Spotlight

Die Per-fekte Kombination – Das Geheimnis des Per Mertesacker

2. Mai 2014 | Spotlight | BY Chris McCarthy


Ein Jahr ist vergangen und erneut treffen Per Mertesacker und der FC Arsenal in der Allianzarena auf den FC Bayern. Vergangene Saison entpuppte sich das Rückspiel als ein Schlüsselspiel in der Karriere des deutschen Nationalspielers, wir erklären wieso.

Wir beginnen am 28.08.2011,  3.Spieltag der Barclay’s Premier League. Eine stark dezimierte Mannschaft des FC Arsenal kommt bei Man Utd 8-2 unter die Räder. Die Fans der Gunners erleben einen neuen Tiefpunkt und der Wunsch nach Neuzugängen wird größer als je zuvor. 3 Tage später, kurz vor Transferschluss, geben die Nordlondoner die Verpflichtung von Per Mertesacker bekannt.

Die Fans waren begeistert, ein fast 2 Meter großer Innenverteidiger und dazu auch noch deutscher Nationalspieler. Die Erwartungen waren hoch…vielleicht zu hoch.

Der Ex-Bremer gab direkt am 10.09. sein Debüt in der Startelf und bot eine ordentliche Leistung. Sehr bald wurde aber klar, dass auch ein 96-facher Nationalspieler eine gewisse Anlaufzeit benötigt um sich an die schnellere und härtere Premier League zu gewöhnen. „He is so slow“ war öfter von den Rängen zu hören und in manchen Aktionen wirkte der lang gewachsene Abwehrspieler fast tollpatschig, ja vielleicht sogar etwas überfordert. Zu allem Überfluss wurde seine Saison nach einer Bänderverletzung am 11.02.2012 gegen Sunderland vorzeitig beendet. Am Ende rangierten die Gunners nur auf Rang 8 der Gegentore-Tabelle – zu viel für ein Team in den „Top Four“.

Die Fans wurden schnell skeptisch und wer das Innenverteidigerduo zur Saison 2012/2013 tatsächlich abgeben sollte war in der Vorbereitung relativ offen. Nur eines schien sicher, Kapitän Vermaelen ist gesetzt. Die Frage nach seinem Abwehrpartner löste sich von selbst, Laurent Koscielny fiel verletzungsbedingt aus und so hießen die Innenverteidiger zu Beginn der Saison Per Mertesacker und Thomas Vermaelen. Die Verteidigung stand zu Beginn der Saison solide und man kassierte nur 2 Tore in den ersten 5 Spielen, doch in den nächsten 5 Partien waren es schon weitere 6 Gegentreffer. Es fehlte im weiteren Verlauf der Spielzeit eine gewisse Konstanz, hauptsächlich in der Innenverteidigung, denn Mertesacker hatte keinen festen Partner. Koscielny als auch Vermaelen litten während der Saison immer wieder an kleineren Verletzungen, zusätzlich musste letzterer aufgrund einer Verletzungsmisere auch als Linksverteidiger aushelfen. Nichts desto trotz stellte man am 28. Spieltag viertbeste Abwehr der Liga (im Vorjahr zum gleichen Zeitpunkt nur die zehntbeste) auch wenn noch deutlich Luft nach oben war.

 

Die Geburtsstunde der deutsch-französischen Freundschaft

Anfang 2013 befanden sich die Gunners mal wieder in einer kleinen Krise: das peinliche Aus gegen Blackburn im FA-Cup (0-1 Heimniederlage), der Hinspielniederlage im Champions League Achtelfinale gegen die Bayern (1-3) und ein 1-2 gegen Erzfeind Tottenham sorgten für schlechte Stimmung. Wenger setzte im Rückspiel gegen den deutschen Rekordmeister überraschend auf Fabianski im Tor, der den formschwachen Szczesny ersetzte. Zusätzlich musste Kapitän Vermaelen (der im Hinspiel noch als Linksverteidiger aushelfen musste) unerwartet auf der Bank Platz nehmen. Arsenal stand vor der Mamutaufgabe einen 1-3 Hinspielrückstand aufzuholen und Wenger setzte auf die deutsch-französische Innenverteidigung, bestehend aus Mertesacker und Koscielny. Arsenal hinterließ einen sehr guten Eindruck, gewann mit einer beachtlichen Leistung 2-0 in der Allianzarena und schaffte beinahe das Wunder. Dies blieb zwar aus, doch das neue Innenverteidigerduo der Kanoniere war geboren.

Arsenal verlor von nun an  kein einziges Spiel mehr in der Liga, gewann 8 der verbleibenden 10 Partien, kassierte nur noch 5 Gegentore und sicherte sich haarscharf den 4. Platz und damit die Champions League Qualifikation.

Die deutsch-französische Kombination spielte sich ein. Koscielny fand zu alter Stärke, mauserte sich langsam aber sicher zu einem der besten Innenverteidiger der Liga und entwickelte sich zu einem perfekten Partner für Per Mertesacker. Das Duo sammelte Selbstbewusstsein und war dabei eine unglaubliche Serie aufzustellen: Seit dem 1-2 gegen Man United am 22.01.2012  verlor Arsenal bis zu dem 5-1 gegen Liverpool am 08.02.2014 kein einziges Premier League Spiel in dem die Beiden die vollen 90 Minuten absolvierten.

Die Innenverteidigung war nun in Stein gemeißelt, Stabilität kehrte ein und Per Mertesacker war und ist der Leader und Organisator der neu formierten Defensive. Die Klarheit eines festen Innenverteidigerpartners tat „Merte“ offensichtlich gut. Ein Jahr später haben die Gunners, trotz der Totalausfälle gegen City (3-6) und gegen Liverpool (1-5) die drittbeste Defensive der Liga.

In dieser Phase überzeugte der deutsche Riese durch sein ausgezeichnetes Stellungsspiel, seiner hohen Konzentration und seiner unglaublichen Ruhe. Er entwickelte sich in fast allen Bereichen seines Spiels weiter und galt fortan als absoluter Leistungsträger und Rückgrat der Mannschaft.

 

Mertinho

Die Innenverteidiger sind bei Arsenal oft gezwungen den Spielaufbau zu initiieren. Mertesacker agierte in seiner ersten Saison noch sichtlich nervös und der Gegner presste daher oft gezielt auf seinen Partner in der Innenverteidigung um dem technisch schwächeren Abwehrspieler den Spielaufbau zu überlassen. Doch mit zunehmenden Selbstvertrauen entwickelte er sich auch spielerisch weiter, überzeugt mittlerweile durch Ruhe, Souveränität und kluge Pässe. Seine ordentliche Passerfolgsquote von 89,2 (11/12) verbesserte sich dabei auf überragende 93,2 – Platz 2 in der Premier League hinter Kollege Koscielny.

Per Mertesacker kassiert für einen Innenverteidiger erstaunlich wenig Gelbe Karten, sein ausgezeichnetes Stellungsspiel und cleveres Zweikampfverhalten erlauben ihm brenzlige Situationen zumeist fair und intelligent zu lösen. In seiner Bundesliga-Karriere sah er in 221 Spielen gerade einmal 9 Gelbe Karten (2 Rote) und in der „robusteren“ Premier League nur 7 in 81. Es deutet sich schon an, Mertesacker foult selten…extrem selten.

Der großgewachsene Routinier begeht in der körperbetonten Premier League gerade einmal 0,3 Fouls pro Spiel, ein überragender Wert. In der Champions League sogar nur 0,1 pro Partie, das ist der niedrigste Wert aller Spieler der CL-Saison 2013/2014 (inklusive Torhüter).

Durch seine souveränen Leistungen wurde der gebürtige Hannoveraner immer selbstbewusster und damit kam eine weitere, schon fast vergessene, Stärke wieder  zum Vorschein:

 

Der Leader

Thomas Vermaelen ist zwar noch offiziell Kapitän der Gunners und in dessen Abwesenheit vertritt ihn  Mikel Arteta, doch Mertesacker ist inzwischen der dritte Captain und durfte schon öfter in Abwesenheit der Beiden die Binde tragen. Doch sie ist eben nur das, eine Binde, ein Stück Stoff.

Der schlaksige Niedersachse ist der eigentliche Kapitän der Nordlondoner und das ist mittlerweile bei jedem angekommen. Auf dem Platz ist der sympathische Hüne ständig am Reden, Gestikulieren und Organisieren. Er ist der Chef auf dem Platz…nicht nur auf dem Platz.

Nach der 3-6 Schmach gegen Man City bedankten sich die Spieler bei den treuen Auswärtsfans. Nur der etwas introvertierte Özil begab sich geknickt und auf direktem Wege in die Kabine. Mertesacker eilte hinterher um seinen Kollegen aus der Nationalmannschaft direkt zur Rede zu stellen. Wenig später entschuldigte sich Özil via Facebook bei den Fans.

https://www.youtube.com/watch?v=OVjrj6v4yIg

Mertesacker begründete sein Handeln wie folgt:

„Wir müssen uns als Einheit präsentieren, egal was passiert, das ist wofür Arsenal steht. Es ist gut zu streiten, seine Gefühle auszudrücken. Einige Spieler behalten ihre Gefühle lieber für sich und sind dann wochenlang schlecht gelaunt. Das möchte ich bei keinem sehen. Es kann einen kleinen Streit geben, aber danach schüttelt man sich die Hände und vergisst es. So bevorzuge ich das.“

Per Mertesacker organisiert gerne, er ist fast ein Kontroll-Freak, nicht verwunderlich also, dass ihn Wenger dazu beauftragt hat die Geldstrafen seiner Mannschaftskollegen einzutreiben.

„Die Deutschen stehen wirtschaftlich gut da, und wir respektieren das. Sie sind die einzigen in Europa, die Geld machen“, scherzte Wenger.

 

Big F***ing Publikumsliebling

Merte ist in London endlich angekommen. Auch in seiner schweren Anfangszeit hielt Wenger zu ihm und gab ihm Selbstvertrauen und das strahlt er mittlerweile deutlich aus. Er ist die Konstante und der unangefochtene Leader der Mannschaft. Nicht nur deshalb, oder wegen seinen Treffern gegen den Erzrivalen Tottenham genießt der BFG mittlerweile Kultstatus bei den Gooners, denn er identifiziert sich mit dem Verein.

Erst kürzlich belohnten ihn die Gunners mit einem neuen 3-Jahresvertrag.

„Es war für mich eine einfache Entscheidung. Ich fühle mich sehr wohl und erfahre eine tolle Unterstützung. Das ist ein fantastischer Klub. Wir werden alles dafür tun, um Titel zu gewinnen. Ich bin stolz, ein Gunner zu sein“

 

Per-fekte Kombination

Natürlich ist Mertesacker nicht perfekt, er hat wie jeder Spieler seine Schwächen. Er IST langsam, ihm fehlt Dynamik und Mobilität. Doch genau das sind gleichzeitig die Stärken seines Partners, Laurent Koscielny. Mertesacker steuert dafür Führungsqualitäten, Spielintelligenz, Stellungsspiel und Organisationstalent bei.

Wie bereits oben erwähnt ergänzen sich die beiden durch ihre individualen Qualitäten optimal und ergeben damit zusammen das perfekte Innenverteidigerduo für die Gunners. Dies beweist einmal mehr wie wichtig Konstanz, Vertrauen und Team-Chemie für die individuellen Leistungen eines Spielers sind. Es ist eine deutsch-französische Kooperation nach Maß, die „per-fekt“ funktionieren muss, damit die Gunners in München nur den Hauch einer Chance haben…

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


Ähnliche Artikel