Die Sancho-Saga | Eine Geschichte der Sensationsgier

Spotlight | Falls es jemand verpasst haben sollte: Jadon Sancho war in diesem Sommer bei Manchester United im Gespräch. Oder: Wie ein Transfergerücht unverhältnismäßig ausufert – eine Ursachensuche.
Die Ausgangslage
Schon im vergangenen Winter soll Manchester United ernsthaftes Interesse an Borussia Dortmunds Jadon Sancho (20) gehabt haben, in diesem Sommer sollte es dann endlich mit einer Verpflichtung klappen. Der BVB hingegen wäre angeblich bereit gewesen, den jungen Engländer für eine Summe von 120 Millionen Euro in die Heimat zurückkehren zu lassen.
Aber nur wenn bis zum 10. August ein Geschäft geschlossen wird, die Borussen wollten selbst, verständlicherweise, genug Zeit um einen Nachfolger für ihren Offensivstar zu verpflichten. Das ist eigentlich die gesamte, unkomplizierte Ausgangslage des vielleicht größten Medienthemas des gesamten Transferfensters. Doch wie konnte es dazu kommen, dass bis zum Deadline Day immer wieder neue Meldungen zu diesem Thema auf den geneigten Leser einprasselten?

United verzockt sich
Einer der Gründe für die, auch nach dem 10. August, nicht stoppende Berichterstattung, ist der interessierte Verein aus Manchester selbst. Denn anscheinend war man bei den Red Devils nicht bereit, die Aussagen der Dortmunder Verantwortlichen für bare Münze zu nehmen. Während man aus dem schwarzgelben Lager nach der gesetzten Deadline und einer öffentlichen Absage in aller Deutlichkeit nur noch mantraartig hörte, dass Sancho bleiben würde, hörte man bis zum 5. Oktober aus England von Verhandlungsstrategien. Dass man hoffe mit einem späten Angebot unter der geforderten Summe noch einen Transfer möglich machen könne.
Deshalb rissen auch die Meldungen von vereinsnahen Journalisten in England nie ganz ab, während deutsche Medien dieses Thema deutlich seltener behandelten. Ed Woodward und Matt Judge, verantwortlich für das Transfergeschehen bei United, haben ihre eigene Hand massiv überschätzt und Dortmund hat die ganze Situation dankend genutzt, um dem Ruf als Verkäuferklub nachdrücklich zu widersprechen.

Twitter-Journalismus eskaliert
Doch das ungewöhnliche Transfergebaren des englischen Rekordmeisters rechtfertigt weder die über 1300 Seiten zum möglichen Transfer Sanchos in einem Manchester United Fan-Forum, noch einen englischen Sky-Journalisten vor dem Trainingszentrum in Dortmund. Am Ende ist die Geschichte von Sancho nie so spektakulär und berichtenswert gewesen, wie sie erzählt wurde. Doch dieses Transfergerücht verdeutlichte einige Dynamiken der Fußballwelt überdeutlich und sollte alleine deshalb im Gedächtnis bleiben. Egal ob bekannte Transferinsider, ehemalige Fußballprofis aus Norwegen oder ehemalige Taktikblogger. Zur Sancho-Saga hatte jeder Journalist mit Twitter-Account tägliche Updates und Meinungen zu bieten.
Und sie wurden mit Followern, Retweets und Likes belohnt. Zahllose Manchester United Fans, die das Thema befeuerten und zahlreiche Dortmund-Fans, die gerne aufsprangen und sich über die Gegenseite lustig machten. Selten war ein Nicht-Transfer ein solches Social-Media-Fest. Für manche schien es fast zu einer Sucht zu werden, mindestens einmal pro Woche etwas über den jungen Dortmunder und einen Wechsel, der „noch nicht vom Tisch“ sei zu schreiben. Nachdem Michael Zorc, Sportdirektor Dortmunds und alleine aufgrund seiner Funktion wahrscheinlich recht gut informiert, eine klare und deutliche Absage vor zwei Monaten öffentlich formulierte. Die Freude an der Aufmerksamkeit und die Sensationsgier trieb Twitter, und Twitter trieb die englischen Medien, die sahen wie gut das Thema geklickt wurde. Das hinter einer Geschichte im besten Falle mehr steckt als diese Motivation geriet schnell in Vergessenheit.
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