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Weißt du noch? 03.10.2010 – Als der BVB den Grundstein für die Meisterschaft legte

9. November 2018 | Weißt du noch...? | BY Manuel Behlert

Am 3. Oktober 2010 empfing Borussia Dortmund, wie am kommenden Samstag auch, den FC Bayern München im heimischen Signal Iduna Park. Jürgen Klopp ging in sein drittes Jahr als Trainer der Schwarzgelben und traf auf Louis van Gaal, der mit dem FC Bayern nach einer vor allem in der Rückrunde starken Saison 2009/10 beinahe das Triple gewann. Es sollte ein wegweisendes Spiel werden. 

 

Kluge Anpassungen vs. Stagnation

Auf den ersten Blick sieht der Transfersommer von Borussia Dortmund 2010 nicht unfassbar spektakulär aus. Mit 13 Punkten Rückstand auf den FC Bayern belegte der BVB in der Vorsaison den 5. Platz in der Bundesliga. Das Team von Trainer Jürgen Klopp verstärkte sich mit Robert Lewandowski, einem jungen Offensivspieler aus Polen, der hervorragend in das Konzept des Trainers passte. Zudem wurde Mario Götze dauerhaft aus der eigenen Jugend zu den Profis geholt, mit Shinji Kagawa ein technisch versierter, zielstrebiger Offensivspieler direkt aus Japan verpflichtet. Diese drei Elemente sollten die fehlenden Puzzleteile im System Klopp sein, wie sich später herausstellte. Denn schon zuvor arbeitete der Trainer des BVB an einer sukzessiven Entwicklung im Klub, stabilisierte zunächst die Defensive, schuf ein starkes Duo aus Subotic und Hummels. Mit weiteren jungen Spielern wie Bender oder Sahin, einem Torjäger wie Barrios und einer taktischen Ausrichtung, die zu den Spielern passte, wurde der BVB schnell zur Bedrohung für den Rekordmeister.

(Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Während man in Dortmund also genau wusste, was der Mannschaft noch fehlt um das schon ordentlich hohe Level anzuheben, sah man beim FC Bayern nach der Saison mit 2 Titeln und dem Finale in der Champions League nur wenig Handlungsbedarf auf der Zugangsseite. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte. Lediglich Luiz Gustavo wurde extern verpflichtet – und das auch erst im Wintertransferfenster. Im Sommer war zunächst einmal „ausmisten“ angesagt. Unter anderem verließen José Sosa, Luca Toni und Christian Lell den FC Bayern. Die Folge: Der Kader war klein, die Abhängigkeit von genialen Momenten der absoluten Topspieler groß. Zu groß, wie sich herausstellen sollte.

 

Der Saisonstart: Schwungvoller BVB und die „Krisenbayern“

Das Auftaktspiel in die neue Spielzeit gewann der Rekordmeister mit 2:1 gegen den VfL Wolfsburg. Ganz anders sah die Sachlage in Dortmund aus. Zum Saisonauftakt stotterte der Motor des BVB nämlich noch ein wenig, das erste Spiel gegen Bayer 04 Leverkusen wurde zuhause mit 0:2 verloren. Doch schon schnell wurde klar, welches Potenzial in der Mannschaft von Jürgen Klopp steckt. Der VfB Stuttgart wurde mit 3:1 bezwungen, es folgten Siege gegen Wolfsburg, Schalke, ein überragendes 5:0 gegen Kaiserslautern und ein letztlich souveräner Auftritt beim FC St. Pauli. Vor dem Duell mit dem FC Bayern stand die Borussia mit 15 Punkten auf Tabellenplatz 2, nur der FSV Mainz 05, der einen Startrekord mit 7 Siegen aus 7 Spielen hinlegte, war noch vor den Schwarzgelben positioniert. Doch nicht nur die Resultate stimmten, vielmehr waren es die guten Leistungen und die Spielfreude, die für Furore sorgten.

Beim Gast aus München herrschte indes Tristesse. Der Auftaktsieg war schon phasenweise mühsam, am 2. Spieltag unterlag man beim 1. FC Kaiserslautern mit 0:2. Es folgten zwei  nicht zufriedenstellende, fast trostlose Remis im heimischen Stadion gegen Köln und Bremen. Der FC Bayern hatte Probleme mit dem Kreieren von Chancen, wirkte häufig ideenlos, kam aber dennoch zu einem 2:1-Sieg in Hoffenheim, ehe der nächste Tiefpunkt folgen sollte. Und das gegen den eben bereits angesprochenen FSV Mainz 05, der zur Wiesn-Zeit in München einen Sieg einfahren konnte. Bayern ließ fast alles vermissen, was die Mannschaft in der Vorsaison noch auszeichnete. Individuelle Fehler en masse wurden produziert, die Offensive wirkte wie lahmgelegt. Und vor allem mit Gegnern, die die offensiven Räume gut besetzen und schnell umschalten hatte die Elf von Trainer Louis van Gaal große Probleme. Eine solche Mannschaft war auch der BVB.

 

Aufstellungen und Torfolge

Borussia Dortmund: Roman Weidenfeller – Lukasz Piszczek, Neven Subotic, Mats Hummels, Marcel Schmelzer – Sven Bender, Nuri Sahin (87. Antonio da Silva), Jakub Blaszczykowski, Shinji Kagawa (76. Robert Lewandowski), Kevin Großkreutz – Lucas Barrios (85. Markus Feulner)

Bank: Mitchell Langerak, Felipe Santana, Marc Hornschuh, Tamas Hajnal

Trainer: Jürgen Klopp

Schiedsrichter: Florian Meyer

FC Bayern München: Hans-Jörg Butt – Philipp Lahm, Daniel van Buyten (46. Martin Demichelis), Holger Badstuber, Edson Braafheid (61. Ivica Olic) – Mark van Bommel, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller, Toni Kroos, Danijel Pranjic – Mario Gomez

Bank: Thomas Kraft, Anatoliy Tymoshchuk, Andreas Ottl, Miroslav Klose

Trainer: Louis van Gaal

Tore: 1:0 Barrios (52.), 2:0 Sahin (60.)

 

Ordentlicher Bayern-Start

Die Vorzeichen vor dem Topspiel im Signal Iduna Park ähneln den heutigen. Dortmund ist im Aufwind, der FC Bayern geschwächt, der BVB offensiv, mutig, spielfreudig und der FCB weitgehend lethargisch und uninspiriert. Die Gäste mussten in Dortmund unter anderen auf Arjen Robben und Franck Ribery verzichten, weil auch Hamit Altintop nicht spielen konnte blieb am Ende sogar ein Platz auf der Bank leer. Braafheid kam zu seinem ersten Saisoneinsatz als Linksverteidiger, die Alternativen auf der Bank fehlten, insbesondere in der Kreativabteilung. Und dennoch fand der FC Bayern gut in die Partie und setzte Gomez in der Anfangsphase zweimal in Szene, der seine Chancen aber nicht nutzen konnte.

(Photo by PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images)

Dortmund konnte zu Beginn kaum gefährliche Szenen initiieren, war zunächst bemüht den FC Bayern vom eigenen Tor fernzuhalten. Dem Rekordmeister war anzumerken, dass mit Robben und Ribery zwei Schlüsselfiguren fehlten. Müller wurde gut kontrolliert, Schweinsteiger, Kroos und van Bommel versuchten das Mittelfeld zu dominieren. Der Ballbesitz war in vielen Phasen zwar da, die Ideen aber nicht. Jürgen Klopp heizte seine Mannschaft an der Seitenlinie immer wieder an und forderte sie auf extrem viel zu laufen, jeden noch so unangenehmen Weg zu gehen, um den FC Bayern nicht zu Chancen kommen zu lassen.

Dortmunds defensive Kompaktheit

Bis zur Halbzeit konnte der FC Bayern kaum klare Torchancen kreieren, Gomez scheiterte einmal ein Weidenfeller und wurde einmal von Neven Subotic in höchster Not gestoppt. Trotzdem konnte Louis van Gaal mit dem Spiel seiner Mannschaft einigermaßen leben, die großen individuellen Fehler blieben aus, Dortmund war genug damit beschäftigt selbst die defensive Kompaktheit aufrecht zu erhalten. Aber immerhin dies gelang. Und Jürgen Klopp wusste, das zeigten die ersten Spiele bereits, dass seine Mannschaft in der Lage ist sich auch im Laufe einer Partie zu steigern. In den direkten Duellen zwischen beiden Mannschaften zu Beginn der 2010er-Jahre stach die BVB-Defensive häufig hervor, auch später in den Duellen, in denen Ribéry und Robben auf dem Platz standen.

(Photo by PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images)

Was allerdings noch nicht gelang, war eigene Torgefahr zu erzeugen. Hans-Jörg Butt im Tor des FC Bayern musste bis zum Pausenpfiff keine einzige brenzlige Situation entschärfen. Jürgen Klopp war aber dennoch zufrieden, seine Mannschaft spielte diszipliniert, war heiß auf jeden Zweikampf und hatte noch Luft nach oben. In der Halbzeit wurde nicht viel nachjustiert, Klopp wird lediglich darauf hingewiesen haben präziser zu spielen, die Abwehr des Rekordmeisters zu fordern. Ein Spielerwechsel wurde in der Pause durchgeführt – und dieser sollte einen großen Einfluss auf den Ausgang des Spiels haben.

Demichelis wird zum entscheidenden Faktor

Zu Beginn der 2. Halbzeit erhöhte Borussia Dortmund den Druck auf die Defensive des FC Bayern. Nach wenigen Minuten griff Demichelis erstmals entscheidend ein. Nach einem eigentlich harmlosen Einwurf der Gastgeber verlor der Defensivakteur komplett den Überblick und köpfte den Ball in die Mitte. Dort lauerte Lucas Barrios im Hintergrund und erzielte den vielumjubelten 1:0-Führungstreffer für Borussia Dortmund. Bitter: Der Schuss wurde von Holger Badstuber auch noch abgefälscht. Der Signal Iduna Park bebte, der FC Bayern fand nicht zu seinem Spiel und konnte selbst keine Kontrolle mehr ausüben.

Nach einer guten Stunde war es erneut Martin Demichelis, der mit einem Handspiel für eine gefährliche Situation sorgte. Das Vergehen wurde geahndet, Borussia Dortmund bekam vom guten Schiedsrichter Meyer einen Freistoß aus aussichtsreicher Position zugesprochen. Nuri Sahin, der bis dato viel unterwegs war, aber zumindest offensiv noch keine Akzente setzen konnte, legte sich die Kugel zurecht. Was dann folgte, sollte die Weichen für die restliche Saison stellen: Sahin lief kurz an, streichelte den Ball über die Mauer und der chancenlose Butt auf der Linie konnte der Kugel nur hinterherschauen.

(Photo by Joern Pollex/Bongarts/Getty Images)

Louis van Gaal reagierte sofort, wechselte Edson Braafheid, der keine Akzente nach vorne setzen konnte, aus. Mit Ivica Olic wurde ein neuer Angreifer eingewechselt, der aber auch keinen allzu großen Effekt mehr auf das Spiel hatte. Ein abgefälschter Freistoß von Badstuber und eine gefährliche Szene, die von Piszczek geklärt werden konnte waren die einzigen Gelegenheiten für den Rekordmeister. Der BVB behielt indes die Kontrolle über das Spiel, hätte durch Lucas Barrios, der nur den Pfosten traf, sogar das 3:0 erzielen können. Der Sieg war am Ende also absolut verdient, Dortmund nutzte die Angebote des FC Bayern eiskalt aus und verteidigte über 90 Minuten diszipliniert.

 

Dortmund stürmt zum Titel, Bayern zieht die Reißleine

Dieses Spiel, dieser Sieg, diese gute, geschlossene Leistungen setzte bei der Borussia Kräfte frei. Nach 12 Spieltagen stand der BVB bereits mit 7 Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze, die junge Mannschaft, die zwar mit der Doppelbelastung in der Europa League ihre Probleme hatte, spulte das Pensum in der Liga konstant herunter. Zur Winterpause stand die Klopp-Elf bei 43 Punkten, hatte 10 Punkte Abstand auf Mainz und Leverkusen herausgearbeitet, gar 14 Punkte mehr geholt als der FC Bayern. Und: Auch in der Rückrunde sollte Dortmund sein direktes Duell mit dem Rekordmeister gewinnen, diesmal noch beeindruckender mit 3:1 in der Allianz Arena. Spätestens mit diesem Spiel war klar, dass die Meisterschale in dieser Saison wohl an den Borsigplatz wandern wird.

Während der BVB auf Wolke 7 durch die Saison schwebte, taten sich beim FC Bayern zunehmend Nebenkriegsschauplätze auf. Louis van Gaal, der gemeinhin als nicht ganz einfacher Charakter bekannt ist, brachte diese Unruhe zum Teil selbst hervor. Angebliche Dispute mit Uli Hoeneß, ein Torhüterwechsel zu einem nicht gerade idealen Zeitpunkt und weitere Patzer sorgten dafür, dass van Gaal das Saisonende nicht mehr auf der Trainerbank erlebte. Dortmund krönte sich zum Meister, der FC Bayern erreichte mit Interimscoach Andries Jonker immerhin noch Platz 3 – und somit die Champions League.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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