Spotlight

Alphonso Davies beim FC Bayern | Kein Heilsbringer, aber…

22. November 2018 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Er ist da. Alphonso Davies, Winterneuzugang des FC Bayern München, ist beim Rekordmeister angekommen. Der kanadische Nationalspieler absolvierte zu Beginn der Woche den Medizincheck, stellte sich seinen Mannschaftskollegen vor und erkundete die Stadt, ehe er erstmals die Fußballschuhe für den FC Bayern schnürte und am Training teilnahm. Spielberechtigt ist Davies erst im Januar, trotzdem ist es enorm wichtig, dass er schon jetzt Teil der Mannschaft ist. 

 

Seine Highlightvideos bei YouTube und ähnlichen Videoportalen wurden zigtausendfach geklickt, seine Popularität, die in und um Vancouver und die MLS ohnehin schon groß war, ist seit dem Bekanntwerden des Transfers zum FC Bayern noch einmal immens angestiegen. Alphonso Davies ist mehr als nur ein junges Talent, er ist ein Hoffnungsträger für den kanadischen Fußball, der in Europa unter Beweis stellen soll, wie groß sein Talent ist. Die Fans des FC Bayern erwarten den Youngster mit großer Vorfreude, doch was kann Davies dem Klub schon jetzt geben? Was für ein Spieler ist er? Und welche Erwartungen darf man haben? Diesen Fragen gehen wir auf den Grund. 

 

Der MLS entwachsen

Der 17. Juli 2016 war für Alphonso Davies ein ganz besonderer Tag. Der damals 15-jährige debütierte für die Vancouver Whitecaps in der Major League Soccer, durfte einige Minuten gegen Orlando City spielen. Natürlich ist das Niveau in dieser Liga nicht exorbitant hoch, einen Debütanten in diesem Alter sieht man aber auch dort nicht alle Tage. In seiner ersten Saison, die er einigermaßen auf Profiniveau absolvierte, gelang ihm eine Torvorlage – im letzten Saisonspiel, in dem er zum Einsatz kam, gegen die Seattle Sounders, am 3. Oktober. Diese beiden Meilensteile, der erste Einsatz und die erste Torbeteiligung, sollten den Beginn einer Erfolgsgeschichte kennzeichnen.

Im Jahr 2017 zählte er – immer noch als Teenager, wohl gemerkt – schon zum festen Bestandteil des Kaders der Vancouver Whitecaps. Davies pendelte zwischen Bank und Startelf, brachte als Einwechselspieler frischen Wind und lernte sich im Profigeschäft zu behaupten. An Selbstvertrauen mangelte es ihm schon zu dieser Zeit nicht, einige elementare Dinge, wie das Gewöhnen an das höhere Tempo bei den Erwachsenen, benötigten eine gewisse Anlaufzeit. Dass dieser junge Spieler über gute Anlagen verfügt, war aber schon damals ersichtlich. Der Reifeprozess nahm seinen Lauf, Davies entwickelte sich schnell zu einem der interessantesten Spieler der MLS, auch wenn die Zahlen dies noch nicht verdeutlichten.

(Photo by JULIO CESAR AGUILAR/AFP/Getty Images)

Der große „Durchbruch“, wenn man das bei einem 17-jährigen Spieler so bezeichnen darf, gelang Alphonso Davies im Jahr 2018. Seine Bilanz bei den Vancouver Whitecaps: 31 Spiele in der MLS, 8 Tore und 10 Torvorlagen. Diese Statistik erzählt aber nur die halbe Wahrheit, denn man muss wissen, dass die Vancouver Whitecaps nicht gerade zur Creme de la Creme der MLS gehören. Soll heißen: Davies hat mit seinen 17 Jahren nicht nur das Offensivspiel des Klubs in vielen Phasen alleine tragen müssen, sondern er hätte auch noch deutlich mehr Torbeteiligungen auf seinem Konto haben können, wenn nicht gar müssen. In zahlreichen Spielen bereitete Davies vielversprechende Tormöglichkeiten vor, die seine Teamkollegen nicht verwerten konnten. Für die Vancouver Whitecaps stellte sich die zu geringe individuelle Klasse der Einzelspieler als Problem heraus, für Davies und seine neue Aufgabe in München ist das Verpassen der Play-Offs aber ein Segen. Denn nur so ist es möglich, dass der mittlerweile 18-jährige bereits vor der Winterpause am Training teilnimmt.

 

Mischung aus Power und Geschwindigkeit

Doch welche Qualitäten kann Davies beim FC Bayern einbringen? Sieht man ihm auf dem Fußballfeld zu, dann fällt zuerst seine immense Geschwindigkeit auf. Davies ist ein Spieler, der den Ball gerne an seinen Gegenspielern vorbeilegt und ihnen im Laufduell keine Chance gibt. Seine Dynamik ist beeindruckend, seine Physis für einen Spieler in seinem Alter bereits sehr ausgeprägt. Zudem verfügt er über einen guten Abschluss und vor allem auch die Übersicht für seine Mitspieler, aus seinen Flankenläufen resultieren häufig gefährliche Aktionen. Seine Quote in den Dribblings ist sehr ordentlich, zudem gelingen ihm ohnehin die meisten erfolgreichen Dribblings in der MLS.

Ein weiterer großer Pluspunkt ist seine Arbeit in der Defensive. Nach misslungenen Aktionen oder Ballverlusten sieht man es nur selten, dass Davies nicht sofort versucht wieder hinter den Ball zu kommen und sich in die Defensivformation einzureihen. Und: Davies weiß, wie gut er ist, weiß genau, wie er seine Fähigkeiten einzusetzen hat. Dieses Vertrauen in seine Qualitäten ermöglichte es ihm in der abgelaufenen Saison viel effizienter zu werden und sorgte letztlich dafür, dass ein Verein wie der FC Bayern München sich für ihn interessierte und die Verpflichtung unter Dach und Fach brachte.

 

Der Diamant muss noch geschliffen werden

Neben seiner Geschwindigkeit ist auch seine Ballführung durchaus trickreich, auch wenn sie noch enger sein könnte, er im technischen Bereich noch zulegen kann. Das Verhalten in der Defensive ist ebenfalls noch ausbaufähig. Positiv ist, dass der Wille da ist, Davies sich hier permanent verbessern will. Aber sein Zweikampfverhalten ist noch etwas zu naiv, ein wirklich perfekt koordiniertes Pressing wird in der MLS zudem nicht gespielt. Auf defensivtaktischer Ebene wird er sich noch an die Bundesliga und den Fußball in Europa gewöhnen müssen.

(Photo by ROBYN BECK/AFP/Getty Images)

Doch das ist ganz normal. Ein 18-jähriger, der bisher zwar hervorstach, aber eben in einer im Vergleich eher zweitklassigen Liga, muss natürlich geschliffen werden. Man muss Geduld mit einem solchen Spieler haben, ihm die Möglichkeit geben sich zunächst an das Tempo, die Spielweise und die neue Umgebung zu gewöhnen. Die Faktoren, die aber entscheidend sind, sind Talent, Wille und Perspektive. Und diese Mischung ist bei Alphonso Davies so ausgeprägt, dass man gespannt sein kann, wie schnell er auf dem Platz Fortschritte zeigen kann.

 

Ein Transfer für die Zukunft

Gerade in Zeiten, in denen die berühmte Flügelzange „Robbery“ älter wird und dieser Alterungsprozess Spuren auf dem Platz hinterlässt, sehnt man neue Hoffnungsträger herbei. Spieler, die das Potenzial haben nach dieser Ära zweier herausragender Fußballer für Furore zu sorgen. Robben und Ribery werden beim FC Bayern bald Geschichte sein, voraussichtlich am Saisonende. Gehen große Persönlichkeiten, dann sehnt man sich vor allem als Fan danach, dass junge Spieler schnellstmöglich in diese Rolle schlüpfen. Ein solcher Spieler wird Alphonso Davies zwar nicht sofort sein können, denn der 18-jährige benötigt Zeit, aber trotzdem sind mit ihm viele Hoffnungen verbunden. Denn er hat nicht nur das Potenzial, sondern auch die realistische Chance, die Zukunft beim FC Bayern München mitzuprägen.

Vor allem, weil er mit seiner Schnelligkeit, seinen instinktiven Dribblings und seinen Überraschungsmomenten auf dem Platz genau das mitbringt, was Robben und Ribéry immer mehr vermissen lassen. Natürlich sind all diese Attribute noch nicht auf dem Niveau, das diese beiden Spieler einmal hatten und sicher muss Davies vor allem auch im Abschluss noch viel präziser werden um irgendwann einmal Spiele entscheiden zu können, aber die Sehnsucht nach mehr Tempo, mehr Spritzigkeit und vor allem auch mehr Alternativen im Offensivbereich, eben einfach frischem Blut auf den Außenbahnen, könnte durch ihn schon schnell gestillt werden.

 

Kein Heilsbringer, aber…

Der FC Bayern tut gut daran, Davies Zeit zu geben. Gleichzeitig muss man ihm aber auch das Vertrauen schenken und ihn in der Rückrunde schon sukzessive heranführen, ihm Einsatzzeiten geben. Das gibt der Kader her, das geben die Gegner in der Bundesliga auch her, sofern der Rekordmeister insgesamt fußballerisch wieder zulegt. Wichtig ist auch, dass Davies selbst Ruhe bewahrt. Es wird insbesondere bei seinen ersten Einsätzen nicht alles funktionieren können. Dem Hype, der um seine Person entfacht wird, kann er in dieser Form wohl auch nicht gerecht werden. Aber auch das ist nicht schlimm.

In München wird man dafür sorgen, dass Davies langsam aufgebaut wird. Der 18-jährige ist also kein Heilsbringer, der mal eben aus Nordamerika in die Bundesliga kommt und die Gegner reihenweise vorführt. Er ist aber ein Spieler, der schon in seinem ersten Halbjahr zeigen kann, warum man ihn geholt hat und die anderen Offenvispieler entlasten kann. Und wenn er dies tut und sich im Training anbietet und verbessert, dann ist der erste Schritt getan. Der erste von hoffentlich vielen.

 

 

(Photo by BRENDAN SMIALOWSKI/AFP/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


Ähnliche Artikel