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Bayern und die Aufgabe Trainersuche: Nur kein Rumgeeiere 2.0!

20. November 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Spotlight | Der FC Bayern München sucht nach der Trennung von Trainer Niko Kovac wieder einmal nach einem neuen Trainer. Kandidaten gibt es viele, doch abgesehen von Namen wird es auch um die Art und Weise gehen, wie die Trainersuche angegangen wird. Der Rekordmeister muss aus Fehlern lernen.

Rückblick in das Frühjahr 2018

Erinnern wir uns zurück an den Winter und das Frühjahr 2018, bevor der FC Bayern sich schließlich auf Niko Kovac als neuen Cheftrainer festlegte. Zuvor galt auch Thomas Tuchel als heißer Kandidat auf den Posten beim Rekordmeister, vor allem Uli Hoeneß sorgte mit dem Wunsch einer Vertragsverlängerung von Interimscoach Jupp Heynckes und einer damit einhergehenden Charmeoffensive dafür, dass sich lange nicht viel tat.

Das Ergebnis ist bekannt. Jupp Heynckes stand nicht zur Verfügung und als man dies auch beim Rekordmeister realisiert hatte, unterschrieb Thomas Tuchel bereits bei Paris Saint-Germain. Das sorgte dafür, dass sowohl Hoeneß‘ Topkandidat Heynckes als auch die bevorzugte Lösung von Karl-Heinz Rummenigge nicht mehr möglich war. Der FC Bayern musste umdenken, hatte nicht mehr allzu viel Zeit, weil man doch erkannte, dass frühe Planungssicherheit nicht unwichtig ist – und verpflichtete Niko Kovac.

Die Kandidaten und die Pochettino-Option

Doch wie ist der aktuelle Stand beim FC Bayern? Hansi Flick, das machten die Verantwortlichen zuletzt vehement deutlich, wird das Amt des Cheftrainers mindestens bis zur Winterpause inne haben. Pep Guardiola, von dessen Rückkehr man beim Rekordmeister träumte, steht nicht zur Verfügung. Sein Berater teilte mit, dass der Spanier seinen Vertrag bei Manchester City (bis 2021) erfüllen werde. Ebenfalls bis 2021 unter Vertrag steht Thomas Tuchel, der wieder zum Kandidatenkreis zählt. Tuchel ist aber zumindest im Winter kein Thema, im Sommer wohl auch nur dann, wenn er vehement auf einen Wechsel pocht oder PSG unzufrieden ist.

Realistischer ist die Personalie Erik ten Hag. Der Niederländer mit der Vergangenheit in München deutete bereits an, dass der FC Bayern für ihn ein Thema sei und er nichts ausschließen würde, wenn der Rekordmeister ihn kontaktiert. Ten Hag, der gegenwärtig große Erfolge mit Ajax Amsterdam feiert, ist zwar noch langfristig an die Niederländer gebunden, aus dem Klub ist aber zu hören, dass das Interesse anderer Topvereine „eine Ehre“ sei und man eine Lösung finden werde, wenn der Trainer signalisiert, dass er eine Aufgabe angehen möchte. Allerdings ist auch diese Option im Winter unrealistisch, ten Hag teilte selbst mit, dass er diese Saison bei Ajax verbringen will.

(Photo by Catherine Ivill/Getty Images)

Bedeutet das also automatisch, dass Hansi Flick bis zum Saisonende im Amt bleibt? Nein! Denn am gestrigen Abend hat sich eine weitere Möglichkeit für den FC Bayern ergeben. Denn die Tottenham Hotspurs haben sich von Mauricio Pochettino getrennt. Der Argentinier soll beim FC Bayern und insbesondere bei Hasan Salihamidzic hoch im Kurs stehen. „The Athletic“ berichtete zuletzt noch, dass der Rekordmeister in Pochettino eine Toplösung sehen würde und, falls dieser irgendwie verfügbar sei, versuchen wird, den Argentinier zu verpflichten. Nun ist Pochettino verfügbar, man müsste keine Ablöse zahlen und unabhängig davon, ob er nun eine Pause bis zum Sommer einlegen wollen würde, dürfte er eine Option sein. Auch der Sprachfaktor scheidet aus, denn vor allem bei einem Engagement ab Juli 2020 könnten grundlegende Deutschkenntnisse bis dahin erlernt werden.

Bayern benötigt schnellstmöglich eine klare Linie

Damit Pochettino – für den Fall, dass er neuer Bayerntrainer wird – diese Zeit hat, ist eine schnelle Entscheidung der Verantwortlichen notwendig. Man muss also aus dem Vorgehen und den „Fehlern“ der Vergangenheit lernen und sich intern auf wenige Optionen festlegen, die man verfolgt. Der positive Einstand von Hansi Flick hat dem Rekordmeister eine gewisse Ruhe verschafft, doch ausruhen darf man sich nicht. Uli Hoeneß, der nicht mehr Präsident ist, hält sich aus der Trainersuche raus und auch dessen Nachfolger Hainer hat keine Ambitionen den Verantwortlichen um Rummenigge, Salihamidzic und bald Oliver Kahn in die Entscheidungsfindung reinzureden.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Wichtig ist nun, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Zuletzt war die Rede von einer klaren Philosophie, die man in München wieder etablieren will. Dabei seien Namen zweitrangig, die Arbeit ansich sollte im Vordergrund stehen, betonte Oliver Kahn. Die nächsten Tage und Wochen sollten also dafür genutzt werden Absprachen zu treffen und sich auf eine Marschroute zu einigen. Ten Hag würde beispielsweise für einen dominanten Ballbesitzfußball stehen, während Pochettino sich bei den Spurs vor allem taktisch sehr flexibel zeigte, einzelne Spieler und das Gesamtsystem verbessert hat und in vielen Spielen sehr variabel agieren konnte.

Beide Personalien wären – wie auch Thomas Tuchel – fachlich eine sehr gute Entscheidung. Allerdings könnten perspektivisch auch andere Topklubs neue Trainer suchen. Zinedine Zidane ist nicht unumstritten bei Real Madrid, der FC Arsenal wird sich zumindest mittelfristig von Unai Emery trennen, Ole Gunnar Solskjaer wird bei Manchester United auch nicht nur positiv gesehen und die Liaison zwischen Ernesto Valverde und dem FC Barcelona ist auch nicht ganz frei von Problemen. Kurzum: Um der Konkurrenz auf dem Trainermarkt zuvorkommen zu können, muss ein „Rumgeeiere“, wie es im Jahr 2018 der Fall war, dringend verhindert werden. Noch ist Zeit für eine Entscheidung, noch ist Zeit, um einige Gespräche zu führen, aber irgendwann werden auch andere Vereine auf die Wunschkandidaten zukommen.

Enorm wichtig für die Gesamtentwicklung

Doch es ist nicht nur die mögliche Konkurrenz, die ein einigermaßen zeitnahes Handeln erfordert. Die Trainerentscheidung, so durchdacht sie auch sein muss, ist sie doch eine der wichtigsten Entscheidungen der letzten Jahre beim Rekordmeister, ist auch eine Weichenstellung für die Zukunft. Denn nachdem im vergangenen Sommer nicht alle Wunschspieler verpflichtet werden konnten, muss der Rekordmeister im kommenden Sommer nachjustieren. Klar ist, dass Spieler wie Sané, Nübel oder Havertz zu den Wunschkandidaten zählen, aber jeder Trainer hat gewisse Vorstellungen von der Kaderbreite und der Zusammenstellung.

(Photo by Harry Trump/Getty Images)

Das bedeutet: Je eher man sich mit einem Trainer einig ist, desto eher kann die detaillierte Planung für die Feinheiten im Kader in Angriff genommen werden. Für welche Option sich der FC Bayern im Endeffekt entscheiden wird, ist noch nicht klar. Dass man in München aber aus der letzten Entscheidungsfindungsphase gelernt haben dürfte und gut beraten ist, schon im Winter die entscheidenden Schritte für die Neubesetzung des Traineramtes zu gehen, wissen die Verantwortlichen. Nun gilt es, das auch in die Tat umzusetzen.

(Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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