Spotlight

Die schwierige Situation des Max Meyer

5. Juni 2017 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Er gilt als Straßenfußballer, technisch versiert und hochtalentiert. Seine Fähigkeiten sind bekannt, sein Potenzial ist immens. 2013, nach dem Revierderby gegen Borussia Dortmund, adelte ihn Jürgen Klopp. Der Trainer des BVB sagte sinngemäß, dass es Wahnsinn sei, welche überragende Qualität die Schalker mit diesem jungen Kicker von der Bank bringen können. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Meyer ist nicht mehr der unbekümmerte Youngster, dem vieles zufliegt. Stagnation war zuletzt eher das Thema rund um den mittlerweile 21-jährigen. Die Situation ist schwierig, der Abschied von Schalke beschlossen.

Die Gründe sind vielschichtig. Fehlende Kontinuität im Verein, teilweise überzogene Erwartungen an seine eigene Person, System- und Taktikwechsel die ihm den Rhythmus raubten und nicht zuletzt auch einfach Leistungsschwankungen, die für einen Spieler in diesem Alter nicht unüblich sind. Auch jetzt ist Meyer immer noch in einem Anfangsstadium der Karriere, obwohl er seit nunmehr vier Jahren zum Schalker Profikader gehört, 122 Bundesligaspiele auf dem Buckel hat.

(Photo byJ OHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images)

Die Zeit als Emporkömmling

In der Saison 2013/14 ging der Stern von Max Meyer auf. Sein Bundesligadebüt feierte er zwar im Februar 2013 gegen Mainz – prompt mit einer Torvorlage – aber regelmäßige Einsätze waren noch nicht drin. 71 Bundesligaminuten, dazu 5 in der Königsklasse, erste Gehversuche im Profibusiness quasi. Vor allem die Hinrunde 2013/14 war beeindruckend. Zu Beginn der Saison wurde Meyer eher als Joker eingesetzt, lieferte aber bereits in wenigen Minuten gute Leistungen ab. Der Instinktfußballer sammelte erste Scorerpunkte, schoss in drei aufeinanderfolgenden Spielen in der Hinrunde jeweils ein Tor, unter anderem auch in besagtem Spiel gegen den BVB.

Meyer begeisterte die Schalker Zuschauer, ein kongeniales Duo mit Julian Draxler schwirrte den Fans im Kopf herum, die Zukunft des Vereins schien unter anderem aufgrund dieser beider Akteure rosig. In der Rückrunde schwankte die Form des damals konsequent auf seiner Lieblingsposition, der „10“, eingesetzten Meyer und ihm gelangen weniger Scorerpunkte. In diesem Alter war das aber absolut normal. 6 Treffer und 4 Vorlagen in 1800 Minuten Bundesliga waren sehr gut. 2014/15 trauten ihm nicht wenige eine Explosion zu. Diese blieb allerdings aus. 6 Scorerpunkte, erneut circa 1800 Bundesligaminuten. Meyer nur an Scorerpunkten zu messen wäre allerdings falsch. Der junge Mittelfeldspieler ist vielmehr ein Ballmagnet, der die Kugel abschirmen und auf engstem Raum behaupten kann.

2015/16 unter Andre Breitenreiter wurde besser. Zwar spielte Meyer auch teilweise auf der Außenbahn, er arrangierte sich aber mit der Situation und hängte sich rein. Gute Leistungen folgen auf durchschnittliche, durchschnittliche dann wieder auf gute. 13 Scorerpunkte in 2300 Bundesligaminuten, kaum Verletzungen, ein intakter Rhythmus – insgesamt konnte sich sowohl Meyer als auch der Verein nicht beschweren. Der letzte Schritt sollte noch gemacht, mehr Effizienz an den Tag gelegt werden.

Mehr Verantwortung, weniger Leistung

Schon unter Breitenreiter galt Meyer nicht mehr als Spieler, den man immer mal wieder bringen kann, der bestimmte Fähigkeiten einbringt und während seines Reifeprozesses nebenher zeitweise geniale Dinge mit dem Ball macht. Die Verantwortung wurde größer. Meyer wollte selbst in diese Rolle hineinwachsen, sich noch mehr einbringen und den natürlichen, persönlichen und sportlichen Entwicklungsprozess vorantreiben. Das funktionierte nur bedingt. Natürlich war die Saison unter Breitenreiter insgesamt besser als die Saison zuvor, aber man bekam als Zuschauer das Gefühl, dass das noch nicht alles sein kann. Zwar hatte Meyer weiterhin Schwächen, an denen er arbeiten musste, aber die Stärken hätten für noch bessere Leistungen sorgen können.

(Photo by Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Auch unter Markus Weinzierl änderte sich wenig. Meyer spielte mal ordentlich, mal etwas schwächer, mal von Beginn an, dann wieder als Joker. Große Verletzungsprobleme gab es erneut nicht, lediglich kleinere Blessuren, die ihn, abgesehen vom Saisonende, als er vier Spiele in Folge fehlte, nicht lange aus der Bahn warfen. Der offensive Mittelfeldspieler konnte erneut nicht derartige Verantwortung übernehmen, wie es sein eigener Anspruch hergeben sollte. Knapp 1700 Minuten, Unzufriedenheit, lediglich 4 Scorerpunkte, das war die Bilanz in der Bundesliga. Schalke war nicht zufrieden, Meyer war nicht zufrieden. Erstmals kamen Gerüchte auf, wonach der Spieler seinen Vertrag nicht verlängern könnte, Schalke selbst kein Interesse habe, große Sprünge in Sachen Gehalt zu machen.

Fehlersuche bei allen Parteien

Es ist insgesamt zu einfach, die Fehler alle bei Meyer zu suchen. Ebenso ist es zu einfach, die Fehler nur beim Verein und den handelnden Personen zu suchen. Eine Mischung daraus ist richtig, die Wahrheit liegt wie so häufig in der Mitte. Es ist ab einem gewissen Punkt auch frustrierend, wenn die eigene Entwicklung sich nicht so gestaltet, wie man es sich vorstellt. Die mentale Komponente sollte gerade bei jungen Spielern nicht unterschätzt werden. Die Unruhe im Verein, eine fehlende klare Linie und die Tatsache, dass es nicht möglich war, über einen längerfristigen Zeitraum ein Konzept mit den jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs zu erarbeiten, spielte natürlich eine Rolle.

(Photo by PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images)

Die fehlende Weiterentwicklung der Attribute, die nicht zu den positiv auffallenden Fähigkeiten Meyers gehören, ist ebenfalls ein enorm wichtiger Punkt. Man kann nur mutmaßen, warum es ihm nicht gelingt, effizienter zu spielen, im Abschluss Fortschritte zu machen und im Passspiel eben jene Eleganz, die ihn in der Ballführung auszeichnet, an den Tag zu legen. Ein offensiver Spieler mit diesen Fähigkeiten müsste in der Lage sein mehr Treffer zu erzielen. Er hatte nun einige Trainer in seinen jungen Jahren, die es nicht geschafft haben, diese Probleme zu beheben. Vielleicht spielt dort auch Meyer selbst eine elementare Rolle. Sollten in diesen Bereichen künftig keine Fortschritte zu sehen sein, wird es auch mit der Weiterentwicklung schwer.

Keine Vertragsverlängerung, welche Perspektiven gibt es?

Im Laufe der Saison wurde die Unzufriedenheit von Meyer deutlich. Der 21-jährige, aber auch der Verein, schienen nicht vollkommen von einer gemeinsamen Zukunft überzeugt. Am Pfingstsonntag teilte Meyer dann selbst gegenüber „Sky Sport News HD“ mit, dass er den Vertrag bei den Königsblauen nicht verlängern wird. Es gab ein Angebot seitens des Vereines, dies war aber entweder unbefriedigend oder aber Meyer selbst hat andere Pläne, schon einen neuen Verein in Aussicht. Möglicherweise will sich Meyer aber auch bei der anstehenden U21-Europameisterschaft in das Schaufenster großer Vereine spielen. Das wäre auch bitter nötig. Denn aufgrund der vergangenen Saison sollten die Topklubs zumindest nicht Schlange stehen.

Die Perspektiven sowohl für Schalke als auch für Meyer sind klar. Es sollte im Interesse beider Parteien sein, dass der Spieler den Verein nach dieser Saison verlässt. Schalke musste Matip und Kolasinac ablösefrei ziehen lassen, auch Goretzka könnte 2018 ohne Ablöse gehen. Gerade in Anbetracht des Umbruches sollte Schalke für einen Spieler, der ohnehin Abwanderungsgedanken hat, eine Ablösesumme einstreichen. Trainer Markus Weinzierl, der nach einer nicht gerade zufriedenstellenden Saison in der kommenden Spielzeit unter Druck steht, kann gewisse finanzielle Mittel gut gebrauchen um Spieler nach seinen Vorstellungen zu verpflichten. Die Tür ist laut Christian Heidel nicht endgültig zu, die Gespräche könnten zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal erneuert werden.

Und Max Meyer? Wie erwähnt, die U21-Europameisterschaft ist eine Chance. Eine Chance, die Meyer ergreifen will. Es gab zahlreiche Gerüchte, der VfL Wolfsburg scheint aber aus dem Rennen zu sein. Für beide Parteien würde der Wechsel derzeit keinen großen Sinn ergeben. Aber welcher Topverein würde Meyer derzeit unter Vertrag nehmen? Für eine verhältnismäßig geringe Ablösesumme könnten sich vor allem Tottenham und Liverpool im Interessentenkreis befinden. Eine Verpflichtung wäre kein großes Risiko, Klopp gilt als Meyer-Fan. Aber die Premier League passt zumindest unter den derzeitigen Vorzeichen nicht zu dem Spieler. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Für Meyer ist die Situation jedenfalls schwierig. Und das wird sie wohl auch bleiben, denn er muss sich bei einem neuen Verein eigentlich sofort beweisen.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


Ähnliche Artikel