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Gareth Bale bei Real Madrid: Es ist kompliziert

4. März 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Im Sommer 2013 verpflichtete Real Madrid Offensivspieler Gareth Bale von den Tottenham Hotspurs und zahlte mehr als 100 Millionen Euro für den Waliser. Zusammen mit Cristiano Ronaldo und Karim Benzema sollte Bale ein spektakuläres Offensivtrio bilden. Zwar war Bale Teil der Mannschaft, die dreimal in Folge die Champions League gewinnen konnte und erzielte wichtige Tore, unter anderem im Finale gegen den FC Liverpool, trotzdem stand er häufig im Schatten von Cristiano Ronaldo. Der spielt nun bei Juventus Turin, im Mittelpunkt steht Bale trotzdem nicht.

Gute Zahlen, aber…

Die Zeit von Gareth Bale bei Real Madrid begann durchaus vielversprechend. In seiner Debütsaison legte er in 44 Spielen beeindruckende Zahlen hin, traf 22-mal, bereitete 19 Treffer vor, spielte eine gute Rolle in der Champions League und schien sich schnell eingelebt zu haben. Bale hatte einen enormen Wert für die Mannschaft, startete in 6 der 7 K.O.-Spiele in der Königsklasse und gewann mit Real Madrid den Titel. Auch in der Folgesaison, in der er mit 4038 Einsatzminuten die meisten in seiner Zeit bei den „Königlichen“ sammelte, spielte er mit 29 Torbeteiligungen eine gute Saison, der Stammplatz war ihm sicher. In den darauffolgenden Spielzeiten musste Bale aber immer häufiger verletzungsbedingt aussetzen, Wadenverletzungen, Sprunggelenksprobleme und weitere Blessuren brachten ihn immer wieder aus dem Rhythmus.

(Photo FILIPPO MONTEFORTE/AFP/Getty Images)

Die Zahlen waren dennoch weiterhin formidabel. 2015/16 gelangen ihm 33 Scorerpunkte in 31 Spielen, 2016/17 waren es 15 Torbeteiligungen in 27 Spielen, 2017/18 schaffte der Waliser 28 Scorerpunkte in 39 Spielen. Und das, obwohl er sich häufig herankämpfen musste, in keiner dieser Saisons mehr als 2400 Minuten auf dem Platz stand. Wenn Bale topfit war, dann erzielte er seine Tore, bestach durch sein Tempo und entschied Spiele. Aber dennoch hatte man das Gefühl, dass er mehr kann, dass noch mehr in Bale steckt. Der ganz große Schritt zu einem der dominantesten, spektakulärsten Offensivspieler der Welt wollte irgendwie nicht gelingen, was einerseits mit den Verletzungen zu tun hat, aber auch andere Gründe hatte. Der Wert, den Bale für die Mannschaft hatte, wurde geringer, der Waliser wirkte mit zunehmender Dauer austauschbar, weil Alternativen vorhanden waren, die disziplinierter agierten, besser zum Konzept von Zinedine Zidane passten.

In den K.O.-Spielen nicht immer gefragt

Gareth Bale konnte also, auch bedingt durch Verletzungen, sein hohes Niveau nicht konsequent auf den Platz bringen und den letzten, kleinen Schritt in seiner Entwicklung, den er sich durch den Wechsel zu Real Madrid erhoffte, nicht gehen. Dass Bale auch für den Trainer ab einem gewissen Zeitraum austauschbar war, beweisen die Zahlen. Stand er von 2014-2016 noch in 15 von 18 möglichen K.O.-Duellen in der Champions League auf dem Platz, war es in der Spielzeit 2017/18 nur noch eines von sieben Spielen, das Bale von Beginn an absolvieren durfte. Bezeichnend: Dieses Spiel wurde mit 1:3 gegen Juventus Turin verloren, Bale wurde bereits in der Halbzeitpause ausgewechselt. Zinedine Zidane vertraute in der Offensive Karim Benzema und Cristiano Ronaldo, bot dazu den technisch versierten Isco auf.

Die Qualitäten eines Gareth Bale waren zumindest von Beginn an einfach nicht gefragt. Einen zielstrebigen Abschlussspieler hatte man mit Cristiano Ronaldo bereits auf dem Platz, durch den intensiv für den Portugiesen arbeitenden Benzema und Isco, der sehr ballsicher war und im Zusammenspiel mit dem restlichen Mittelfeld Chancen kreieren konnte, war die Besetzung für das Zidane-System ideal, Bale musste sich darauf konzentrieren als Joker einen Einfluss auf das Spiel zu haben. Auch in dieser Saison muss sich Bale gedulden. In den beiden Clasicos in der Copa del Rey stand er nicht in der Startelf, im Liga-Clasico zuhause gegen den FC Barcelona blieb er trotz eines Startelfeinsatzes blass. Immerhin in der Champions League gegen Ajax Amsterdam durfte er starten, ob er im Rückspiel von Beginn an auflaufen wird, darf aber zum jetzigen Zeitpunkt angezweifelt werden. Man muss es nach der Entwicklung der letzten Monate einfach so deutlich sagen: Gareth Bale ist kein klarer Startelfkandidat mehr bei Real Madrid – und das, obwohl die „Königlichen“ auf einen großen Transfer in der Offensive verzichtet haben.

Nicht vom Abgang Ronaldos profitiert

Nach dem Abgang von Cristiano Ronaldo und mit der Verpflichtung eines neuen Trainers standen die Zeichen nicht schlecht, dass Gareth Bale wieder unverzichtbar wird. Und obwohl der Waliser in dieser Saison von den großen Verletzungssorgen verschont blieb und bisher immerhin etwas mehr als 2000 Spielminuten sammelte, profitierte er nicht unbedingt vom Ronaldo-Abgang. Weder unter Julen Lopetegui noch unter Santiago Solari spielt Bale auf allerhöchstem Niveau. 13 Tore und 5 Vorlagen mögen zum jetzigen Zeitpunkt sehr ordentlich klingen, diese Zahlen sind aber nicht der Anspruch, den Gareth Bale an sich selbst hat, vor allem nachdem die Scoringmaschine Ronaldo den Verein verlassen hat.

(Photo by GABRIEL BOUYS/AFP/Getty Images)

Doch nicht Bale, sondern Karim Benzema profitierte davon. Der Franzose, der in den letzten Jahren mehr die Zuarbeiterrolle als die des Vollstreckers inne hatte, spielt eine sehr gute Saison, erzielte bereits 20 Pflichtspieltreffer und ist nun der Zielspieler der „Königlichen“. Spielt Bale auf der Außenbahn, dann sucht der Waliser häufiger den Abschluss, hat dabei aber eine deutlich schlechtere Torquote als sie Ronaldo in den Jahren zuvor hatte. Bale misslingen gewisse Dinge, die Rückwärtsbewegung ist bei Real Madrid ohnehin phasenweise ein Problem in der laufenden Saison und so führt ein Problem für Bale zum anderen.

Isolation, interne Probleme

Doch auch im zwischenmenschlichen Bereich scheint es Probleme zu geben. Laut Journalist José Felix Diaz, der für die realnahe „Marca“ arbeitet, waren einige Spieler aus dem Kader von Real Madrid alles andere als begeistert, als sie erfuhren, dass Bale im Clasico in der Liga von Beginn an auflaufen darf. Die Spieler, so Diaz, haben das Gefühl, dass Bale nicht spielen sollte, weil er sich nicht für das Team engagiert, sich nicht einbringt. Und in der Tat konnte Bale weder für individuelle Highlights sorgen, noch wirkte die Offensivabteilung der „Königlichen“ in irgendeiner Art besonders gut abgestimmt oder homogen. Die besten Gelegenheiten wurden, wie auch schon im Spiel ohne Bale, vom jungen Vinicius Junior eingeleitet.

Schon seit geraumer Zeit gibt es Gerüchte wonach Gareth Bale im Team isoliert ist, es interne Probleme gibt. Ein Mitgrund dafür soll sein, dass der Waliser kaum ein Wort spanisch spricht, die Kommunikation mit seinen Mitspielern beschränkt sich dementsprechend auf ein Minimum. Bale-Berater Bennett verneinte zwar, dass es Probleme zwischen dem Waliser und seinen Teamkollegen gibt, die übereinstimmenden Berichte und die Aussage von Marcelo, der bestätigte, dass Bale kaum spanisch spricht, deuten aber alle in die gleiche Richtung. Der Spieler ist also auch ein wenig selbst Schuld an seiner Situation und momentan sieht es durchaus so aus als hätte man bei Real Madrid den Entschluss gefasst, Bale für den Sommer auf dem Markt zu platzieren. Wirklich überraschend ist das nicht.

Gibt es überhaupt adäquate Interessenten für Bale?

Doch hier entsteht sofort ein neues Problem. Ja, Gareth Bale ist ein Spieler, der eine enorme Qualität mitbringt, mit 29 Jahren im idealen Fußballalter ist und noch mehrere Jahre auf einem hohen Niveau spielen kann. Allerdings zeigte er dieses hohe Niveau in den letzten Jahren nur sehr unregelmäßig, seine Außendarstellung ist zurzeit alles andere als ideal. Und: Bale steht in Madrid noch bis 2022 unter Vertrag, wird also alles andere als günstig. Die Liste der Vereine, die über die Möglichkeiten verfügen um einen Spieler wie Gareth Bale hinsichtlich Ablöse und Gehalt zu finanzieren und gleichzeitig auch noch Bedarf haben, ist verhältnismäßig gering.

Real Madrid wird den Waliser, für den man eine dreistellige Millionensumme ausgegeben hat, 3 Jahre vor Vertragsende nicht verscherbeln, auch wenn eine Trennung möglicherweise der richtige Schritt wäre. Sollte sich für Bale eine Möglichkeit ergeben, beispielsweise eine Rückkehr nach England, dann wird dieses Thema im Sommer wohl durchaus interessant. Allerdings sollte man, gerade weil sich bei den „Königlichen“ auf der Trainerposition etwas ändern könnte, einen Verbleib in Madrid keinesfalls ausschließen. Gareth Bale könnte also noch eine letzte Chance erhalten.

(Photo by PAUL ELLIS/AFP/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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