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CR7 – 10 Jahre Weltklasse

4. Januar 2017 | Spotlight | BY Marius Merck

Vor genau 10 Jahren: CR7 wird zur Tormaschine

Cristiano Ronaldo

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Torrekorde, Golden Boot, Pichichi, Champions League Rekordtorjäger, Rekordtorjäger von Real Madrid, … kurzum: Cristiano Ronaldo steht vor allem für eins: Tore, Tore, Tore.

Dabei wird oft vergessen, dass der Portugiese zu Beginn seiner Karriere für vieles stand, jedoch mitnichten für Effizienz vor der gegnerischen Hütte. Dies alles sollte sich mit der Saison 2006/2007 ändern, konkret vor allem in dem Zeitraum zwischen dem 23.12.2006 und dem 30.12.2006. Den Weg dorthin prägten unter anderem ein Zwinkern und eine Wette.

 

 

Juli 2006: Staatsfeind Nummer 1

Am 1.7.2006 stehen sich in Gelsenkirchen im Viertelfinale der WM 2006 England und Portugal gegenüber. Die Hoffnungen beider Teams ruhen auf ihren großen Talenten: Wayne Rooney & Cristiano Ronaldo, beide Jahrgang 1985, Teamkameraden bei Manchester United. Im Verlauf der zweiten Halbzeit brennen dem Erstgenannten die Sicherungen durch, als er gegen Ricardo Carvalho nach einem intensiven Zweikampf nachtritt. Sofort bestürmen die Portugiesen den Schiedsrichter, besonders Cristiano Ronaldo redet mit gestenreicher Vehemenz auf den Unparteiischen ein. Der argentinische Referee Horacio Elizondo entscheidet – richtigerweise – auf einen Platzverweis für Wayne Rooney, der beim Hinauslaufen noch ein paar „nette“ Worte an seinen Sturmpartner aus dem Verein richtet.

In Unterzahl retten sich die „Three Lions“ noch ins Elfmeterschießen, welches dann in typisch englischer Manier mit 1:3 verloren geht. Den entscheidenden Elfmeter verwandelt ausgerechnet CR7, zu diesem Zeitpunkt wegen dem damaligen Kapitän Luis Figo im Nationaldress noch CR17, und zelebriert dies natürlich in einer für ihn typischen Ekstase.

„Hau ihm eine rein!“

Der Schuldige für das Ausscheiden ist in England schnell gefunden. Weder Wayne Rooney, der sich im Eifer des Gefechts zu einer Dummheit hinreißen ließ und damit sein Team entscheidend schwächte, noch Frank Lampard, Steven Gerrard oder Jamie Carragher, welche allesamt ihre Elfmeter verschossen, wurden als potentielle Sündenböcke gebrandmarkt. Den Stempel bekam der damals 21jährige Ronaldo aufgedrückt, dessen Beschwerde beim Schiedsrichter als entscheidend erachtet wurde. Darüber hinaus wurde Portugiese unmittelbar nach Rooneys Platzverweis erwischt, wie er in Richtung der portugiesischen Bank zwinkert. Die englische Volksseele (also Fußballseele) kochte. TV-Experte Alan Shearer gab beispielsweise Rooney den überaus durchdachten Tipp, Ronaldo beim ersten Training „erstmal eine reinzuhauen.“ Die „Sun“ ging noch einen Schritt weiter und druckte das Gesicht von Ronaldo in einem Fadenkreuz, bestens für den Gebrauch einer Dartscheibe geeignet, mit der einhergehenden Bitte, den jungen Portugiesen doch bitte nicht mehr ins Land einreisen zu lassen. Die sportliche Zukunft Ronaldos auf der Insel sah somit alles andere als rosig aus.

 

Ruud vs. „Showpony“

Bei den Fans von Manchester United war Ronaldo zu diesem Zeitpunkt sowieso nicht ganz unumstritten. Ronaldo geriet im Frühjahr 2006 mit Tormaschine und Publikumsliebling Ruud Van Nistelrooy im Training derart aneinander, dass nur das Eingreifen der Umstehenden eine handfeste Keilerei verhinderte. In Folge dessen musterte Trainer Sir Alex Ferguson den holländischen Toptorjäger aus, Van Nistelrooy wechselte im Sommer 2006 entnervt zu Real Madrid. Ferguson wollte die Offensive von United um die jungen Wilden Ronaldo und Rooney gestalten. Allerdings waren die Statistiken von Uniteds damaliger Nummer 7 eher durchschnittlich beeindruckend: vier, fünf und neun Saisontore sind für einen Teenager durchaus ansprechend, allerdings nicht dermaßen außergewöhnlich, dass ein Klub, der in jedem Jahr die Meisterschaft und Champions League gewinnen will, seine Offensive nach diesem Spieler ausrichtet.
Zudem waren die Red Devils zum Ende der Saison 2005/2006 bereits drei Jahre in Folge ohne Meisterschaft, also ebenso lang wie Ronaldo zum damaligen Zeitpunkt Angestellter des Klubs war. Der andere verpflichtete Youngster und bereits oben angesprochene Rotsünder traf in seinen ersten beiden Jahren hingegen jeweils zweistellig und rackerte sich außerdem durch seine harte Spielweise in die Herzen der Fans, während Ronaldo auf der Außenbahn meistens in Schönheit starb (Boulevard-Spitzname: „Showpony“ = Zirkuspferdchen). Die Hoffnungen des Anhangs lagen zudem Zeitpunkt klar auf Rooney und nicht auf Ronaldo. Nach dem Vorfall von Gelsenkirchen schien eine Rückkehr nach England sowieso nahezu ausgeschlossen.

 

„Schaffst du 15 Tore?“

Auch Ronaldo selbst rechnete zu diesem Zeitpunkt mit einem Wechsel, wie er selbst in späteren Interviews zu dem besagten Sommer zugab. Real Madrid, der Klub zu dem CR7 drei Jahre später wechseln sollte, bot angeblich bereits über 40 Millionen Ablöse. Was heute als Standardbetrag erscheint, war damals als enorme Summe zu erachten. Sir Alex Ferguson ließ sich von dem medialen Drama wenig beeindrucken. Der Schotte dachte unter keinen Umständen daran, den Portugiesen abzugeben. Nur musste das besagte Ausnahmetalent erstmal überhaupt zu einem Bleiben überzeugt werden.

Um dieses Vorhaben umzusetzen, sprach Ferguson zuerst mit Rooney und überzeugte den englischen Stürmer keinen Groll wegen dem Vorfall bei der WM 2006 zu hegen. Danach reiste der schottische Übungsleiter nach Portugal, wo er mit Ronaldo über seine sportliche Zukunft sprach. Er sicherte dem Portugiesen seine volle Unterstützung zu und verwies auf eine ähnliche Situation im Jahr 1998, als David Beckham nach seinem Platzverweis bei der WM in Frankreich zur „persona non grata“ auf der Insel erklärt wurde. „Die englischen Fans reden mehr, als sie dann am Ende machen“, erklärte Ferguson Ronaldos besorgter Mutter. Allerdings wies er den Flügelstürmer darauf hin, dass die Auswärtsspiele, in denen sich Ronaldo aufgrund seiner Spielweise sowieso noch nie großer Beliebtheit erfreuen durfte, gerade zu Beginn richtig hart werden würden. Ronaldo sicherte seinem Trainer zu, dass er die Herausforderung annehmen würde. Um seine Motivation zu erhöhen, versprach Ferguson einen Geldbetrag von mehreren tausend Euro, sollte CR7 es zum ersten Mal schaffen, mehr als 15 Tore in einer Saison zu schießen.

 

Herbst 2006: „Unser bester Spieler“

(Photo by ANDREW YATES/AFP/Getty Images)

Die Erwartungen der United-Fans für die Saison 2006/2007 waren nicht allzu hoch. Roy Keane und Ruud Van Nistelrooy hatten während bzw. nach 2005/2006 Manchester verlassen, der einzige namhafte Neuzugang war in diesem Sommer ein gewisser Michael Carrick. Der amtierende Meister Chelsea hatte hingegen sein Starensemble mit Andriy Shevcheko und Michael Ballack hochklassig verstärkt, der andere Londoner Vorzeigeklub Arsenal stand erst wenige Monate zuvor im Champions League Finale und unterlag dem FC Barcelona nach 70minütiger Unterzahl unglücklich mit 1:2. Außerdem hatten die Gunners zum damaligen Zeitpunkt einen Thierry Henry in der Hochform seiner Karriere unter Vertrag, ein Spieler solchen Kalibers schien in der Ferguson Elf nicht vorhanden zu sein. Wie ein Spieler solchen Kalibers trumpfte Cristiano Ronaldo allerdings vom 1. Spieltag an auf, wo er beim 5:1 Auftaktsieg auf Vorlage von Wayne Rooney herrlich per Direktabnahme zum 4:0 nach 20 Minuten für ein entfesselndes aufspielendes United traf. Danach feierte der Torschütze versöhnlich mit seinem Flankengeber. In den kommenden Wochen wurde sollte Ronaldo fremden Platz gnadenlos ausgepfiffen werden, das von Sir Alex angekündigte Stahlbad. Die Leistungen blieben ungeachtet dessen auf konstant hohen Niveau, weshalb der Sir den Portugiesen nach einem Sieg in der Champions League bei Benfica Lissabon als den „besten Spieler“ seines Teams in der bisherigen Saison pries. Ronaldo war in der damaligen öffentlichen Wahrnehmung allein schon wegen seiner Vermarktungsmöglichkeiten eines der Gesichter des Klubs, das er allerdings als von jemandem als der beste Spieler bezeichnet wurde, war bis dato noch nie vorgekommen.

 

Dezember-Explosion

 

In seinen Statistiken zeigte sich der Leistungsschub noch nicht so deutlich. Zu Beginn des Dezembers stand CR7 bei für einen Flügelspieler ordentlichen vier Ligatoren, in der Champions League wartete er jedoch noch auf seinen ersten Treffer überhaupt in diesem Wettbewerb. Dennoch waren die Leistungen herausragend genug, um den Titel des Premier League Spieler des Monats November 2006 abzustauben. Bei den Heimsiegen gegen Everton und im Derby gegen Manchester City wurde das Torkonto auf sechs Treffer hochgeschraubt.

Am 23. Dezember begann das straffe Liga-Programm über die beiden Feiertage. United trat an diesem Tag bei Aston Villa an. Den 3:0 Auswärtssieg sicherte Ronaldo mit einem Doppelpack. Zuerst traf der Portugiese nach einem herrlichen Sololauf zur Führung, bevor er in kurz vor Schluss nach einem Konter zum Endstand abstauben konnte.

Der traditionelle „Boxing-Day“ sah ein Heimspiel gegen Wigan Athletic vor. Aufgrund des engen Spielplans wurde Ronaldo zu Beginn geschont, kam doch nur der Tabellensechzehnte ins Old Trafford. Doch der Tabellenführer tat sich schwer, weshalb es torlos in die Kabine ging. Zur zweiten Halbzeit wurde der Starspieler von Ferguson gebracht und traf mit seiner ersten Ballberührung nach einer Ecke per Kopf zur Führung. Heute ist das Kopfballspiel eines seiner Markenzeichen, damals wurde dies als neue Fähigkeit erachtet. Später stellte Ronaldo noch den 3:1 Endstand her.

Bereits am 30. Dezember stand das nächste Heimspiel an, dieses Mal gastierte der FC Reading. Auch in diesem Spiel tat sich United aufgrund des engen Spielplans äußerst schwer und war einmal mehr auf die neu entdeckten Torjägerqualitäten seiner Nummer 7 angewiesen. Mit einem weiteren Doppelpack sicherte Ronaldo einen 3:2 Erfolg, wodurch die „Red Devils“ ihre Tabellenführung ausbauen konnten.
Innerhalb einer Woche erzielte CR7 seine Saisontore sieben bis zwölf und kletterte damit in der Torjägerliste hinter Didier Drogba auf den zweiten Platz. Folgerichtig gewann er erneut die Auszeichnung zum Premier Spieler des Monats. Die im Sommer geschlossene Wetter konnte Sir Alex bereits zu damaligen Zeitpunkt – sicher zu seiner Freude – als verloren ansehen.

 

Player of the year

Das Toreschießen fand auch in den restlichen Wochen der Saison seine Fortsetzung. Saisontor 16, abermals ein Sololauf, sicherte einen immens wichtigen Last-Minute-Erfolg beim FC Fulham am 28. Spieltag, der rückblickend als Vorentscheidung im Titelkampf gesehen werden kann. Der 17. und letzte Saisontreffer sicherte im Derby gegen Manchester City den ersten Titel für die Man United nach vier Jahren.

https://youtu.be/o6ebwcZ2IEw?t=4m18s

Insgesamt kam Ronaldo in der Saison 2006/2007 auf 17 Tore und 15 Vorlagen. Am Ende der Saison wurde der wenige Monate zuvor unbeliebteste Spieler des Landes in allen Kategorien (Journalisten, Spielervereinigung, Fans) zum Fußballer des Jahres 2007 gewählt. Die Wahl zum besten Jungprofi gewann der damals 22jährige logischerweise ebenfalls. Auch in der Champions League konnte Ronaldo in der KO-Phase endlich seine ersten Treffer verbuchen. Am Ende der Saison wurde von den Fachleuten und der Presse erstmals debattiert, ob der Portugiese nicht möglicherweise der aktuell beste Fußballer der Welt sei, was zwölf Monate zuvor nicht einmal mit dem Zusatz „bester junger Fußballer“ diskutiert worden wäre.

 

Eintagsfliege?

Die nächste Frage war daher, ob er solche Leistungen auch in der kommenden Saison wiederholen konnte. Die Gegner würden sich von nun sicher speziell auf ihn einstellen, weshalb man eine solche Torquote sicher nicht erneut erwarten dürfte. Das absolute Gegenteil war der Fall: Ronaldo erzielte in der Saison 2007/2008 sagenhafte 42 Pflichtspieltore. Seine 31 Ligatore (Ligarekord) sicherten United die Titelverteidigung und ihm erstmals den Titel eines Torschützenkönigs. In der Champions League wurde Ronaldo ebenfalls Torschützenkönig, das achte und letzte Tor erzielte er im siegreichen Finale gegen Chelsea. Individuelle Ehrungen waren die logische Folge: CR7 wurde erneut Fußballer des Jahres, darüber hinaus wurde er erstmals als Europas Fußballer und Weltfußballer des Jahres ausgezeichnet. Da Weltfußballer in der Regel galaktisch spielen, wurde das Interesse der Galaktischen aus Madrid intensiver, was im Hause Ronaldo auf Gegenseitigkeit stoß. Ferguson überredete den abwanderungswilligen Star im Sommerurlaub wenigstens eine weitere Saison in England zu bleiben und sicherte ihm im Gegenzug die Freigabe für den Sommer 2009 zu. In seiner letzten Saison in England konnte CR7 seine Form aus dem Fabeljahr 2007/2008 nicht ganz halten. Seine erneut starken 26 Pflichtspieltore sicherten United neben dem Titel-Hattrick auch einen erneuten Einzug ins Champions League Finale, welches im ersten großen Duell zwischen Ronaldo und Lionel Messi an den Argentinier ging. Die Titel englischer Fußballer des Jahres und Torschützenkönig verpasste er als Dritter und Zweiter knapp. Die Zeit auf der Insel war so oder so zu ihrem Ende gekommen. Drei Jahre nach der geplanten Flucht nach der WM 2006 trat Ronaldo die Reise als teuerster Fußballer der Welt nach Madrid an.

 

Königliche Tormaschine

94 Millionen Euro versetzten die Welt in ungläubiges Staunen. Kann der Mann diese Summe rechtfertigen? Dazu kam mit 75 Millionen Ablöse noch ein weiterer Weltfußballer mit Kaka, dem viele Experten damals den Durchbruch in Madrid eher zugetraut hatten, als dem teureren Einkauf. Wie die Geschichte bis heute lief, dürfte bekannt sein, weswegen hier nur kurz auf die Zahlen eingegangen werden soll:
2009/2010: 33 Pflichtspieltore (26 Ligatore)
2010/2011: 53 (40)
2011/2012: 60 (46)
2012/2013: 55 (34)
2013/2014: 51 (31)
2014/2015: 61 (48)
2015/2016: 51 (35)

https://youtu.be/Gqs7dDG77S8

Hätte man im Juli 2009 gesagt, dass Ronaldo während den nächsten sieben Jahren in Madrid nur einmal eine Anzahl von Pflichtspieltoren im 30er-Bereich haben wird, hätte sicher niemand voraussagen können, dass dies nur der Fall ist, weil das Pendel noch viel, viel weiter nach oben ausschlägt. Torrekorde sind heute vom mittlerweile viermaligen Weltfußballer Standard: Bester Real-Torschütze aller Zeiten, Champions League Torrekord oder bester Europameisterschaftstorschütze aller Zeiten sind nur einige der gebrochenen Bestleistungen.

Die Flut an Treffern begann rückblickend vor ziemlich genau zehn Jahren, in einer Zeit als Cristiano Ronaldo spielerisch und statistisch in die Kategorie Weltklasse aufstieg. Ab dem 01.01.2007, direkt nach den oben erwähnten drei Doppelpacks hintereinander, erzielte CR7 ganze 79 seiner insgesamt 118 Pflichtspieltore für Manchester United. Damals war der Portugiese 21, heute ist der amtierende Europameister 31 und hat erst kürzlich verlauten lassen, dass er gedenkt, seine Karriere bis zum 41. Lebensjahr fortzusetzen.
Wir befinden uns also ziemlich genau in der Mitte.

 

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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