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Die BVB-Krise: Ist Peter Bosz der Richtige?

28. Oktober 2017 | Spotlight | BY David Theis

Spätestens seit dem heutigen Samstag kann wohl niemand mehr leugnen, dass der BVB in einer handfesten Krise steckt. Das Team von Peter Bosz steht vor dem Aus in der CL, hat die Tabellenführung in der Liga verloren. Doch was noch schwerer wiegt: Die sportlichen Darbietungen sind geradezu peinlich schlecht. Doch ist es nicht noch zu früh, um den Trainer zu hinterfragen? 

Mangelnde Eingespieltheit? Kinderkrankheiten eines noch nicht vollständig gelernten Spielsystems? Defizite und Verletzungen bei wichtigen Spielern? Oder gar grundsätzliche Mängel in Peter Bosz‘ Spielphilosophie? Derzeit kursieren zahlreiche Erklärungen für die erschreckenden Auftritte des BVB. Die Wahrheit liegt vermutlich (wie so oft) in der Mitte. Und das kann Hans-Joachim Watzke nicht gefallen.

Ein lustloser Auftritt gegen Hannover

Die Mängel im Spiel von Borussia Dortmund aufzuzählen, ohne dabei etwas zu vergessen, fällt derzeit nicht leicht. Dennoch tat sich bei der krachenden 2:4 Niederlage gegen Hannover 96 noch eine weitere schwarz-gelbe Baustelle auf: Es mangelte den BVB-Akteuren ganz offensichtlich an der richtigen Einstellung. Ein erstaunlicher Umstand, sollte man von einer Spitzenmannschaft nach den schwachen Leistungen gegen Frankfurt, Nikosia und RB Leipzig doch eigentlich eine andere Reaktion erwarten dürfen.

Entsprechend bedient zeigten sich Borussias Verantwortliche denn auch nach dem Spiel. Schließlich zeigte ihr Team auch zum Teil haarsträubende Mängel, als es noch nicht an der richtigen Einstellung mangelte. Doch die Risse im BVB-Spiel reichen noch tiefer. Denn unabhängig von schlecht ausgeführten Zweikämpfen und lustlosem Pressing scheinen die Fehler in Dortmunds Spiel mehr und mehr wie eine Compilation aus Szenen vorheriger Spiele. Allein: Peter Bosz‘ Team scheint aktuell mit jedem Spiel mehr solcher Szenen zu produzieren.

Verteidigen für Anfänger

Betrachtet man die Vielzahl der brenzligen Konter, in die der BVB von Spiel zu Spiel läuft, drängt sich vor allem ein Gedanke auf: Das alles geht Dortmunds Gegnern viel zu leicht von der Hand. Allzu oft stoßen, 2 oder gar 3 Offensivspieler durch Peter Bosz‘ Viererkette, die dann auf Messers Schneide zu retten versucht, was eigentlich nicht mehr zu retten ist. Das Resultat: Jeweils ein verschuldeter Elfmeter in den letzten 3 Ligaspielen, dazu 2 Platzverweise wegen Notbremsen für eigene Innenverteidiger.  Nicht täuschen sollte dabei der Umstand, dass Dortmund bislang in keinem einzigen Spiel seine beste Abwehr aufbieten konnte – denn dieselben Probleme treten unabhängig vom Personal auf dem Platz auf.

Positionsspiel mit hohem Fokus auf Gegenpressing, taktisch flexibel, strategisch starrsinnig. Könnte interessant werden. – Tobias Escher über Peter Bosz als BVB-Coach

Oftmals wird Peter Bosz‘ dogmatische Vorgabe einer hoch stehenden Viererkette hierfür verantwortlich gemacht. Und in der Tat ist sie ein wichtiger Faktor. Jedoch entfaltet das riskante Positionsspiel erst im Zusammenhang mit Dortmunds eklatanten Schwächen im Mittelfeld seine volle Negativwirkung.

Personelle Mangelerscheinungen

Nicht nur hat der BVB erhebliche Schwierigkeiten dabei, durch die Spielfeldmitte eigene Angriffe zu initiieren – er leitet durch mangelnde Durchsetzungsfähigkeit und zahlreiche Missverständnisse in der Raumbesetzung auch regelmäßig gefährliche Konter des Gegners selbst ein. Die Gründe hierfür sind teilweise beim Personal zu suchen. Denn Peter Bosz setzt bislang zumeist auf ein das Trio Sahin, Castro und Götze. Besticht Letzterer zumindest durch Engagement und ein sauberes Passspiel, während es ihm (noch?) an Explosivität und Dribblinggeschick fehlt, geben Sahin und Castro schon größere Rätsel auf. Allzu oft bewegen sie sich ungeschickt im Deckungsschatten des Gegners, während die eigene Abwehr das Spiel aufbauen muss. Hinzu kommt auch hier das Fehlen von Explosivität und Durchsetzungsfähigkeit in engen Räumen. Addiert man große Abstände zu den Verteidigern und ein behäbiges Pressing zu dieser Mischung, kommt ein Endprodukt heraus, bei dem sich der BVB geradezu auf dem Silbertablett auszuliefern scheint.

Es wird also darauf ankommen, wie schnell Dortmunds Trainer drei der besten BVB-Spieler in seine starre Spielstrategie integriert: Die langzeitverletzten Weigl und Guerreiro sowie Neuzugang Mo Dahoud, der (ähnlich wie Edeltechniker Shinji Kagawa) bislang nicht zu Bosz‘ Lieblingen zu zählen scheint. Die Rufe nach diesen vor allem pressingresistenten Könnern dürften in der Zukunft zumindest nicht leiser werden. Denn eine spielphilosophische Kehrtwende des Niederländers erscheint denkbar unwahrscheinlich. Was wiederum bedeutet: Wann immer der BVB den Ball verliert, wird es brenzlig. Besser also, er lässt das in Zukunft bleiben. Sonst werden 10 Gegentore in 4 Spielen auch zukünftig keine Seltenheit bei Bosz‘ BVB bleiben.

David Theis

War schon ein Fußball-Nerd bevor es Laptops gab. Schläft mit einer Ausgabe von "Der Schlüssel zum Spiel" unterm Kopfkissen. Seit 2017 bei 90PLUS.


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