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Weißt du noch? Revierderby 2003: Traumeinstand für Altintop, später Schock für Schalke 04

7. Dezember 2018 | Weißt du noch...? | BY Manuel Behlert

In der Saison 2003/04 hatte die Bundesliga für ihre Fans gleich zum Auftakt ein besonderes Spiel parat: Schalke 04 empfing am 1. Spieltag der neuen Spielzeit den Revierrnachbarn, Borussia Dortmund. Und das Revierderby hielt, was es versprach. Wir schauen zurück! 

 

Vorsaison: Dortmund als Meister enttäuschend, Schalke 04 im oberen Mittelfeld

Borussia Dortmund schloss die Saison 2002/03 als Drittplatzierter ab, nachdem man im Sommer 2002 noch die Meisterschaft feiern konnte. Nicht alles funktionierte in Dortmund nach Plan, gerade die in der Meistersaison brillante Offensive hatte phasenweise Ladehemmung, zudem machten Verletzungen und die ein oder andere Formkrise dem BVB zu schaffen. Platz 3 und die Qualifikation zur Champions League waren am Ende ein solides Resultat, auch wenn man sich mehr erwartet und vor allem mehr als die im Endeffekt erreichten 58 Punkte anvisiert hatte.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Der FC Schalke 04 hatte ein turbulenteres Jahr hinter sich. Zu Beginn der Saison 2002/03 trennte man sich nach fast 6 Jahren von Huub Stevens, Frank Neubarth übernahm den Trainerposten auf Schalke. Unter ihm wollten sich die nötigen Ergebnisse nicht einstellen, im März wurde Neubarth entlassen und Mark Wilmots sollte die Saison noch irgendwie retten und Schalke auf Kurs bringen. Am Ende wurden die „Königsblauen“ Tabellensiebter und erreichten somit den UI-Cup, die 9 Punkte Rückstand auf Dortmund und vor allem der Abstand von 26 Punkten auf den Meister aus München waren aber zu viel, ein neuer Umschwung im Sommer sollte her. Und dafür holte man keinen geringeren als Jupp Heynckes in das Ruhrgebiet.

 

Schalke und Dortmund im Transfersommer 2003

Die Transferperiode des FC Schalke 04 als spektakulär zu bezeichnen wäre alles andere als treffend. Spieler kamen, Spieler gingen, aber die ganz großen Namen waren nicht dabei. Der UI-Cup lockte sie eben nicht. Emile Mpenza wechselte nach Lüttich, Andreas Möller zog es nach Frankfurt und Marco van Hoogdalem wurde nach Kerkrade verliehen. Neben Leihgabe Alcides, der zu Beginn gegen Dortmund auch gleich in der Startelf stand, verpflichtete Schalke Simon Cziommer, Jochen Seitz und Levan Kobiashvilli ablösefrei, Eduard Glieder wurde aus Pasching geliehen und lediglich für Halil Altintop zahlte man mit 1,8 Millionen Euro eine etwas höhere Ablösesumme. Dieses Geld mussten die „Königsblauen“ nach Wattenscheid überweisen.

Bei Borussia Dortmund war etwas mehr los. Jens Lehmann wechselte zum FC Arsenal, Conor Casey wurde nach Karlsruhe verliehen, Jörg Heinrich zog es nach Köln. Im späteren Saisonverlauf verließen auch noch Giuseppe Reina und sogar Marcio Amoroso den Klub. Interessant wurde es aber auch auf der Zugangsseite. Flavio Conceicao wurde von Real Madrid ausgeliehen, Niclas Jensen von Manchester City verpflichtet. Überdies kam Malte Metzelder aus Münster, Guillaume Warmuz von Arsenal und Andre Bergdölmo von Ajax Amsterdam. Toptransfer war aber der Brasilianer Evanilson, der für 15 Millionen Euro aus Parma zur Borussia wechselte. Nach Platz 3 schien der BVB also seine Hausaufgaben gemacht zu haben und wollte wieder oben angreifen.

 

Schalke gegen Dortmund: Aufstellungen und Statistiken

(Photo by Jamie McDonald/Getty Images)

 

Schalke 04: Frank Rost – Alcides (62. Gustavo Varela)(81. Anibal Matellan), Tomasz Hajto, Tomasz Waldoch, Nico van Kerckhoven – Christian Poulsen, Levan Kobiashvilli, Hamit Altintop – Gerald Asamoah, Victor Agali, Ebbe Sand (81. Simon Cziommer)

Bank: Oliver Reck, Jochen Seitz, Filip Trojan, Mike Hanke

Trainer: Jupp Heynckes

Schiedsrichter: Lutz Michael Fröhlich

Borussia Dortmund: Roman Weidenfeller – Stefan Reuter (87. Giuseppe Reina), Christian Wörns, Ahmed Madouni, Dede – Guy Demel (61. Flavio Conceicao), Lars Ricken (69. Otto Addo), Tomas Rosicky, Ewerthon – Marcio Amoroso, Jan Koller

Bank: Guillaume Warmuz, Juan Ramon Fernandez, Niclas Jensen, David Odonkor

Trainer: Matthias Sammer

Tore: 1:0 Hamit Altintop (39.), 2:0 Hamit Altintop (58.), 2:1 Flavio Conceicao (66.), 2:2 Marcio Amoroso (90+1)

Karten: Christian Poulsen, Tomasz Hajto (Schalke, gelb), Dede, Guy Demel, Marcio Amoroso (Dortmund, gelb), Gerald Asamoah (Schalke, rot)

 

 

Viele Ausfälle auf beiden Seiten, viele Zweikämpfe zu Beginn

Der FC Schalke 04 musste auf van Hoogdalem, Oude Kamphuis, Böhme und Mpenza verzichten, bei der Borussia fehlten die sich im Aufbau befindenden Metzelder-Brüder, sowie Frings und Evanilson verletzt und Kehl gesperrt. So kam es zum Debüt von Guy Demel im defensiven Mittelfeld, der ebenso im Blickpunkt stand wie Torhüter Roman Weidenfeller, der Nachfolger von Jens Lehmann wurde. Doch zunächst war es ein Schalke-Debütant, der für Furore sorgte: Hamit Altintop. Der junge Mittelfeldspieler, gerade aus Wattenscheid verpflichtet, pflügte unbekümmert durch das Zentrum und dominierte diesen Teilbereich des Spielfeldes zusammen mit einem sehr starken Christian Poulsen.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Derbyklassisch ging es auch in den Zweikämpfen zur Sache. Angefeuert von einem frenetischen Publikum krachte es gleich zu Beginn mehrfach, die Spieler beider Mannschaften schenkten sich nichts. Die etwas bessere Spielanlage schien der Gastgeber aus Gelsenkirchen zu haben, umso kompromissloser versuchte der BVB dies zu unterbinden. Am ersten großen Highlight war Damit Altintop beteiligt, der aus 30 Metern einfach mal auf das Tor schoss. Den schwierigen Schuss konnte Weidenfeller nur abklatschen, Victor Agali traf im Anschluss aus kurzer Distanz im Nachsetzen nur die Latte. Eines der Schlüsselduelle zu Beginn des Spiels war das von Gerald Asamoah gegen Dede. Viele Angriffe der Schalker liefen über Asamoah, Dede hielt seine linke Seite aber konsequent sauber und gewann viele Zweikämpfe.

 

Altintop und der Schalker Schuss ins Glück

Da die linke Seite der Schalker nahezu nicht mit einbezogen wurde, ergab sich das Problem, dass man die „Königsblauen“ relativ leicht ausrechnen konnte. Allerdings: Eigene offensive Aktionen kamen bei den Gästen aus Dortmund auch nicht zustande. Und so gab es viele Phasen in der ersten Halbzeit, in denen das Spiel verflachte. Aufregung herrschte primär bei Zweikämpfen, wie auch in der 25. Minute, als Asamoah endlich an Dede vorbeikam, der Brasilianer dafür sorgte, dass der Schalke-Angreifer zu Fall kam. Schiedsrichter Fröhlich, der ein alles andere als leicht zu pfeifendes Spiel leiten musste, zeigte aber nicht auf den Elfmeterpunkt.

Die Konstante des Spiels blieb Hamit Altintop, der sich auch von mehreren misslungen Abschlüssen nicht entmutigen ließ. Nach einem Gegenangriff der Schalker konnte Wörns einige Minuten vor der Halbzeit den Ball vor Victor Agali klären und erneut kam Altintop an den Ball. Und wieder fasste er sich ein Herz und zog aus knapp 25 Metern ab. Der Ball flog unhaltbar in das obere Eck, Roman Weidenfeller hatte keine Chance diesen fulminanten Schuss abzuwehren. Die Ekstase auf den Rängen kannte keine Grenzen, bis zur Halbzeit passierte in der Folge nicht mehr viel.

 

Wieder Altintop und die Reaktion von Dortmund

Beide Mannschaften kamen unverändert aus der Kabine – sowohl personell, als auch hinsichtlich der Ausrichtung. Dortmund hatte Probleme mit dem Kreieren von Chancen, Schalke spielte nicht die Sterne vom Himmel, war aber druckvoller. Und so kam es, wie es kommen musste: Das Altintop-Märchen ging weiter. Dieser schüttelte Amoroso und Demel ab, schoss erneut aus der Distanz, traf den Ball wieder satt – und erhöhte auf 2:0. Ein Traumeinstand für den jungen Mittelfeldspieler! Und das Stadion tobte. Matthias Sammer musste reagieren und wechselte den sichtlich überforderten Demel aus, brachte Real-Leihgabe Conceicao.

(Photo by Jamie McDonald/Getty Images)

Und dieser Wechsel sollte sich als extrem klug herausstellen. Der BVB wirkte sofort stabiler, auch kreativer. Die Aura, die Conceicao ausstrahlte, hatte einen positiven Einfluss auf die Mitspieler. Und: Nur wenige Minuten nach seiner Einwechslung erzielte Conceicao mit einem direkt verwandelten Freistoß das 2:1! Hoffnung keimte auf in den Reihen des BVB! Kurz nach dem Treffer wechselte Sammer Otto Addo für Lars Ricken ein, erhoffte sich weiteren, frischen Schwung im Offensivbereich. Die Kräfte beim FC Schalke 04 ließen spürbar nach, Dortmund arbeitete sich sukzessive besser in die Partie.

 

Turbulente Schlussphase mit Dortmund-Ausgleich und Schalke-Rot

Und jetzt kam auch die Defensive der Schalker allmählich ins Wanken, ohne, dass Borussia Dortmund Chancen im Minutentakt kreierte. Eine Riesenchance zerstörte Jan Koller, als er nach 83 Minuten seinem Teamkollegen Otto Addo den Ball förmlich „vom Kopf“ nahm und somit eine noch gefährlichere Aktion verhinderte. Schalke hatte das Spiel aus der Hand gegeben, konnte nicht für Entlastung sorgen und hatte auch nicht mehr allzu viele gute Alternativen auf der Bank. Und so folgte, was folgen musste: Der Ausgleich der Gäste.

(Photo by Jamie McDonald/Getty Images)

Ausgerechnet Hamit Altintop sorgte dafür, dass der Ball im Strafraum zu Marcio Amoroso kam. Altintop, der zunächst für die Schalker Ekstase sorgte, war am Ende mit einer unglücklichen Aktion daran beteiligt, dass der Ausgleich noch fiel. Amoroso ließ sich nicht zweimal bitten, blieb vor Frank Rost eiskalt und schob zum 2:2 ein. Das sorgte für noch mehr Hektik und turbulente Schlussszenen, in denen sich Gerald Asamoah zu einem Nachtreten gegenüber Amoroso hinreißen ließ und in der Folge von Lutz Michael Fröhlich, der sicher nicht unglücklich darüber war, dass dieses Spiel kurz danach abgepfiffen werden konnte, die rote Karte sah. Aufgrund der längeren Zeit mit Vorteilen war das Remis für den FC Schalke 04 eher unglücklich, ein eigentlich herausragender Tag für Hamit Altintop hatte einen bitteren Beigeschmack und der BVB konnte am Ende irgendwie doch ein bisschen feiern.

 

Saisonende: Weder Schalke noch Dortmund zufrieden

Beide Mannschaften konnten in der Bundesligasaison 2003/04 die gesteckten Ziele nicht erreichen. Für Schalke und Jupp Heynckes sprang am Ende erneut nur Platz 7 heraus, man musste sich sogar dem Reviernachbarn aus Bochum in der Endtabelle geschlagen geben. Jupp Heynckes überstand die Saison zwar als Trainer der „Königsblauen“, musste aber zu Beginn der darauffolgenden Saison gehen. Der BVB fuhr zwar fünf Punkte mehr als der FC Schalke 04 ein, musste sich aber ebenfalls hinter Bochum einreihen und belegte Platz 6. Zu wenig für die Ansprüche der Schwarzgelben, Matthias Sammer musste am Saisonende gehen und wurde durch Bert van Marwijk ersetzt. Das Derby zum Rückrundenauftakt in Dortmund gewann übrigens der FC Schalke 04 – durch einen Last-Minute-Treffer von Ebbe Sand. Randnotiz: In diesem Spiel hielt Frank Rost gleich zwei Elfmeter des BVB und wurde zum Derbyhelden.

 

(Photo by Jamie McDonald/Getty Images)

 

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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