alter bei Verpflichtung
Natürlich sind das nicht zwangsläufig schlechte Spieler, im Falle eines Tiemoué Bakayoko fehlte beispielsweise ebenfalls die Geduld und bei den meisten anderen hat es bei Chelsea einfach nicht gepasst.
Damit drängt sich jedoch unweigerlich die Frage auf, ob das eigene Talent nicht nur rentabler, sondern vielleicht sogar schlichtweg besser gewesen wäre als die externen Neuzugänge.
Transfersperre als Chance
Zum Glück für den FC Chelsea gibt es im Westen Londons immer noch reichlich Talent. Callum Hudson-Odoi (18) weckt bereits beim FC Bayern Begehrlichkeiten und verfügt über ein extrem hohes Potential. Andreas Chirstensen (22) gehörte unter Antonio Conte zu den verheißungsvollsten Abwehrspielern der Premier League. Tammy Abraham (21) sorgt bei Leih-Verein Aston Villa mit stolzen 20 Saisontoren für Aufsehen. Reuben Loftus-Cheek (23) avancierte trotz der limitierten Gelegenheiten bei Chelsea bereits zum Nationalspieler.
Weniger bekannt, dafür keinesweges weniger talentiert, sind die Nachwuchskicker Ethan Ampadu (18) und seine verliehenen Kollegen Mason Mount (20), Fikayo Tomori (21, beide Derby), Reece James (19; Wigan), Jay Dasilva (20; Bristol) sowie Trevoh Chalobah (19; Ipswich).
All diese Perspektivspieler haben das Zeug dazu, Leistungsträger in der Premier League zu sein. Alle benötigen noch etwas Zeit und vor allem Spielpraxis, um das tatsächlich auch zu werden. Nicht allen wird das gelingen. Ob sie es unter Maurizio Sarri herausfinden werden, bleibt abzuwarten. Der 60-jährige Italiener verfolgt eben eine andere Philosophie. Laut Evening Standard hat er sich seit seiner Ankunft nicht einmal bei der Academy blicken lassen und durch seine fehlende Bereitschaft, den Nachwuchs einzusetzen, Top-Talent Hudson-Odoi fast aus dem Verein gedrängt.
Mit der bevorstehenden Transfersperre bleibt den Blues nun keine andere Wahl, als die ein oder andere Planstelle und Verjüngungsmaßnahme erstmal intern anzugehen, ganz unabhängig davon, wie der Trainer bei dieser notgedrungen Strategieänderung auch heißt.
Das Talent ist jedenfalls da, die Geduld gezwungenermaßen auch…
(Main Photo by Mike Hewitt/Getty Images)
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Chris McCarthy
Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.