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Er kam, sah und traf: Ruud van Nistelrooy beim Hamburger SV

14. April 2020 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Ruud van Nistelrooy, die eiskalte niederländische Tormaschine, blickt auf eine ereignisreiche und vor allem erfolgreiche Karriere zurück. Ein Kapitel dieser Karriere wurde in der Bundesliga geschrieben.

Viele Spieler entwickelten sich in der Bundesliga zu großen Stars, gingen hierzulande einen großen Schritt. Das traf auf Tomas Rosicky zu, aber auch auf Diego, Rafael van der Vaart oder Aliaksandr Hleb. Von Deutschland aus ging es für diese Spieler nicht selten zu einem ausländischen Topklub. Doch vereinzelt wechselten große Namen auch in die Bundesliga, wenn auch erst in der Endphase ihrer Karriere. Wie Ruud van Nistelrooy.

Van Nistelrooy: Eine Reise der überlegten Schritte

Rutgerus Johannes Martinus van Nistelrooy wurde am 1. Juli 1976 in Oss geboren. Nachdem er zunächst bei Amateurklubs spielte, wechselte er im Jahr 1993 zum FC Den Bosch – in die zweite niederländische Liga. Dort verbrachte van Nistelrooy vier Jahre und spielte im Mittelfeld, erzielte während seiner Zeit 17 Tore in der Liga. 1997 folgte der Transfer zum SC Heerenveen und ein Positionswechsel. Ruud van Nistelrooy wurde fortan als Stürmer eingesetzt, was sich auszahlen sollte. Nach nur einem Jahr in Heerenveen (13 Ligatore) folgte nämlich der Sprung zur PSV nach Eindhoven. 

(Photo by ROBERT VOS/ANP/AFP via Getty Images)

Die 12 Millionen Gulden (umgerechnet knapp 5,5 Millionen Euro), die die PSV nach Heerenveen überwies, waren gleichbedeutend mit einem Rekordtransfer zwischen zwei Klubs aus den Niederlanden. Ruud van Nistelrooy zeigte sich davon unbeeindruckt. In seiner Debütsaison in Eindhoven gelangen ihm prompt 31 Ligatreffer. Damit wurde er zum Fußballer des Jahres gewählt und machte sich auch international einen Namen.

Schnell war klar, dass auch die PSV nur eine Durchgangsstation sein würde. Nach 62 Treffern in 67 Ligaspielen – auch bedingt durch einige Verletzungssorgen – verließ van Nistelrooy seine Heimat und wechselte für die britische Rekordsumme von 28,5 Millionen Pfund zu Manchester United. Dort verlebte er fünf erfolgreiche Jahre, ehe der nächste Wechsel auf hohem Niveau, diesmal zu Real Madrid, erfolgen sollte.

Am Ende seiner Zeit bei den Königlichen, im Winter 2010, konnte der Angreifer auf eine herausragende Karriere zurückblicken. Van Nistelrooy wurde zweimal niederländischer Meister, gewann die Premier League, den FA-Cup, den League Cup, zweimal die spanische Meisterschaft, stand 2003 im UEFA-Team des Jahres, wurde dreimal Fußballer des Jahres in den Niederlanden, einmal in England, dazu einmal Premier League Player of the Season (2003). 

Einfach nur ein herausragender Stürmer

Ruud van Nistelrooy war nie ein herausragender Dribbler, kein Edeltechniker, der auf dem Feld außerhalb des Angriffsdrittels Einfluss nahm. Der Niederländer zeichnete sich vor allem durch seine Torjägerqualitäten aus. Mit links, mit rechts, mit dem Kopf oder was der Körper noch so hergab: Ihm war es völlig egal, wie er seine Tore erzielte. Hauptsache, er traf überhaupt. Für die gegnerische Defensive sind vor allem diejenigen Spieler, die kaum ausrechenbar sind, schwer zu verteidigen.

 (Photo by Clive Rose/Getty Images)

326 Pflichtspieltore erzielte Ruud van Nistelrooy in seiner Karriere, viele davon waren nicht schön. Doch dieser Spieler definierte sich nicht über Schönheit, nicht über Finesse. Ihm war wichtig, dass er dazu beitragen kann, seine Mannschaft zum Sieg zu führen. Mit seiner beeindruckenden Statur konnte er gegnerische Defensivspieler zur Verzweiflung bringen. Gleichzeitig war van Nistelrooy auf den ersten Metern sehr schnell, verschaffte sich mit seiner Ballannahme häufig schon einen Vorteil, schaltete blitzschnell, wenn sich eine Chance ergab. 

Die Antrittsschnelligkeit, der präzise Abschluss und die gute Physis sind wichtige Attribute, aber viele Stürmer sind mit solchen Qualitäten ausgestattet. Der Unterschied zwischen guten und herausragenden Stürmern ist aber oft eine Fähigkeit, die man nicht trainieren kann: Instinkt. Und diesen Instinkt hatte Ruud Van Nistelrooy. Er bewegte sich clever, besetzte die richtigen Räume, löste sich im exakt richtigen Sekundenbruchteil von seinem Gegenspieler und wusste vor allem auch im 1-gegen-1 stets, mit welcher Art Abschluss er den Torhüter überwinden kann.

Van Nistelrooy: Schnell in Hamburg angekommen

Nicht wenige Fußballfans hierzulande rieben sich verwundert die Augen, als im Januar 2010 bekannt wurde, dass Ruud Van Nistelrooy zum Hamburger SV wechselte. Zu diesem Zeitpunkt war der HSV ein regelmäßiger Teilnehmer am Europapokal, dennoch kam dieser Neuzugang, einer absoluten Ikone im Weltfußball der letzten Jahre, sehr überraschend. Für den Niederländer musste der HSV nicht einmal eine Ablösesumme nach Madrid überweisen. Ein halbes Jahr vor Vertragsende ließen die Königlichen den damals 33-jährigen ablösefrei ziehen.

(Photo by Thomas Starke/Bongarts/Getty Images)

Das Debüt von Ruud van Nistelrooy in der Bundesliga verlief unspektakulär. Lediglich eine Minute durfte er beim 3:3 in Köln spielen, nachdem er zuvor noch angeschlagen fehlte. Den ersten großen Knalleffekt sollte es sieben Tage später in Stuttgart geben. Beim Stand von 1:1 wechselte HSV-Trainer Bruno Labbadia Mladen Petric aus und brachte den Niederländer.

Trotz seines fortgeschrittenen Alters und seiner aufgrund von zahlreichen Verletzungen nicht mehr vollumfänglich vorhandenen Dynamik strahlte van Nistelrooy sofort etwas aus, ihn umgab eine gewisse Aura. Kommt ein junger, schneller Flügelspieler auf den Platz, dann wissen die Verteidiger, dass sie viel sprinten, möglicherweise zu Fouls greifen müssen. Man muss ständig wachsam sein. Doch bei Stürmern wie van Nistelrooy ist es anders. Sie schlagen ohne Vorwarnung zu, wirken teilnahmslos, bis sie urplötzlich ein Spiel entscheiden, mit einer Bewegung, einem Schuss.

(Photo by Alexandra Beier/Bongarts/Getty Images)

Zehn Minuten nach der Einwechslung wurde ein langer Freistoß in Richtung Strafraum gespielt, Tesche verlängerte – und van Nistelrooy setzte sich einen Meter von seinem Gegenspieler ab, nahm den Ball direkt und traf. Nur zwei weitere Minuten danach spitzelte Marcus Berg die Kugel zu van Nistelrooy und dieser benötigte wieder nur einen Kontakt, um den Ball mit rechts in aller Seelenruhe ins lange Eck einzuschieben. Das Spiel war entschieden, van Nistelrooy angekommen. 

Van Nistelrooy beim HSV: Ein Erlebnis

In seiner erste Halbsaison beim Hamburger SV ging es für Van Nistelrooy sogar bis in das Halbfinale der UEFA Europa League. Dort war gegen den FC Fulham Schluss, zuvor traf der Angreifer jeweils einmal gegen Anderlecht und Standard Lüttich. In der Bundesliga sollten Tore gegen Schalke, Nürnberg und Bremen folgen. Für die Fans des HSV und in der ganzen Bundesliga war die Zeit, in der „Van the Man“ die Raute auf der Brust trug, eine ganz besondere. Es war ein Erlebnis, einen solchen Spieler im oberen Mittelfeld der Bundesliga um Tore und Torchancen arbeiten zu sehen.

Auch in der Saison 2010/11 blieb sich Ruud van Nistelrooy treu. Sein durch jahrelange, aufreibende Duelle geschundener Körper konnte nicht mehr so viele Zweikämpfe gewinne und war durch zahlreiche Blessuren gezeichnet, aber noch immer hatte jeder Gegner Respekt, wenn der mittlerweile 34-jährige auf dem Platz stand oder eingewechselt wurde.

(Photo by Joern Pollex/Bongarts/Getty Images)

Und die Saison begann sehr gut! Gegen Schalke traf van Nistelrooy gleich im ersten Spiel der Bundesliga doppelt, zuvor gelang ihm im DFB-Pokal sein erster Hattrick im Trikot des HSV. Am zweiten Spieltag gegen Frankfurt erzielte der Niederländer seinen sechsten Pflichtspieltreffer, ließ vier Spiele später gegen Bremen den siebten folgen. Van Nistelrooy nahm die Bundesliga keineswegs auseinander, aber er zeigte seine Klasse regelmäßig und war – auch wenn er im kombinativen Bereich wenig Einfluss nahm – wichtig für die Mannschaft. Und wenn es darum ging, gegnerische Verteidiger zu binden. 

Im Winter der Saison 2010/11 herrschte kurzzeitig Aufregung, als Real Madrid van Nistelrooy noch einmal lockte und ihn als Ersatz für den verletzten Higuain kurzfristig verpflichten wollte. Der HSV blockte ab, der Niederländer verlängerte seinen auslaufenden Vertrag nicht mehr, kam in der Rückrunde der Bundesliga nur noch zu vier Torbeteiligungen in Hamburg. Sein letztes Tor erzielte er im April gegen Borussia Dortmund, sein letztes Spiel für den HSV absolvierte er am letzten Spieltag gegen Gladbach. Ruud van Nistelrooy verabschiedete sich, indem er beim 1:1 den einzigen Treffer des HSV vorbereitete. Ein Assist war also seine „letzte Amtshandlung“ bei den Rothosen, was für eine Ironie.

Anschließend unterschrieb der Stürmer noch beim FC Malaga. Dort traf er in 32 Spielen immerhin noch fünfmal, qualifizierte sich mit dem Klub für die Champions League. Nach der Saison beendete der große Ruud van Nistelrooy dann endgültig seine Laufbahn – nach 326 Toren und 66 Vorlagen in 516 Pflichtspielen. Beeindruckend. 

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(Photo by Joern Pollex/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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