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Der VAR – Am Ende auch nur ein Mensch

18. Februar 2020 | Spotlight | BY Julius Eid

Spotlight | Seit der Einführung eines Videoschiedsrichters sorgt dieser für Diskussionen. Selbst die hartnäckigsten Befürworter sollten mittlerweile eingesehen haben, dass nicht alles rund läuft. Oft wird allerdings vergessen, dass der VAR gar keine unfehlbare Maschine ist.

Tritte, Abseits, falsche Entscheidungen

Wenn man ehrlich ist, gibt es kaum etwas angenehmeres für einen Autor als über den VAR zu schreiben. Zumindest was den aktuellen Anlass angeht. Denn man muss nie weit zurückdenken um eben diesen bei einer Diskussion über den Video Assistant Referee zu finden. Der aktuellste von allen aktuellen Gründen spielte sich dann gestern Abend an der Stamford Bridge ab. Harry Maguire rutschte vor der Trainerbank Chelseas auf seinen Gegenspieler Michy Batshuayi zu und hatte einen totalen Blackout. Sein Bein streckte er durch und trat dem Angreifer der Blues zwischen die Beine. Kein Ball in der Nähe, ein klarer, schmerzhafter Angriff auf den Körper des Gegners. Eine klare rote Karte. Der VAR schaltete sich ein, das Geschehen wurde überprüft. Maguire durfte weiterspielen und erzielte das entscheidende 2:0.

Photo by GLYN KIRK/AFP via Getty Images

Ein Paradebeispiel dafür, dass der VAR nicht das einlösen kann, was sich so viele erhofft hatten: Gerechtigkeit im Fußball herstellen. Jedes Wochenende werden weiter falsche Entscheidungen getroffen und jeder wirkliche Gerechtigkeitsfanatiker dürfte beim Fußball weiterhin nervlich zu Grunde gehen. Ob es fair ist, dass ein Spieler der einen Millimeter mit der Schulter vor dem Gegner in ein Laufduell geht sein danach stark herausgespieltes Tor nicht behalten darf, ist da noch eine ganz andere Diskussion. Hier soll es erstmal um klare Fehlentscheidungen trotz Video-Unterstützung gehen und auch von diesen gibt es immer noch zahlreiche. So wie eben gestern Abend, als Maguire die Nerven verlor und Chelsea das Spiel.

Irren ist menschlich

Es mag unterschiedliche Erklärungsansätze geben, warum der VAR nicht immer funktioniert. Doch einer, der wichtigste, ist hierbei überraschend unterrepräsentiert. Und dies mag auch daran liegen, dass weder den Schiedsrichter- noch den Vereinsverbänden bis jetzt gelungen ist, ordentlich zu kommunizieren, was der VAR eigentlich ist. Der Video Assistant Referee ist ein weiterer Schiedsrichterassistent. Einer, der mit einem weiteren Hilfsmittel versucht, die richtige Entscheidung zu treffen. Dieses Hilfsmittel wird dann manchmal auch dem Schiedsrichter selbst, in Form einer On-Field-Review (sofern in diesem Land in Gebrauch. In England zum Beispiel gibt es diese nicht), zu Verfügung gestellt.

Doch der Videobeweis, die Aufnahme an sich, ist keine Institution mit Entscheidungsgewalt. Es ist ein einfaches Hilfsmittel, auf dessen Basis Menschen eine Entscheidung treffen müssen. Meldet sich der VAR beim Hauptschiedsrichter und bittet um eine On-Field-Review? Das entscheidet ein Mensch. Entscheidet sich der Schiedsrichter nach einer Review um? Das entscheidet ein Mensch.

Photo DANIEL LEAL-OLIVAS/AFP via Getty Images

Und so ist es natürlich ein Irrglaube, dass der VAR diese menschlichen Fehler, die falsche Schiedsrichterentscheidungen nun einmal sind, korrigieren könnte. Wenn überhaupt gibt er dem Zuschauer einen weiteren Grund diese Fehler deutlich zu sehen und Kritik zu üben. Wenn irgendwann einmal eine Maschine gebaut, ein Computer programmiert ist, der die Entscheidungen selber trifft, jede Situation treffend einschätzt, dann kann man vielleicht Fehlerlosigkeit erwarten. Doch bis dahin gilt „Errare Humanum Est“, irren ist menschlich.

Technikwahn

Man könnte die Einführung des VAR also auch als eine Art Fortführung des Technikwahns sehen, der unsere Gesellschaft schon vor Längerem befallen hat. Maschinen sollen unseren Flur saugen, unseren Teig kneten und uns gleichzeitig Rezeptanweisungen geben, das Einparken übernehmen. Warum sollte dann nicht auch eine Maschine endlich unsere ungeliebten Schiedsrichter ablösen? Ein logischer Gedankengang mit einem, eben schon ausgeführten Fehler: Diese Maschine existiert noch nicht. Und so sind wir weiter auf Schiedsrichter angewiesen, und eben auch auf ihr Irren.

Beschäftigt man sich weiter mit diesem Gedankengang könnte einem am Ende eine verrückte Idee kommen. „Wenn der VAR auch nicht wirklich gegen Fehlentscheidungen hilft, brauchen wir ihn dann überhaupt?“. Am Ende ist es nämlich so. Der VAR hat Einfluss auf den unmittelbaren Jubel nach Toren, der VAR hat Einfluss auf das Stadionerlebnis, der VAR macht auch Fehler. So lange Menschen die Entscheidungen treffen werden wir Fehlentscheidungen erleben und müssen sie akzeptieren. Das menschliche Irren ist Naturgesetz. Der Videobeweis hingegen nicht und kann abgeschafft werden.

Julius Eid

Julius Eid

Seit 2018 bei 90PLUS, seit Riquelme Fußballfan. Gerade die emotionale Seite des Sports und Fan-Themen sind Julius‘ Steckenpferd. Alleine deshalb gilt: Klopp vor Guardiola.


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