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Der BVB vor dem Derby gegen Schalke: Europa als Stimmungskiller

12. März 2020 | Spotlight | BY Julius Eid

Spotlight | In der Liga präsentiert sich der BVB stark, hat den Anschluss an die Spitze gefunden. Das Champions-League-Aus in Paris trübt allerdings die Stimmung.

Die Liga-Form des BVB stimmt

In der Bundesliga läuft es für die Dortmunder in der Rückrunde gut. Nach einer bitteren Niederlage gegen Leverkusen wurde Neuzugang Emre Can auf die Sechserposition neben Axel Wiesel beordert und brachte die so lange gewünschte Stabilität. Vielleicht zum ersten Mal seit der Hinrunde 2018/2019 konnte der BVB eine formstarke Phase über mehrere Spiele konservieren. Gerade im Topspiel gegen Gladbach am vergangenen Samstag zeigte sich diese Entwicklung deutlich. In einem sehr körperlichen und umkämpften Spiel ließ der BVB sich nicht den Schneid abkaufen und sicherte sich enorm wichtige drei Punkte. Die Schwarzgelben stehen nun auf dem zweiten Platz der Tabelle und können sich bis zum direkten Duell gegen München in eine tolle Ausgangsposition bringen.

Die Dreierkette Favres funktioniert. Die Defensive wirkt stabil, lässt sehr wenig zu und scheint den noch vor wenigen Monaten oft verunsicherten Spielern mehr Halt zu geben. Diese Stabilität geht nun etwas zu Lasten der offensiven Spielfreude, richtiger Hurra-Fußball ist seltener geworden. Der Hauptgrund hierfür liegt auch bei Cans Beförderung ins Zentrum. Denn für ihn musste Julian Brandt weichen, und damit das verbindende, spielerische wertvolle Element zwischen den beiden Mannschaftsteilen.

Der BVB ist nun häufiger auf Einzelaktionen angewiesen, gerade Jadon Sancho und die beiden Außenverteidiger, Achraf Hakimi und Raphael Guerreiro, müssen diesen Part nun ausfüllen. Die absteigende Anzahl an herausgespielten Chancen schlägt sich auch auf die Torquote Erling Haalands nieder. Doch die Qualität der Einzelspieler reicht in der Liga eben meist für genügend Treffer. Gerade wenn danach die Defensive standhält.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

PSG als Stimmungskiller für den BVB

Doch bei aller Zuversicht, die man in der Liga sammeln konnte, gab es nun unter der Woche einen emotionalen Rückschlag. Im Champions-League-Duell mit PSG schied der BVB trotz Sieg im Hinspiel aus und zeigte eine Leistung, die bei vielen Beobachtern eben nun doch wieder große Zweifel an der neuen Stabilität aufkommen lässt. Gerade in der ersten Halbzeit spielte Dortmund enorm fahrig, produzierte Fehlpässe und Ballverluste in inakzeptablem Maße und ließ eben auch die Körperlichkeit vermissen. In einem so emotionalen Umfeld, wie dem des BVB, dauerte es nicht einmal 45 Minuten bis gerade verstummte Kritiker wieder lautstark auf den Plan traten. Die gute Form und die Selbstsicherheit der letzten Wochen steht nun gegen Schalke auf dem Prüfstand.

Denn die Liga ist nun auch der letzte Wettbewerb, in dem die ambitionierten Schwarzgelben noch, zumindest theoretische, Chancen auf einen Titel haben. Der erneute Leistungsabfall in einem wichtigen Spiel setzt das Team weiter unter Druck. Wenn man die Gunst des Publikums nicht wirklich vollends verspielen will, dann muss man unterstreichen, dass es sich beim Paris-Spiel um einen einmaligen Ausrutscher in einer besonderen Aktion handelte. Es steht hierbei außer Frage, dass die leeren Ränge im Prinzenpark die Partie mitbeeinflussten. Selten bis nie kam bei einem der beiden Kontrahenten die Intensität oder zumindest das Tempo eines Champions-League-Spieles auf. Eine Tatsache, die auch mit Aussicht auf das Revierderby für schlechte Laune sorgen sollte.

(Photo by Daniel Kopatsch/Bongarts/Getty Images)

BVB vs. Schalke: Das emotionale Revierderby ohne Emotionen

In diesem extrem bedeutungsvollem Duell werden die Ränge aufgrund des Coronavirus im Dortmunder Stadion leer bleiben. Ein Ausnahmezustand, der viel von dem „Derby-Gefühl“ nehmen dürfte. Wer das Spiel in Paris verfolgte, hat erleben dürfen, wie sehr die fehlende Atmosphäre nicht nur Spieler, sondern sogar den Zuschauer vorm heimischen Fernseher beeinflussen kann. Die normalerweise immer vorhandene Brisanz und Hitze dieses Duells dürfte nicht in gewohnter Manier eine Rolle spielen. Es wird ein besonderes Derby. Das ist die diplomatischste Art es auszudrücken.

Die fehlende Atmosphäre könnte den Borussen allerdings in die Karten spielen. Trotz genereller Heimstärke präsentierte man sich in der jüngeren Vergangenheit zu Hause meist sehr verwundbar, wenn die blauen Nachbarn zu Gast waren, lieferte einige denkwürdige Spiele. Im negativen Sinne, sollte man es mit Schwarzgelb halten. Der Gast schien sich mehr an der geladenen Stimmung zu berauschen als der Hausherr. In einem Spiel ohne den, nicht zu unterschätzenden, Faktor Emotion könnte die höhere fußballerische Qualität Dortmunds besser zum Tragen kommen.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Doch auch ohne hitzige Stadionlautstärke setzen die Gelsenkirchener auf ein körperliches Spiel, werden die Robustheit der Borussen testen. Diese müssen nun beweisen, dass sie auch ohne Publikum in der Lage sind, vollste Konzentration abzurufen.

Eine so fehlerbehaftete Leistung wie in Frankreich wird auch von jedem Bundesligateam bestraft. Zudem muss wieder mehr Kreativität Einzug in das Spiel finden, gegen einen Gegner dessen Trainer selber freimütig eine Mauertaktik zugibt. Hier ist Lucien Favre gefragt, die Gratwanderung zwischen Stabilität und Offensivfußball zu wagen und zu bestehen. Sollte dies gelingen, könnte Dortmund in dieser Saison tatsächlich noch Großes bevorstehen. Eine Niederlage hingegen dürfte auf allen Ebenen tiefe Wunden reißen und die Hoffnung auf einen konstanten, verlässlichen BVB in der Saison 2019/2020 final zu Grabe tragen.

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Julius Eid

Julius Eid

Seit 2018 bei 90PLUS, seit Riquelme Fußballfan. Gerade die emotionale Seite des Sports und Fan-Themen sind Julius‘ Steckenpferd. Alleine deshalb gilt: Klopp vor Guardiola.


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