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Schalke 04 nach der Wagner-Entlassung: Surreal schwach

28. September 2020 | Spotlight | BY Victor Catalina

Nach 18 sieglosen Spielen zieht der FC Schalke 04 die Reißleine und entlässt Trainer David Wagner. Aber gerade diese Serie zeigt: Ein Trainerwechsel allein wird nicht alle Probleme beheben.

Schalke: Aus Hoffnung wird Verzweiflung

Am Ende ging doch alles ganz schnell. Am Sonntag, um 9:21 schlug David Wagner (48) an der Schalker Geschäftsstelle auf, um 9:56 verließ er sie wieder. Nur wenige Minuten später folgte die offizielle Bestätigung: Wagner wurde von seinen Tätigkeiten bei Königsblau entbunden.

Dabei hatte seine Amtszeit eigentlich sehr vielversprechend begonnen. An den ersten sieben Spieltagen verlor Schalke einzig gegen den FC Bayern (0:3), holte zudem einen überraschenden, allerdings auch vollkommen verdienten 3:1-Sieg in Leipzig und stand zur Winterpause punktgleich mit Erzrivale Borussia Dortmund (30 Punkte) auf Platz fünf in der Tabelle. Nach einer weiteren überzeugenden Vorstellung zum Rückrundenauftakt samt 2:0-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach durfte zurecht von Europa geträumt werden. Auch Wagner selbst frohlockte: „Im Moment schreit keiner Hurra, wenn er gegen uns spielt“.

(Photo by RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images)

Ein fataler Trugschluss. Denn dieser Erfolg zum Rückrundenauftakt war bis heute der letzte, den Schalke feiern durfte. Ihre Bundesliga-Bilanz seitdem: 18 Spiele, sechs Unentschieden und zwölf (!) Niederlagen. Darunter in der vergangenen Saison ein 0:5 in München und gegen Leipzig, zwei 0:4-Niederlagen in Dortmund und Freiburg und sogar zweimal ein 0:3 in Köln und gegen Augsburg.

Im Eröffnungsspiel der neuen Saison lagen die Schalker schon nach einer knappen halben Stunde 0:3 zurück. Sie wären nicht die ersten, denen so etwas in München unterläuft. Aber statt nach Wiederanpfiff eine Reaktion zu zeigen oder die Niederlage zumindest in Grenzen zu halten, ergab sich Königsblau wehrlos seinem Schicksal. David Wagner bezeichnete dieses Vorgehen seiner Mannschaft nach dem Spiel als „naiv“. Wobei das noch ziemlich euphemistisch ist, denn gerade das Torverhältnis kann an den ersten Spieltagen ausschlaggebend für den Saisonstart sein. Mit drei weiteren Gegentreffern im Krisengipfel gegen Werder Bremen läuft Königsblau schon nach zwei Spieltagen der Musik klar hinterher.

Auch der Vorstand muss hinterfragt werden

Natürlich, in einer solchen Phase ist gerade der Trainer das schwächste Glied. Wagner selbst stellte nach dem 1:3 im Topspiel die Frage, ob man Teil des Problems oder der Lösung sei. Er selbst sah sich als Letzteres, die Vereinsoberen weniger. Dabei muss auch ihr Handeln in dieser Krise hinterfragt werden.

Bildquelle: imago

Gegen den Trend an Wagner festzuhalten und ihm eine zweite Chance zu geben, ist zwar löblich, doch verbessert hat sich in all den Wochen nicht viel. Zudem hat Sportvorstand Jochen Schneider (50) genau damit der Mannschaft die Chance verbaut, in der – wenngleich kurzen – Sommerpause mit einem neuen Trainer die richtigen Impulse für einen Turnaround zu setzen. Es galt nicht zuletzt bei der gegebenen Personalsituation, Spieler wie Sebastian Rudy (30), Nabil Bentaleb (25) oder Mark Uth (29), die David Wagner zuvor bereits aussortiert hatte, wieder in den Kader zu integrieren. Ein Unterfangen, das – zumindest für ihn – von Beginn an zum Scheitern verurteilt war.

So stehen Schneider und seine Vorstandskollegen nach zwei Spieltagen unter enormem Druck, müssen in näherer Zukunft zumindest eine Interimslösung präsentieren. U-19-Trainer Norbert Elgert (63) hat schon in der Vergangenheit mehrmals klargemacht, dass der Profibereich für ihn nicht infrage kommt. Diese Haltung hat er nun nochmal bestätigt: „Klares Dementi! Ich konzentriere mich auf meine Aufgabe, die ist anspruchsvoll genug. Ich denke, dass ich Schalke in meiner jetzigen Position am meisten helfe“, sagte er dem SID. Wer am kommenden Samstag in Leipzig auf der Bank sitzt, ist damit noch nicht geklärt. Allerdings bietet die darauffolgende Länderspielpause etwas Zeit, um sich über die Neubesetzung des Trainerpostens Gedanken zu machen.

Ein neuer Trainer behebt nicht alle Probleme

Dadurch allein werden sich die königsblauen Probleme jedoch nicht in Luft auflösen. Auch bei der Kaderzusammenstellung gibt es noch einige Fragezeichen. In den vergangenen Jahren wurden Eigengewächse zu oft unter Marktwert oder sogar ablösefrei abgegeben. Auch für Weston McKennie (22) hat man lediglich 4,5 Millionen Euro an Leihgebühr von Juventus bekommen. Und die Coronakrise hat die bereits klamme Finanzlage des Vereins nochmal verschärft. Die Panik wurde greifbar, als man vor einigen Monaten versuchte, Angestellte des Vereins mit fragwürdigen Methoden zu entlassen. So etwas hat noch einen gewissen Nachklang, auch wenn mit Peter Peters der Finanzvorstand kurz darauf zurücktrat und sogar Clemens Tönnies seinen Posten aufgab. Geeignete Trainerkandidaten dürften trotz des Renommees und der Tradition von Königsblau gerade unter den gegebenen Umständen nicht zwingend Schlange stehen.

Klar ist: Die Zeiten auf Schalke werden nicht ruhiger. Daher kommt es gerade jetzt darauf an, dass der Vorstand eine klare Strategie für diese Saison kommuniziert und Entscheidungen mit Bedacht trifft. Ansonsten kann es auch sehr schnell in eine bisher undenkbare Richtung gehen.

(Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

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Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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