Spotlight

Goncalo Guedes bei der U21: Befreit aufspielen

8. Juni 2017 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Er durchlief sämtliche Jugendabteilungen beim portugiesischen Spitzenverein SL Benfica, machte nachhaltig auf sich aufmerksam. Im Januar 2017 wechselte er für 30 Millionen Euro zu Paris Saint-Germain, gilt als Perspektivtransfer, hat aber noch Anlaufschwierigkeiten beim französischen Spitzenklub. In der Rückrunde stand er nur knapp 300 Minuten auf dem Platz, konnte lediglich einen Scorerpunkt feiern und muss noch Geduld haben. Derzeit fehlt im der Rhythmus und auch das nötige Selbstvertrauen. Bei der U21 will sich Guedes eben jenes wieder zurückholen.

In der U21-Auswahlmannschaft Portugals ist Guedes nicht einer von vielen, sondern einer der Topstars. Zusammen mit Diogo Jota, Bruno Fernandes oder Bruma soll der 20-jährige Guedes bei der Europameisterschaft in Polen wirbeln, in der Gruppe mit Serbien, Spanien und Mazedonien mithelfen, den Gruppensieg anzugreifen. Das geht nur, wenn Guedes eine gute und hochkonzentrierte Vorbereitung absolviert und zu Turnierbeginn vollkommen fokussiert ist.

Hervorragende Entwicklung bei Benfica

2013/14 spielte Guedes eine sehr gute Rolle in der UEFA Youth League, wurde von den Vereinsverantwortlichen bereits beobachtet, debütierte dann in der Saison 2014/15 für die Profimannschaft Benficas. Er sammelte erste Erfahrungen, gewöhnte sich nach und nach an das höhere Tempo, das gestiegene Niveau und entwickelte sich sehr gut. Zahlreiche Einsätze in der 2. Mannschaft, um seinen Rhythmus beizubehalten und durch Torerfolge und gute Spiele Selbstvertrauen zu tanken, halfen ihm außerdem weiter. Die Saison 2015/16 war dann seine wichtigste. 18 Spiele in der Liga, 6 Pokalspiele, 7 Einsätze in der Champions League: Guedes war endgültig im Profibereich angekommen.

(Photo by PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP/Getty Images)

Sein Talent zu erkennen war nicht besonders schwer. Der flexibel einsetzbare Offensivspieler, der sowohl als hängende Spitze als auch auf den Außenbahnen auflaufen kann, stand bei vielen Topvereinen auf der Liste. Nach einer guten Vorrunde in der abgelaufenen Saison mit 6 Toren und 7 Vorlagen in 28 Pflichtspielen für Benfica lockte PSG. 30 Millionen Euro für einen verhältnismäßig unerfahrenen und noch etwas umkonstanten Spieler wirkten auf den ersten Blick viel, allerdings bezahlt man mittlerweile auf dem Transfermarkt auch für die Perspektive der Spieler. Benfica bildete Guedes, wie zahlreiche andere Spieler, hervorragend aus, der nächste Schritt ist jetzt die Etablierung bei einem noch größeren Klub.

Führungskraft bei der U21

Bei den letzten Testspielen im März fehlte Guedes, dennoch ist er ein eminent wichtiger Spieler für die U21 Portugals. Ende vergangenen Jahres, unter anderem gegen die Niederlande, spielte er neben Diogo Jota als hängende Spitze, hatte alle Freiheiten und tauchte offensiv überall auf. Und genau das macht Guedes in diesem Team unverzichtbar. Der Gegner kann sich nicht auf ihn einstellen, seine individuelle Klasse kann in verschiedenen Situationen aufblitzen. Auch wenn er in Paris nur wenig zum Einsatz kam, kann man damit rechnen, dass er jederzeit ein Spiel entscheiden kann und, sofern er seine Topform früh erreicht. Sein Stammplatz dürfte gesichert sein, auch wenn die Konkurrenz in der Offensive nicht klein ist.

Die Qualitäten des 20-jährigen sind vielschichtig. Er ist dribbelstark, schnell im Antritt, hat eine sehr enge Ballführung und die Fähigkeit, potenziell gefährliche Räume zu erkennen, diese zu besetzen und dadurch jederzeit Torgefahr zu kreieren. Außerdem bringt er sich regelmäßig gewinnbringend in das Kombinationsspiel ein. Vereinzelt hält Guedes den Ball zu lange, die Defensivbewegung ist noch ausbaufähig, auch im Zweikampf sollte er noch robuster werden. Die Anlagen um ein ganz großer Spieler zu werden sind auf jeden Fall da. Bei der U21-EM muss Guedes Verantwortung übernehmen, versuchen, das Team zu führen. Wünschenswert wäre es für die Portugiesen, dass er mit mehr Selbstverständnis anreisen würde. Mit der nötigen Spielpraxis in der Vorbereitung könnte er schon zu Turnierbeginn sein gewohntes Niveau erreichen.

Wechsel zu früh?

Kritiker sagen, dass sein Wechsel zu Paris eine wenig zu früh kam. Mit 20 Jahren als zumindest nicht unangefochtener Stammspieler diesen Schritt zu gehen, ist mutig. Guedes traut sich auf jeden Fall zu, das entsprechende Niveau für Paris schnell zu erreichen. Was er dafür braucht, ist vor allem Motivation und Geduld. Die Motivation ist notwendig, um in jedem Training an sich zu arbeiten, sich zu verbessern, sich noch besser zu akklimatisieren. Irgendwann wird Unai Emery auf ihn setzen. Er führte ihn bereits in der Rückrunde sukzessive an die Mannschaft heran, die Saisonvorbereitung und die Testspiele werden für Guedes sehr wichtig. Nach der Europameisterschaft wird er etwas später ins Training einsteigen, muss deswegen umso mehr arbeiten und versuchen einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

(Photo by FRANCK FIFE/AFP/Getty Images)

Vielleicht hätte sich Guedes noch für ein halbes Jahr an Benfica verleihen lassen sollen, vielleicht ist auch jetzt eine Leihe im Bereich des Möglichen. Mit 20 Jahren und einem langfristigen Vertrag ausgestattet ist es auch dem Spieler gegenüber unfair, ihn bereits jetzt zu bewerten. Guedes wechselte in ein neues Land, muss eine neue Sprache lernen und versuchen sich optimal zu integrieren. Die Konkurrenz bei Paris Saint-Germain ist sehr groß, man kann nicht erwarten, dass Guedes sich auf Anhieb gegen Draxler, Lucas oder Di Maria behaupten kann. In der kommenden Saison muss sein persönliches Ziel sein, dass er im Zuge der Rotation häufiger zum Einsatz kommt, gegen „kleinere“ Teams der Ligue 1 Spielpraxis sammeln kann. Sollte das nicht gelingen, muss er tatsächlich darüber nachdenken, sich noch einmal verliehen zu lassen. Vorher geht es aber darum, mit der U21 Portugals ein sehr gutes Turnier zu spielen und dann den Angriff in der PSG-Offensive zu starten.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


Ähnliche Artikel