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Javi Martinez | Bayern Münchens spanischer Liebling auf dem Abstellgleis

8. Februar 2019 | Spotlight | BY Nico Scheck

Er zählt zu den absoluten Fanlieblingen beim FC Bayern und nur wenige verkörpern das Triple-Jahr 2013 so sehr wie der spanische Abräumer: Javi Martinez sticht in dem Münchner Ballstreichler- und Dribbelkünstler-Ensemble als Räumungsfahrzeug vor der Abwehr heraus. Doch unter dem neuen Trainer Niko Kovac ist er vor allem eines: Auf dem Abstellgleis.

Javi Martinez: Heynckes‘ Liebling unter Kovac zum Mittelmaß

Im Sommer 2012, also nach einer enttäuschenden Saison mit drei Verweisen auf den zweiten Platz, forderte der damalige Bayern-Coach Jupp Heynckes vor allem einen Spieler als Neuzugang: Javi Martinez. Der Spanier sollte der neue Abräumer vor der Abwehr werden und so Bastian Schweinsteiger mehr Freiheiten im Spielaufbau beschaffen. Gefordert und umgesetzt, Martinez wechselte für die damalige Rekordsumme von 40 Millionen Euro Ablöse von Athletic Bilbao zu den Münchnern.

Der Wechsel machte sich mehr als bezahlt. Gleich in seiner ersten Saison avancierte er zum absoluten Schlüsselspieler und hatte großen Anteil daran, dass am Ende der Saison das Triple auf dem Marienplatz präsentiert werden konnte. Auch in den Folgejahren, ob unter Pep Guardiola, Carlo Ancelotti oder erneut Jupp Heynckes, ob als Innenverteidiger oder auf der Sechs, Martinez zählte immer zu den Leistungsträgern beim deutschen Rekordmeister. Was in den Jahren besonders auffiel: Die Kombination Jupp Heynckes als Bayern-Trainer und Javi Martinez auf der Sechs funktionierte am besten.

Nicht ohne Grund verloren die Münchner in der letzten Saison mit Martinez auf der Sechs über die vollen 90 Minuten nur zwei Spiele. Doch in dieser Saison sieht sich Martinez erstmals während seiner Zeit an der Säbener Straße der Situation ausgesetzt, nicht die erste Wahl zu sein. Niko Kovac setzt meistens eher auf Thiago als spielstarken Sechser mit zwei Achtern davor. Für die Abräumer-Qualitäten eines Martinez ist dort nicht viel Platz. Mehr noch, der spanische Nationalspieler scheint unter Kovac fast schon zum Mittelmaß im Münchner Kader verkommen zu sein.

(Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Kein Platz für Martinez

Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist Martinez, wie einige Bayern-Stars, in dieser Saison bisher weit von seinem Leistungsmaximum entfernt. Solide Auftritte wechseln sich mit schwachen ab. Zudem waren seine Defensivkünste vor der Abwehr gegen oft tiefstehende Gegner nur selten gefragt. Zum anderen, und das scheint viel entscheidender zu sein, passt Martinez einfach nicht in das Konzept von Kovac.

Der Ex-Frankfurter setzt mit Thiago vermehrt auf einen spielstarken Sechser, der schon früh im Mittelfeld für die kreativen Momente sorgen kann. Davor postiert Kovac meistens zwei Achter, die die Halbräume besetzen und von dort aus die Flügelstürmer und Robert Lewandowski in Szene setzen sollen. Der klare Unterschied zu Vorgänger Heynckes: Denn der Triple-Trainer setzte Martinez als Abräumer und Ballverteiler auf die Sechs, die offensiveren Thomas Müller, James Rodriguez oder auch Thiago sollten dann deutlich weiter in der gegnerischen Hälfte für die kreativen Momente sorgen.

Unter Kovac stehen die Münchner allerdings nicht mehr so hoch wie noch in den letzten Jahren und so kommt Thiago, in dieser Saison ohnehin in bestechender Form, mit seiner Spielstärke auf der Position vor der Abwehr deutlich besser zur Geltung.

Martinez: Vom Fixpunkt zum Gemiedenen

Was ebenfalls auffällt: Spielt Martinez zusammen mit Thiago im zentralen Mittelfeld, wirkt Ersterer oft überflüssig im eigenen Ballbesitz. War der spanische 1,90-Meter-Hüne in der letzten Saison auf der Sechs der Fixpunkt in Bayerns Mittelfeld, so wird er mittlerweile im Spielaufbau von seinen Kollegen oft nur sporadisch angespielt, ja fast gemieden. Das beste Beispiel dafür lieferte der 3:1-Rückrundenauftakt bei der TSG Hoffenheim.

(Photo by Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Im Spielaufbau wurde meistens Thiago von den Mitspielern gesucht, Martinez wirkte teilweise wie ein Fremdkörper im Mittelfeld. Auch die Zahlen belegen diesen Eindruck deutlich: Während Martinez über die vollen 90 Minuten nur auf 58 Ballkontakte kam, sammelte sein Nebenmann Thiago 74 Ballkontakte. Auch die deutlich offensiver agierenden Thomas Müller und Leon Goretzka nahmen mit 66 bzw. 59 Kontakten nicht nur optisch mehr am Spiel teil.

Im darauffolgenden Spiel gegen den VfB Stuttgart (4:1) musste Martinez nach schwachen 45 Minuten zur Pause seinen Platz für Serge Gnabry räumen, gegen Bayer Leverkusen (1:3) schmorte er gar 90 Minuten auf der Bank. Die Qualitäten eines Javi Martinez scheinen unter Niko Kovac schlicht nicht gefragt zu sein. Das mag zum einen daran liegen, dass der Spanier bisher eine recht durchwachsene Saison spielt, zum anderen aber auch an der Ausrichtung von Kovac. Dass es der kroatische Bayern-Coach bisher nicht geschafft hat, Martinez in seine Spielphilosophie einzubinden, obwohl dieser in den letzten Jahren immer zu den Leistungsträgern in der Allianz Arena gezählt hat, hinterlässt einige Fragezeichen.

Denn: Gerade in dieser Saison wirkt der FC Bayern defensiv anfälliger denn je. Ein funktionierender Javi Martinez auf der Sechs wäre da sicherlich Gold wert.

Martinez-Verkauf im Sommer?

Ob Martinez seine ehemalige Rolle im Münchner Star-Ensemble unter Kovac in dieser Saison noch einmal erhält, ist allerdings äußerst unwahrscheinlich. Damit stellt sich auch für die Vereinsbosse des FCB die Frage: Was tun mit Martinez im Sommer? Der Vertrag läuft noch bis 2021, im September wird er 31 Jahre alt. Möchte der deutsche Rekordmeister also noch eine gewisse Ablöse für den Defensivspieler erhalten, wäre ein Verkauf im nächsten Transferfenster die wohl sinnvollste Variante. All das gilt allerdings unter der Prämisse, dass Kovac auch über den Sommer hinaus Trainer an der Säbener bleibt.

Sollte ein Trainerwechsel beim FCB stattfinden, könnten die Karten auch für Martinez wieder neu gemischt werden. Doch bis dahin dürfte er die Rolle als wichtiger Leistungsträger in München verloren haben. Bis dahin dürfte sich Bayern Münchens ehemaliger spanischer Liebling auf dem Abstellgleis wiederfinden.

(Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Nico Scheck

Aufgewachsen mit Elber, verzaubert von Ronaldinho. Talent reichte nur für die Kreisliga, also ging es in den Journalismus. Seit 2017: 90PLUS. Manchmal: SEO. Immer: Fußball. Joga Bonito statt Catenaccio.


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