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Dortmund: Wieder eine Einheit

17. Dezember 2019 | Spotlight | BY Damian Ozako

Im Fokus | Borussia Dortmund befindet sich im Aufschwung und könnte sich mit einem Sieg heute Abend gegen RB Leipzig endgültig wieder im Meisterkampf zurückmelden. Der Schlüssel zum Erfolg: Die Systemumstellung von Lucien Favre.

Dortmund: Favre fest im Sattel

Nachdem Dortmund in München mit 0:4 unterging und dann gegen den SC Paderborn nur einen Punkt einfahren konnte, wurde die Kritik an Lucien Favre immer lauter. Viele rechneten mit einer Entlassung des Schweizers, aber die Verantwortlichen in Dortmund hielten an ihm fest. Vor der Partie in Berlin hat sich Favre dann mit weiteren Verantwortlichen und dem Mannschaftsrat zusammengesetzt und darüber gesprochen, wie man aus der Krise kommen könnte. Eines der Ergebnisse dieser Besprechung ist die Systemumstellung von einer Vierer- auf eine Dreierkette.

Mittelfeldspieler Julian Weigl hat nach dem Sieg der Dortmunder in Mainz (4:0) betont, dass dieser Systemwechsel der Mannschaft gut getan hat. Es sei „auf jeden Fall der richtige Schritt, um Sicherheit hinten zu bekommen“. Mit Dan-Axel Zagadou ist nun ein dritter Innenverteidiger neben Manuel Akanji und Mats Hummels in der Startelf gesetzt. Der Franzose macht seine Sache bislang sehr gut und Dortmund steht in der Tat defensiv viel besser. Noch klappt es im Kollektiv zwar nicht fehlerfrei, wie die Partie gegen Prag zeigte, aber es ist definitiv ein positiver Trend zu erkennen.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Dortmund offensiv stärker

Das neu installierte 3-4-3 ist jedoch kein rein defensiver Kniff, um die Krise zu überwinden. Dass der BVB in den letzten beiden Bundesligaspielen insgesamt neun Tore erzielte, hat ebenfalls mit der neuen taktischen Ausrichtung zu tun. Dies hat direkt mehrere Gründe. Der bereits erwähnte Zagadou hat nicht nur eine gute Passquote, sondern auch ein wahnsinnig gutes Auge für seine Mitspieler. Seine flachen und präzisen Pässe überwinden die erste Pressingreihe des Gegners und machen das Spiel der Borussen schneller. Akanji schafft es nicht die Zuspiele regelmäßig so scharf zu spielen und Hummels wurde zuvor so unter Druck gesetzt, dass er sich oftmals für lange und hohe Zuspiele entschied. Nun müsste der Gegner direkt zwei Innenverteidiger aggressiv anlaufen, um Dortmunds Aufbauspiel effektiv zu stören. Ein extrem schwieriges Unterfangen.

Wird der Ball ins Mittelfeld befördert, wartet dort nun neben einem klassischen Sechser noch Julian Brandt, der nun (endlich) als Achter zum Einsatz kommt. Im zentralen Mittelfeld ist er mit seinem Profil deutlich besser aufgehoben als auf dem Flügel oder als falsche Neun. Wenn er das Spiel vor sich hat, kann er seine Mitspieler besser in Szene setzen und fördert mit seiner Kreativität den Spielfluss. Brandt kann sich aufgrund cleverer Bewegungen auch mal schnell seinem Gegenspieler entziehen und dann aufdrehen, um sich dann mit hohem Tempo auf die Verteidigung zuzubewegen. Da mit Hakimi, Guerreiro oder wahlweise auch Schulz die Außenverteidiger hoch stehen, gibt es eine Überzahl im Mittelfeld. Auf dem Spielfeld lassen sich dann viele kleine Dreiecke bilden und Dortmund kann sich mit relativ einfachen, aber dafür schnellen Kombinationen aus Pressingsituationen befreien. Das Angriffsspiel wurde dadurch deutlich schneller und flüssiger, als es noch mit der Viererkette der Fall war.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Spieler fühlen sich in ihren Rollen wohl

Vorne wirbeln dann mit Sancho, Reus und Hazard Spieler, die sich aus ihren Formkrisen befreien konnten oder, wie im Falle des Belgiers, jetzt noch stärker auftrumpfen als zuvor. Insbesondere Reus blüht im neuen System auf und profitiert von den vielen Überzahlsituationen im Mittelfeld. Von da aus werden oftmals Spieler auf dem Flügel freigespielt, die sich in Richtung der Grundlinie bewegen. Die Unordnung, die beim Gegner entstanden ist, nutzte der BVB dann zuletzt sehr gut aus. Reus kann sich z. B. jetzt wieder mehr in seinen geliebten Halbräumen bewegen und von dort aus im hohen Tempo auf die Verteidiger zugehen oder Pässe erwarten und selbst den Abschluss suchen. Er sammelte zusammen mit Hazard und Sancho in den letzten vier Pflichtspielen 18 Scorerpunkte. Dass es Paco Alcácer, Mario Götze und Co. gerade nicht in die Startelf schaffen, ist kein Wunder bei solchen Zahlen.

Doch auch ohne diese Statistiken ist es offensichtlich, dass die Umstellung eine extrem gute Entscheidung war. Nicht nur den bereits erwähnten Spielern liegt das neue System, sondern im Grunde allen. Was im ganzen Trubel um Brandt, Zagadou und Reus untergeht, ist Akanjis Formanstieg. Der Schweizer spielte eine schwache Saison, aber blüht jetzt als rechter Innenverteidiger in der Dreierkette auf. Dass Nico Schulz sich als Schienenspieler deutlich besser anstellt, als in der Rolle eines klassischen Außenverteidigers einer Viererkette, ist ebenfalls auffällig.

Dortmund wieder eine Einheit

Es ist offensichtlich, dass Borussia Dortmund auch Selbstvertrauen brauchte, um wieder richtig auf dem Platz zu funktionieren. Das konnte man sich über die letzten Spiele wieder erspielen. Auf dem Platz gibt es nun wieder viel mehr Dynamik, das Spiel der Borussen wirkt deutlich intensiver geführt und die Ordnung auf dem Platz ist wesentlich besser als es in der bisherigen Saison der Fall war. Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen ist nicht mehr so riesig. Das Konstrukt wirkt deutlich kompakter und es gibt für den ballführenden Spieler immer mehrere Anspielstationen. Dortmund presst nun im Kollektiv effektiver und ist nicht mehr so lethargisch in der Balleroberung. Ebenfalls gut zu beobachten: Es werden wieder mehr Läufe in die Tiefe gestartet. Elementar wichtig, um gegnerische Defensiven auseinanderzureißen. Kurz vor der Winterpause präsentiert sich die Favre-Elf wieder als richtige Einheit.

Auf manche Ideen (Brandt im Zentrum, Zagadou in der Startelf, Dreierkette) hätte man durchaus früher kommen können, da sie recht offensichtlich wirken. Doch so einfach ist es im Fußball nicht immer. Was für Borussia Dortmund wirklich relevant ist: Die Umstellungen kamen noch nicht zu spät. Mit einem Sieg gegen Leipzig wäre man wieder mitten im Titelkampf. Vor wenigen Wochen noch undenkbar.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Damian Ozako

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


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