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Das „zentrale“ Problem von Mönchengladbach

26. April 2017 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Borussia Mönchengladbach schied gestern aus dem DFB-Pokal aus. Auch in der Bundesliga läuft es in dieser Saison nicht nach Plan. Die Gründe für die zumindest etwas enttäuschende Saison sind vielschichtig. Vieles hat mit der Besetzung im Mittelfeldzentrum zu tun. Eine Problematik, die sich in der kommenden Saison noch einmal zuspitzt, wenn nicht effizient gehandelt wird.

Max Eberl ist ein Mann, der sein Handwerk versteht. Er ist gut vernetzt, bewies häufiger ein gutes Händchen bei Spielertransfers und seine Vorausplanung ist in vielen Fällen herausragend. Doch auch ein Max Eberl muss sich in manchen Bereichen Kritik gefallen lassen. Bereits in der vergangenen Saison war die Besetzung im zentralen Mittelfeld mit Xhaka, Nordtveit und Dahoud relativ dünn. Glücklicherweise gab es keine großen Verletzungssorgen und man konnte die Saison mit diesen drei Spielern durchziehen.

(Photo by Sascha Steinbach/Bongarts/Getty Images)

Die Abgänge von Xhaka und Nordtveit

Als sich abzeichnete, dass sowohl Xhaka als auch Nordtveit den Verein nach England verlassen, musste Eberl das Mittelfeldzentrum umplanen. Mit Xhaka ging ein Führungsspieler, der auf dem Platz Aggressivität und den unbändigen Willen vorlebte. Nordtveit war ein taktisch gut ausgebildeter Spieler, der Lücken zulief und im Passspiel wenig Risiko ging, aber auch wenige Fehler produzierte. Dahoud wurde ein wenig der große Druck genommen. Der junge Deutsch-Syrer konnte sich auf Nordtveit und Xhaka verlassen, sämtliche Paarungen im Mittelfeldzentrum waren zumindest grundsolide.

Nun wurde man in Mönchengladbach auf die Situation von Christoph Kramer aufmerksam. Kramer, der während seiner Leihzeit in Gladbach zu überzeugen wusste, war nicht zufrieden in Leverkusen. Der Wechsel war schnell nur noch Formsache und ein Teil der Millionen, die man für Xhaka einnahm, waren wieder reinvestiert. Doch Kramer ist kein Spieler wie Xhaka. Für das Gladbacher Spiel war der Schweizer besonders wichtig, seine langen Bälle inszenierten zahlreiche Angriffe, sein nicht kopfloses Stürmen nach vorne erzeugte nicht selten Verwirrung in der gegnerischen Defensive. Hinzu kamen seine Distanzschüsse.

 

Warum sonst nur Strobl?

(Photo by Adam Pretty/Bongarts/Getty Images)

Christoph Kramer ist ein laufstarker Spieler, kann viele Lücken schließen, ist technisch trotz seiner Schlaksigkeit nicht schlecht ausgebildet. Allerdings ist der Nationalspieler kein Stratege. Mit Tobias Strobl verpflichtete die Borussia einen zentralen Mittelfeldspieler ablösefrei aus Hoffenheim. Der 26-Jährige ist ein guter Ergänzungsspieler, der in Hoffenheim einen soliden Eindruck hinterließ, doch hier machte Max Eberl einen entscheidenden Fehler. Man ging erneut nur mit drei Spielern für diese Königsposition in die Saison und die Qualität hatte sich verschlechtert.

Dabei spielte Gladbach in der Königsklasse. Die punktuelle Einbindung eines Sow oder Benes in allen Ehren, diese beiden Spieler haben noch einen langen Weg vor sich. Sicherlich zeigte gerade Benes in den letzten Wochen ansprechende Leistungen, aber er ist offensiver ausgerichtet als Dahoud und ihm fehlt es gerade unter Druck noch an der nötigen Entscheidungsfindung, der Handlungsschnelligkeit und dem formidablen Passspiel. Ein weiterer Transfer im Mittelfeld wäre wichtig gewesen. Denn wenn Kramer oder Dahoud langfristig ausfallen, muss Tobias Strobl über Wochen oder gar Monate regelmäßig spielen.

 

 

Probleme in der Saison 16/17

So ergaben sich in dieser Saison einige Probleme. Dahoud, der zweifelsohne talentiert ist, kann noch nicht über ein Jahr konstant auf einem derart hohen Niveau spielen, wie er es müsste, um die Borussia durch eine Saison zu tragen. Es fehlt an einem Spieler, der ebenfalls kreative Elemente einbringt und Dahoud ersetzen kann. Hier wurde ein Fehler in der Kaderplanung gemacht, hier hätte man noch einmal nachbessern müssen. Natürlich ist es schwer gleich drei Spieler im Mittelfeldzentrum neu zu integrieren, aber gerade Kramer kannte die Borussia und hatte keine Anpassungsprobleme.

Seit Anfang März fehlt Kramer wegen eines Innenbandrisses. Strobl ist seitdem Stammspieler und der Druck auf Dahoud ist noch einmal gestiegen. Er muss sich häufiger die Bälle weiter hinten abholen, muss die Spieleröffnung im Mittelfeld komplett alleine übernehmen und wirkt manchmal etwas überfordert, geht zu viel Risiko, weil es einfach komplizierter geworden ist die entsprechenden Räume in der Offensive zu bespielen. Strobl ist ein solider Spieler, aber es fehlt ihm an einigen fußballerischen Fähigkeiten. Gestern gegen Frankfurt hat er es mehrfach verpasst, das Spiel mit einem Ball über 20-30 Meter schnell zu machen, Dynamik in die Offensive zu bringen.

 

Der Abgang von Dahoud

(Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images )

Strobl sollte also eher der 4. Spieler im Mittelfeldzentrum sein. Nach dieser Saison wechselt nun auch noch Dahoud nach Dortmund. So ergibt sich erneut eine Problematik. Eigentlich müsste Gladbach zwei Spieler verpflichten. Der junge Laszlo Benes spekuliert natürlich auch auf mehr Einsätze, gerade auf der Dahoud-Position. Er muss sich aber noch einige Defensivfähigkeiten aneignen, um dort weiterhelfen zu können. Gladbach wird mit Vincenzo Grifo in Verbindung gebracht, der für die 8er-Position allerdings auch zu offensiv ausgerichtet ist und eher weiter vorne eingeplant wird.

Es wird also ein Stratege gesucht. Im Optimalfall gibt es sogar zwei Neuzugänge im Mittelfeld. Der Abgang von Dahoud ist zwar bitter für Gladbach, aber auch eine Chance die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Sicherlich gibt es noch andere Baustellen im Kader, aber das Mittelfeldzentrum als absolute Königsposition sollte Priorität genießen. Gerade weil in den vergangenen Wochen wieder häufiger Probleme aufgetreten sind, die Eberl, Hecking & co. aufgefallen sein müssen.

 

Gerüchte um Amiri, weitere Kandidaten

Zuletzt gab es Gerüchte, wonach Mönchengladbach an Hoffenheims Amiri interessiert sei. Da die TSG aber bereits Süle und Rudy verliert und sich womöglich für die Königsklasse qualifiziert, scheint ein weiterer Abgang eines Schlüsselspielers unwahrscheinlich. Dieter Hecking soll sich für Luiz Gustavo interessieren, der Brasilianer wäre aber teuer und würde zudem ein hohes Gehalt verlangen. Es gibt aber noch zahlreiche andere plausible Lösungen. Gladbach hat immer noch eine gute Perspektive.

Ein Maximilian Arnold aus Wolfsburg könnte eine spielerisch relativ gute Lösung sein. Er wird allerdings auch teuer, andererseits verfügt Gladbach noch über zahlreiche finanzielle Mittel. Die Verantwortlichen haben in den letzten Jahren gut gewirtschaftet und einige Rücklagen angehäuft, sodass eine Saison ohne internationalen Wettbewerb problemlos machbar ist. Ein weiterer sehr interessanter Name ist Leander Dendoncker. Der Belgier spielt beim RSC Anderlecht und ist im Mittelfeldzentrum neben Youri Tielemans gesetzt. Dendoncker besitzt fußballerische Klasse, ist aber auch defensivstark. Allerdings hat er seinen Vertrag im vergangenen Herbst bis 2021 verlängert, es wären sicher 15 Millionen Euro an Ablöse fällig.

Weiterhin könnte sich Gladbach zumindest um eine Leihe bemühen. Es kann nicht schaden bei einem großen Klub anzuklopfen und einem Mittelfeldtalent eine Perspektive zu bieten. Somit hätte man noch ein weiteres Jahr Zeit um einen zweiten Neuzugang zu finden, der langfristig bleiben kann. Ein Beispiel für eine solche Leihe wäre Marcos Llorente von Real Madrid, der zurzeit auf Leihbasis in Alaves spielt. Grundsätzlich gibt es in Dänemark, Belgien, Frankreich oder den Niederlanden viele interessante junge Spieler. Gladbach muss das Scouting intensivieren und einen kreativen Transfer tätigen. Vielleicht auch zwei. Und Max Eberl kann genau das.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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