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Die Bayern-Romanze: Wie Ribéry und Robben Geschichte schrieben

24. Mai 2019 | Spotlight | BY Nico Scheck

Spotlight | That’s it! Franck Ribéry und Arjen Robben sagen dem FC Bayern München nach zwölf bzw. zehn Jahren „Au Revoir“ und „Doei“. Zwei Spieler, die beim deutschen Rekordmeister eine neue Ära eingeläutet und geprägt haben. Zwei Spieler, die Geschichte geschrieben haben. Zwei Spieler, die der Bundesliga fehlen werden.

Es ist kitschig. Es ist so kitschig, dass man beinahe das Gefühl hat, im Sonntagabend-Programm vom ZDF gelandet zu sein. In seinem letzten Pflichtspiel in der Allianz Arena trifft Franck Ribéry für den FC Bayern. Gegen Eintracht Frankfurt. Im Spiel um die deutsche Meisterschaft. Arjen Robben trifft kurze Zeit später ebenfalls. Auch für ihn ist es sein letztes Pflichtspiel in der Allianz Arena. Rosamunde Pilcher wäre stolz und Inga Lindström schreibt möglicherweise schon an einem neuen Drehbuch. 

Es sind diese Geschichten, die nur der Fußball schreibt, um die wohl größte Phrase aller Zeiten zu bemühen. Denn wer hätte bitte gedacht, dass Ribéry und Robben eines Tages in einem Atemzug mit den ganz Großen des Klubs genannt werden würden. Sie selbst? Vermutlich auch nicht. 

Bayern ist im Jahr 2007 nur „skandalöser“ Vierter in der Bundesliga und verpasst zum gefühlt ersten Mal seit der Steinzeit die Qualifikation für die Champions League. Der Verein braucht eine neue Idee, eine neue Marschroute. So, da sind sich alle beim FCB jedenfalls einig, darf es nicht weitergehen.

(Photo by Astrid Schmidhuber/Bongarts/Getty Images)

Ribéry wird am 7. Juni 2007 an der Säbener Straße als Neuzugang vorgestellt, neben ihm grinst der zweite Neuzugang, Luca Toni, in die Kameras. Ersterer ist für eine für damalige Verhältnisse satte Millionen-Summe nach München gewechselt. Es ist der Anfang eines neuen Zeitalters beim FCB, der mit Partien gegen Belenenses SAD, SC Braga und Aris Thessaloniki im UEFA-Cup beginnt und in dem historischen Triple 2013 seinen Höhepunkt findet. 

Ribéry spielt Streiche, Robben tritt einen Schritt zurück

Der französische Strahlemann bringt frischen Wind in die Bayern-Kabine und Tempo ins zum Schneckentempo verkommene Spiel des deutschen Rekordmeisters. Abseits des Platzes spielt er Streiche, und davon reichlich. Keine Türklinke ist vor Senf oder Zahnpasta sicher, die Zuckerstreuer beinhalten plötzlich Salz und andersherum und selbst der gefürchtete Chef Oliver Kahn bekommt vom Filou eine satte Wasser-Dusche vom Dach der Geschäftsstelle des Vereins verpasst. 

Doch Ribéry kann man diese Streiche nicht übel nehmen, auf dem Grün zeigt er von Tag eins an sein großes Können, sprintet, dribbelt, schießt und flankt die Gegner reihenweise in Grund und Boden. Auf dem Platz wird man knapp zwei Jahre später das gleiche über Robben sagen. Doch es braucht einen krachenden K.o. im Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Barcelona und eine herbe Transferoffensive von Real Madrid, bis es den niederländischen Wirbelwind in die bayrische Landeshauptstadt verschlägt. 

Dabei sieht es Robben zunächst als „Rückschritt“ an, wie er Jahre später verrät. Immerhin sei der Klub zu diesem Zeitpunkt „nicht in der europäischen Elite wie heute“ gewesen: „Der Kontakt zu den Bayern war da, aber es war eine schwierige Entscheidung, die schwierigste meiner Karriere.“ 

(Photo by Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images)

Dass er vier Jahre später zu „Mr. Wembley“ werden würde, ahnt zu diesem Zeitpunkt wohl niemand. 

Kein FC Ribéry und auch kein FC Robben

Ab 2009 heißt es beim FCB „Robbery“, Rib und Rob, auf den Flügeln. Zusammen bilden sie das beste Außenbahn-Duo aller Zeiten bei den Roten, explosiv, aber auch impulsiv. In der Halbzeitpause des Königsklassen-Halbfinals gegen Real Madrid 2012 kommt es zu einer Auseinandersetzung beider, Rib schlägt Rob, Rob denkt, es geht nicht mehr weiter für ihn, wie er Jahre später erzählt. Es geht aber doch weiter für ihn. 

Zunächst im „Finale dahoam“ gegen den FC Chelsea, wo Robben die Nerven versagen. Binnen weniger Wochen sammelt der FC Bayern drei Silbermedaillen, in einem Sport, in dem die Silbermedaille nichts wert ist. Robben wird zum Buhmann, die Fans kritisieren sein Ego, pfeifen ihn sogar aus. Erneut denkt Robben, dass es für ihn nicht weitergeht beim FCB. 

Doch es geht wieder weiter. Ribéry und Robben raufen sich zusammen, denn sie haben das gleiche Ziel: Der Henkelpott. Dafür soll das eigene Ego hinten angestellt werden, Ribéry betont: „Es ist egal, wer das Tor macht. Hier ist nicht der FC Ribéry oder der FC Robben.“ Und so kommt es. Bayern jagt durch die Saison 2012/13, angeführt von Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm, angetrieben von der Gier nach dem lang ersehnten CL-Titel, angekurbelt über die Außen. Ribéry auf links, Robben auf rechts, Ribéry mit rechts, Robben mit links. 

(Photo by ADRIAN DENNIS/AFP/Getty Images)

Der Rest ist x-fach erzählt, geschrieben und selbstverständlich auch verfilmt worden. Noch heute singen die Fans des FC Bayern dieses Lied in Erinnerung an Wembley: „Ich hab’ geträumt von dir, von unsrer Wembley-Nacht! Wir haben den Cup gewonnen, den Thron erklommen, der Arjen hat’s gemacht!“ Es ist fast schon kitschig, dass ausgerechnet der Buhmann, der Verschmähte des Jahres 2012 ein Jahr später seinen Klub auf den Fußball-Olymp hievt. Kitschig, und es ist vor allem richtig. Und natürlich: Die Vorlage kam von Ribéry. 

Wer braucht schon Real Madrid?

Ribéry und Robben, „Robbery“, Rib und Rob, sie beide verlassen den FC Bayern als Legenden, als Volkshelden, als Teil einer Münchner Generation, die den Klub wieder in Europas Elite geführt hat. „Sie werden nicht vergessen, was ich für den Klub gemacht habe, aber ich werde auch nicht vergessen, was die Leute hier für mich getan haben“, beschreibt Ribéry auf einer eigens für  ihn einberufenen Abschieds-Pressekonferenz die Beziehung zwischen Verein und seinem nicht immer einfachen, aber stets ehrlichen und unverstellten „König Franck“. 

In Zeiten des Trainings-Boykotts bei der französischen Nationalmannschaft, der Goldsteak-Affäre und dem Skandal um eine minderjährige Prostituierte steht der Klub immer hinter Ribéry und Ribéry findet endlich Ruhe in einem Verein, von dem er zunächst dachte, es sei „nur“ eine Zwischenstation auf dem Weg ganz nach oben zu Real Madrid. Real Madrid rief dann auch an,  damals, 2010, doch Ribéry war zu diesem Zeitpunkt längst angekommen. 

„Man muss da auch seinen Hintergrund kennen“, betonte Eurosport-Experte Matthias Sommer jüngst über den französischen Bayer, den er selbst als FCB-Sportvorstand hautnah erlebt hat. Sein Hintergrund, das ist der Schulhof in Boulogne-sur-Mer, eine französische Gemeinde in der Region Hauts-de-France, wo er wegen seiner durch einen Autounfall erlittenen Narben im Gesicht oft als „Quasimodo“ geschimpft wird. Sein Hintergrund ist auch die Straßenarbeit zusammen mit seinem Vater, als die Fußballerkarriere schon zu scheitern drohte, ehe sie begonnen hatte. 

Ganz anders sein kongenialer Pendant auf links: Robben startet schnell durch, erst in den Niederlanden, dann beim FC Chelsea, dann bei Real Madrid. Als die Ronaldos und Kakás aber plötzlich vor der Tür stehen, muss sich Robben entscheiden, und er entscheidet sich für den FC Bayern. „Das war mein wichtigster Schritt meiner Karriere, der beste Transfer“, ist sich der Mann mit der Nummer zehn heute sicher. 

(Photo RONNY HARTMANN/AFP/Getty Images)

All die Liebe, der Respekt und die großen wehmütigen Worte zum Abschied beruhen auf Gegenseitigkeit. „Franck und Arjen sind großartige Spieler. Der FC Bayern hat beiden sehr viel zu verdanken. Sie haben die erfolgreichste Dekade des FC Bayern mit fantastischem Fußball mitgeprägt“, schwärmt auch Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Zwölf Jahre der Franck, zehn der Arjen. Zusammen schossen sie 268 Tore und bereiteten 283 weitere Treffer vor, Werte für die Geschichtsbücher. Wer kann sich den FC Bayern ohne diese beiden vorstellen? Der Gedanke  daran fällt zumindest sehr schwer.

Der letzte Akt

Zurück zum ZDF-Sonntagabend-Programm: 3:1 steht es gegen Eintracht Frankfurt, als Europas ehemals meist gefürchtete Flügelzange seinen letzten Auftritt in der Bundesliga erhält. Und wie! Ein Wackler nach links, einer nach rechts, ein Chip und drin ist das Ding. Ribéry macht’s auf seine letzten Tage beim FC Bayern wie in seinen besten. Und Robben legt nach, na klar. 

Rib und Rob jubeln, das Stadion bebt, Hoeneß weint, Kovac schwärmt: „Das kann man nicht besser inszenieren, das kann man nicht besser schreiben.“ Vielleicht doch. Denn einen Akt hat die „Robbery“-Saga noch. Am Samstag. In Berlin. Im Pokalfinale gegen RB Leipzig. Es wäre Robbens 16. Titel im Bayern-Dress, bei Ribéry sogar der 18. Vielleicht haben sich beide die Pointe für den Schluss aufgehoben. Nach zwölf, bzw zehn Jahren mit Titeln, Tränen, Frust, Freude, Finten, Späßen, Streits und einfach unglaublich vielen tollen Momenten. 

Vielleicht heißt es am Samstag ein letztes Mal Ribéry auf links, Robben auf rechts, Ribéry mit rechts, Robben mit links. Es wäre kitschig, und es wäre richtig. Inga Lindström hält schon den Stift bereit.

Nico Scheck

(Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Nico Scheck

Aufgewachsen mit Elber, verzaubert von Ronaldinho. Talent reichte nur für die Kreisliga, also ging es in den Journalismus. Seit 2017: 90PLUS. Manchmal: SEO. Immer: Fußball. Joga Bonito statt Catenaccio.


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