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Die Trainerfrage beim FC Bayern | Pro und Contra zu möglichen Lösungen

5. November 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Spotlight | Der FC Bayern München steht nach dem Aus von Niko Kovac vor einer ungewissen Zukunft auf der Trainerposition. In den kommenden beiden Spielen wird Hansi Flick die Mannschaft betreuen, doch was passiert dann? Verschiedene Szenarien sind denkbar, wir geben einen Überblick darüber, wie realistisch diese Szenarien sind und was der FC Bayern von einzelnen Lösungen erwarten könnte.

Der Faktor ten Hag

Ein Trainer, der zuletzt immer wieder mit dem Rekordmeister in Verbindung gebracht wurde, ist Erik ten Hag. Und das ist auch völlig nachvollziehbar, denn ten Hag steht nicht nur für eine klare Spielphilosophie und hat diese bei Ajax Amsterdam sehr schnell implementiert, der Fußballfachmann aus den Niederlanden hat es auch geschafft, einzelne Spieler hervorragend zu entwickeln und innerhalb der Mannschaft einen immensen Zusammenhalt zu generieren.

Die Art, die ten Hag verkörpert und wie er Fußball denkt, passt zum Selbstverständnis des FC Bayern. Immer wieder tut der Niederländer kund, dass er keine Angst vor den Gegnern hat, dass die Mannschaft an den Weg Fußball zu spielen glauben muss. Sein technisch hochwertiger Ballbesitzfußball würde endlich wieder für eine klare Identität in München sorgen, zudem signalisierte ten Hag selbst bereits, dass er „nichts ausschließen“ würde, wenn ein Anruf aus München kommt. Für den 49-jährigen spricht außerdem, dass er eine Vergangenheit in München hat, diese Zeit als sehr positiv empfindet und dass Marc Overmars bereits andeutete, dass es eine Lösung gibt, wenn sich ein Topklub meldet und Interesse bekundet.

(Photo by Glyn KIRK / AFP)

Der aktuelle Stand ist der, dass ten Hag selbst erst einmal bestätigte, dass er bis zum Saisonende bei Ajax bleiben wird. Doch das muss nicht das Ende der Bemühungen des FC Bayern sein, wenn bis dahin eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden wird. Mehrere Medien berichten, dass der Rekordmeister Kontakt zum Umfeld des Niederländers aufgenommen hat, auch wenn dieser direkten Kontakt dementierte. Solange der FC Bayern jedenfalls keine Dauerlösung präsentiert, wird dieses Thema sehr heiß bleiben. Ten Hag, und davon kann man ausgehen, wird ab dem Sommer auf dem Markt sein und wenn die Verantwortlichen in München in ihm den richtigen Mann für die Zukunft sehen, stehen die Chancen sehr gut, dass es zu einer Zusammenarbeit kommen wird.

Doch gibt es auch Faktoren, die gegen ten Hag sprechen würden? Einerseits könnte es natürlich sein, dass man in München schon vorher eine Dauerlösung findet, wenngleich die möglichen Alternativen rar sind. Auch die Tatsache, dass ten Hag auf dem höchsten internationalen Niveau noch unerfahren ist und Ajax seine einzige „große“ Station darstellt, könnte eine Rolle spielen. Die Verantwortlichen werden alle Voraussetzungen, die ten Hag mitbringt, unter die Lupe nehmen – die Contra-Argumente sind jedenfalls nicht allzu umfassend.

Flick als permanente Übergangslösung

Hansi Flick, der den FC Bayern gegen Olympiakos und Borussia Dortmund coacht, könnte unter Umständen auch länger als Übergangslösung in Betracht kommen. Das wäre entweder dann eine Möglichkeit, wenn die gewünschte Dauerlösung ab dem Winter übernehmen könnte oder aber dann, wenn man nicht sofort eine passende Lösung bis zum Sommer findet, Flick aber positive Ansätze zeigt, die die Verantwortlichen dazu bewegen, ihm das Vertrauen auszusprechen.

 (Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Flick gilt als beliebt innerhalb der Mannschaft und scheint einen guten Draht zu den Spielern zu haben, doch nicht alles spricht für eine längere Lösung mit ihm. Denn die Aussagen von Uli Hoeneß, der prognostizierte, dass man bis zum Spiel in Düsseldorf in drei Wochen wisse, wie es weitergeht, deutet zumindest darauf hin, dass andere Trainer in der Verlosung sind, die kurzfristig übernehmen. Auch bestünde das Risiko, dass Flick keine Wende herbeiführen kann und man zu einem gewissen Zeitpunkt erneut zum Handeln gezwungen wird. Und: Ob Flick überhaupt – falls es auf eine Lösung im Sommer hinausläuft – sieben Monate als Cheftrainer im Rampenlicht stehen will, ist ebenfalls nicht gesichert.

Expertise durch Ralf Rangnick

Auch Ralf Rangnick wurde bereits mit dem FC Bayern München in Verbindung gebracht. Schon die „SportBild“ berichtete Tage vor dem Kovac-Aus, dass man in München entsprechende Gedankenspiele bereits im Sommer hatte. Rangnick ist gegenwärtig bei Red Bull als „Head of International Relations and Scouting“ aktiv, könnte aber laut einigen Medienberichten leicht aus diesem Vertrag herauskommen. Für Rangnick spricht jedenfalls, dass er die Liga kennt, über einen hohen Sachverstand verfügt und vor allem auf taktischer Ebene einige Probleme beheben könnte.

(Photo by Reinaldo Coddou H./Bongarts/Getty Images)

Zudem wäre Rangnick ein Kandidat, der beim FC Bayern, sollte es zu einer Übergangslösung auf der Trainerposition mit ihm kommen, nach dem Engagement als Cheftrainer eine weitere Rolle übernehmen kann. Doch hier beginnt es knifflig zu werden. Oliver Kahn wird ab Januar eingearbeitet, Hasan Salihamidzic soll verlängern und möglicherweise sogar befördert werden. Erst wenn sich an der „Brazzo“-Zukunft etwas ändert, ist diese Konstellation um Rangnick denkbar. Einzelne Vorbehalte aus dem internen Bereich beim FC Bayern soll es überdies geben, zudem, so „The Athletic“, soll Rangnick in Bälde Angebote aus England erhalten, die vielleicht auch zu ihm passen.

Charisma und Erfahrung: Arsene Wenger

Zwar ist Arsene Wenger bereits 70 Jahre alt, dennoch könnte er genau der richtige Mann für den Übergang sein. Viele verschiedene Medienberichte deuten darauf hin, dass Wenger ein Kandidat beim Rekordmeister ist. Das war er in der Vergangenheit zwar häufiger, die Rahmenbedingungen passten nicht, die Verbundenheit zu Arsenal war zu groß. Doch jetzt, in dieser Phase, in der eine Übergangslösung zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit denkbar und realistisch ist, könnte es doch noch zu einer Liaison zwischen dem charismatischen Franzosen, der fließend deutsch spricht, und dem FC Bayern kommen.

Neben seinem Charisma und seiner Erfahrung spricht für Wenger, dass er genau die ruhige Art mitbringt, die der Mannschaft derzeit gut tun würde. Natürlich war seine Zeit beim FC Arsenal am Ende auch von Problemen gekennzeichnet und Wenger schien in den letzten Jahren mit den umfangreichen Aufgaben der Kader- und Jugendplanung und gleichermaßen der Betreuung der Mannschaft überfordert, was sich vor allem in defensivtaktischen Mängeln zeigte, aber in München müsste sich Wenger lediglich um die Mannschaft kümmern, ihr mehr Stabilität verleihen und eine fußballerische Verbesserung herbeiführen. Niemand erwartet eine Revolution von einer Übergangslösung, doch wer den „Wengerball“ in der langen Amtszeit des Franzosen beim FC Arsenal kennen und lieben gelernt hat, der wird erkennen, dass man vor allem, wenn man den Angriffsfußball von Erik ten Hag mit dem eines Arsene Wenger vergleicht, zumindest gewisse Parallelen erkennt.

(Photo by Dan Mullan/Getty Images)

Sollte es stimmen, dass, wie die „Bild“ berichtete, Wenger sogar für den Übergang zur Verfügung stehen würde und die Bayern-Bosse wissen, dass der Franzose „Ja“ sagen würde, wenn man ihn kontaktiert, dann hätte diese Lösung zweifelsohne einen gewissen Charme. Dazu passt, dass Wenger mehrfach betonte wieder im Fußballgeschäft arbeiten zu wollen und nichts ausschloss. Als Verbindung zwischen der fehlenden Identität auf dem Platz und dem klaren Stil, den ein Trainer wie ten Hag implementieren will, würde Wenger mit seinem Führungsstil und seinen hohen technischen Anforderungen sicher den Ansprüchen genügen. Seinen Traum als Verantwortlicher an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen könnte er im Sommer 2020 noch immer verfolgen.

Fazit: Der klare Plan ist entscheidend

Flick, Rangnick, ten Hag, Wenger – Kandidaten für die kurz-, mittel- und langfristige Kovac-Nachfolge gibt es genug. Laut „Sky“ hat sich der FC Bayern überdies auch noch bei Thomas Tuchel erkundigt. Insbesondere ten Hag und Tuchel deuten darauf hin, dass Karl-Heinz Rummenigge nun am Zug ist und seinen Plan, seine Wunschvorstellungen vorantreibt. Wie gut diese umsetzbar sind, hängt auch davon ab, wie schnell der Rekordmeister es schafft, sich intern auf einen klaren Plan zu einigen. Das war vor der Kovac-Verpflichtung nämlich ein großes Problem, das letztlich dazu führte, dass Thomas Tuchel nach Paris wechselte.

Für den FC Bayern ist zu hoffen, dass man aus diesen Fehlern gelernt hat. Eine Übergangslösung und eine frühzeitige Sicherung einer langfristigen Lösung wie eben ten Hag oder Tuchel sollte derzeit die wahrscheinlichste Option sein. Doch die Diskussionen werden intern nun erst Fahrt aufnehmen und alle Möglichkeiten dürften durchgesprochen werden. Klar ist jedenfalls, dass diese Entscheidung eine der wichtigsten der letzten Jahre ist. Und die will wohlüberlegt sein.

(Photo by Marc Mueller/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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