Spotlight

Der FC Bayern zwischen Wolfsburg und Paris

23. September 2017 | Spotlight | BY Manuel Behlert

6 Spiele sind in der Bundesliga absolviert und der FC Bayern steht bei 13 Punkten. Eine Katastrophe? Mitnichten. Ein Grund zur Beunruhigung? Wahrscheinlich auch nicht wirklich. Gegen die TSG Hoffenheim waren Ansätze da, zudem gingen auch in der vergangenen Saison die Spiele gegen Julian Nagelsmann nicht gut aus. Und Martin Schmidt in der Allianz Arena ist ohnehin ein Thema für sich. Trotzdem sollte man beim Rekordmeister derzeit genauer hinschauen. Und Dinge ansprechen, die eben nicht funktionieren.

Wo soll man den FC Bayern zurzeit einordnen? Nach dem Anderlecht-Spiel in der Champions League und der teilweise sehr offensiv geäußerten Selbstkritik der Spieler schien man sich auf dem Weg der Besserung zu befinden. Gegen Mainz und Schalke gewann man nach guten Spielen jeweils überzeugend, jeweils zu Null. Vor dem Kracher gegen Paris sollte diese Serie ausgebaut und vor allem Stabilität erzeugt werden.

Kein Tempo, keine Ideen

Dass Martin Schmidt eine Lösung gegen die Dominanz und die Angriffsstärke des FC Bayern finden kann, zeigte er bereits in Mainz. Schmidt ist ein guter Motivator und ein Kontertrainer mit einem zumindest ordentlichen Defensivkonzept. Er schafft es gestern mit seiner Mannschaft den FC Bayern größtenteils lahmzulegen, den Flügelfokus des Rekordmeisters auszunutzen. Dass er zur Halbzeit mit 0:2 hinten lag, war nicht dem Spielwitz der Bayern geschuldet, sondern vielmehr unglücklichen Umständen wie einem zweifelhaften Elfmeter und einem abgefälschten und dadurch unhaltbaren Treffer von Robben.

(Photo by Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images)

Schon im ersten Durchgang fiel es dem FC Bayern schwer, Tempo in seine Aktionen zu bekommen. Robben und Ribery versuchten viel, es gelang ihnen wenig. Die nachrückenden Außenverteidiger wurden von William und Malli gut kontrolliert, die bekannte Flügelzange von Itter und Verhaegh über den gesamten Platz verfolgt. Und das Zentrum? Boateng versuchte häufig Lewandowski und Müller mit langen Bällen einzubinden. Das gelang aber zu selten. Rudy ordnete das Spiel nach Kräften und tat genau das, was er kann, nämlich die Spielkontrolle zu generieren. Arturo Vidal versuchte sich in Räume zu bewegen um dem VfL wehzutun, aber kollidierte dort gerne mit den einrückenden Flügelspielern, war mitunter also überhaupt nicht anspielbar.

Die Kehrtwende im Spiel

Trotzdem war der FC Bayern überlegen. Diese Überlegenheit zeichnete sich aber nur durch die Spielkontrolle aus und nicht durch einen Ideenreichtum und regelmäßige, gute Torchancen. Wolfsburg wurde in der zweiten Halbzeit durch die Hereinnahme von Blaszczykowski mutiger und setzte mehr Nadelstiche, aber die entscheidende Szene spielte sich bei einem ruhenden Ball ab. Den Freistoß von Maximilian Arnold muss Sven Ulreich zweifelsohne halten, niemand weiß genau, was er in dieser Aktion vorhatte. Möglicherweise verschätzte sich der Bayerntorhüter derart eklatant, dass er dachte, er könne den Ball über die Latte lenken. Dieser Schlug aber tiefer ein und das 2:1 resultierte. Wolfsburg spielte in der Folge geduldig und öffnete nur wenige Räume für Konter des FCB.

Robben bemühte sich, vergab noch eine Chance, während Ribery auf der anderen Seite immense Probleme hatte. Der Franzose ist zurzeit in keiner guten Verfassung, hat ohnehin an Tempo verloren und seine Ideen fehlten gänzlich. Man merkte gestern, dass der Rekordmeister ohne Thiago Alcantara in solchen Spielen zu sehr auf individuelle Momente angewiesen ist. Thiago wird, immerhin, in Paris wahrscheinlich auflaufen können. Der Rest des Spiels ist schnell erzählt. Wolfsburg nutzte die Chance, die sich bot und verwandelte einen Angriff durch Didavi zum 2:2. Das Ergebnis ließ den FC Bayern enttäuscht zurück. Eine Tatsache, die man sich selbst eingebrockt hatte.

Anpassungen? Zu spät!

Der kleine Kader des FC Bayern wurde bereits häufiger angesprochen. Doch gestern befanden sich mit Kingsley Coman, Corentin Tolisso und James Rodriguez drei adäquate Spieler auf der Bank, die frischen Schwung bringen sollten. Gerade der Franzose Coman ist derzeit in einer herausragenden Form, hatte zuletzt einen guten Rhythmus und funktionierte auf dem Flügel ideal. Sein Tempo wäre schon früh in der zweiten Halbzeit, möglicherweise für Franck Ribery, ein gewinnbringendes Element gewesen. Doch Ancelotti brachte nach 63 Minuten erst Tolisso für Vidal und wartete mit den weiteren Wechseln bis zur 86. Minute. Warum er erst so spät für neuen Schwung sorgte, bleibt sein Geheimnis.

Doch wie muss man dieses Spiel jetzt in die Gesamtsituation einordnen? Natürlich hatte man auch in der Vergangenheit schwächere Spiele, aber gerade jetzt, vor den Auswärtsspielen in Paris und Berlin und der anschließenden Länderspielpause hätte man den Druck minimieren können. Stattdessen fährt man zwar mit Wut im Bauch, aber auch nicht mit einem Gefühl der Unantastbarkeit in die französische Hauptstadt, wo Neymar, Cavani, Mbappe & co. warten und zeigen wollen, dass die zur internationalen Spitze gehören.

Ancelotti ist jetzt gefragt

Nun geht es für den FC Bayern und vor allem für Trainer Ancelotti darum, dass er eine hochkonzentrierte Mannschaft gegen Paris auf den Platz stellen kann. Er muss einen Weg finden um das Mittelfeld zu kontrollieren und die Offensivwucht der Franzosen irgendwie in den Griff zu bekommen. David Alaba und Thiago kehren zurück, gerade der Spanier wird sehr wichtig sein. Denkbar wäre, dass er entweder in einem Dreiermittelfeld mit Tolisso/Vidal und Rudy oder eben nur mit Rudy zusammen beginnt. James Rodriguez wird auch sehr gute Chancen auf einen Platz haben, gerade wenn nur zwei Spieler im zentralen Mittelfeld auflaufen. Ganz eng dürfte es vor allem für Ribery werden. Robben zeigte sich in besserer Form und Kingsley Coman spielt zurzeit ohnehin besser als der Routinier.

(Photo by Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images)

Doch neben dem Personal kommt es vor allem auf die Einstellung an. Ancelotti ist genauso in der Pflicht wie die Mannschaft. Um Unruhe zu vermeiden sollte ein gutes Spiel und zumindest ein Punktgewinn anvisiert werden. Die Qualität haben die Bayern, gerade in der Offensive. Und Thiago & co. ist zuzutrauen ein Mittelfeld aus Motta, Rabiot und Verratti zu kontrollieren. Derzeit sind einige Fragen offen beim FC Bayern und das Spiel in Paris soll eben jene beantworten. Die Situation ist, wie bereits erwähnt, keinesfalls dramatisch. Aber es wäre an der Zeit, um ein Zeichen zu setzen. An alle Kritiker, die derzeit zurecht auf die Entwicklungen und die Konstanzdellen hinweisen.

Der Moment ist wichtig

Zweifelsohne können solche Spiele wie gegen Wolfsburg, Niederlagen wie in Hoffenheim oder schwächere Auftritte im Europapokal, die unter die Kategorie Arbeitssieg fallen, wie das Spiel gegen Anderlecht vorkommen. In einer solch kurzen Phase sind diese Ergebnisse, diese Leistungen allerdings bemerkenswert und sollten nicht unter den Tisch gekehrt werden. Die grundsätzliche Entwicklung beim FC Bayern wurde bei uns schon vor kurzem kritisch betrachtet, konstant gute Leistungen würden helfen, wieder optimistischer in die Zukunft zu schauen. Bleibt es bei den schwankenden Leistungen, werden auch die Stimmen nicht verstummen, die eine Trennung von Ancelotti am Saisonende befürworten.

Doch das darf im Moment keine Rolle spielen. Vielmehr ist der Moment wichtig, die zwei Spiele können richtungsweisend sein. Gewinnt man in Paris und in Berlin wird die Länderspielpause sehr ruhig. Bei schlechten Leistungen und Resultaten wird es wahrscheinlich noch mehr Unruhe geben, mit der man im Verein zuletzt nicht immer sehr seriös umgegangen ist. Das wissen die Verantwortlichen und entsprechend deutlich dürfte die Nachbesprechung des Spiels gegen Wolfsburg ausgefallen sein. Man darf gespannt sein, zu welch einer Leistung diese Mannschaft gegen einen großen und kurz danach gegen einen zumindest sehr unangenehmen und ähnlich wie Wolfsburg clever verteidigenden Gegner fähig ist. Vielleicht sind diese Spiele nicht entscheidend für den Saisonverlauf, für die momentane Stimmung sind sie es allemal.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


Ähnliche Artikel