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Gladbach und das zentrale Mittelfeld: Bestandsaufnahme

16. August 2017 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Bereits Ende April analysierten wir das bevorstehende „zentrale“ Problem von Borussia Mönchengladbach und blickten voraus auf den Abgang von Mahmoud Dahoud und das dadurch entstehende Kreativitäts- und Qualitätsvakuum auf der Königsposition im Fußball. Wir waren der Meinung, dass die Borussia trotz Laszlo Benes, der sich zunehmend besser integrierte, noch zwei neue Spieler für diese Position verpflichten sollte. Mit Denis Zakaria kam nun nur ein Spieler, abgesehen vom 17-jährigen Cuisance.

Wie gut ist diese Verpflichtung für die Borussia? Hat Max Eberl noch ein Hintertürchen offen nach der schweren Verletzung von Tobias Strobl? Welche Komponente bringt Zakaria mit und wie kann sich das Mittelfeld kurz- und mittelfristig aufstellen? Diesen Fragen gehen wir nun nach.

Die neue Situation

Mit Christoph Kramer, Tobias Strobl, Denis Zakaria, Laszlo Benes und Mickael Cuisance stehen nun 5 Spieler im Aufgebot, die im zentralen Mittelfeld eingesetzt werden können, sogar Mathias Ginter kann vor der Abwehr im Zentrum agieren. Doch es geht nicht primär um Quantität, sondern um die Qualität. Strobl ist nicht mehr als ein solider Backup, der ordentlich arbeitet, aber keine großartigen fußballerischen Elemente einbringt. Neuzugang Cuisance hat in der Vorbereitung seine Einsätze bekommen, sollte aber eher als Perspektivspieler angesehen werden und noch nicht vollwertiges Mitglied der Profimannschaft sein.

(Photo by Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Christoph Kramer wurde in der Vergangenheit auch nicht gerade von Verletzungen verschont, ist aber in Topform ein wichtiger Bestandteil des Mittelfeldes. Die Situation von Laszlo Benes ist nicht einfach. Nach guten Ansätzen in der Rückrunde und einigen Spielen fuhr Benes mit viel Selbstvertrauen zur U21-Europameisterschaft, kam dort aber über Jokereinsätze nicht hinaus. Benes muss weiter an sich arbeiten, wird aber durch die Strobl-Verletzung automatisch zu Einsätzen kommen. Matthias Ginter ist wohl nur als Notlösung eingeplant, wenn zu viele Ausfälle das Mittelfeld dezimieren. Und dann ist da ja noch der Neuzugang aus der Schweiz.

Was kann Denis Zakaria?

Der 20-jährige Zakaria wechselte für 12 Millionen Euro von den Young Boys zur Borussia und ist ein typischer Transfer von Max Eberl. Zunächst kursierten verhaltene Gerüchte um einen Transfer nach Gladbach, dann war lange Zeit Ruhe und plötzlich war Zakaria da. 2015 wechselte Zakaria von Servette zu den Young Boys und war prompt ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft, spielte sich im defensiven Mittelfeld fest, absolvierte 33 Pflichtspiele. In der vergangenen Saison packte er noch einmal 600 Pflichtspielminuten drauf, absolvierte 34 Pflichtspiele, startete häufiger und war unverzichtbar für die Schweizer.

Der Nationalspieler besticht durch seine Dynamik und kann den Ball auf engstem Raum gut behaupten. Er ist kein spielmachender Akteur im zentralen Mittelfeld, aber trotzdem nicht unwichtig für die Offensive. Sein Aufbauspiel ist ordentlich, seine langen Bälle häufig recht genau, auch wenn der letzte Schuss Kreativität fehlt. Viele Scorerpunkte gelangen Zakaria nicht, dafür spielte er gelegentlich den Pass, der schließlich zu dem Assist führte. Er kann im Verbund mit Kramer oder dem offensiveren Benes sicherlich eine gute Rolle spielen, ist zweikampfstark, mit seinen 1,91m ein hervorragender Kopfballspieler und kann sich gewisse Qualitäten, die im Offensivspiel nützlich sind, durchaus noch aneignen.

Kreativitätsvakuum? Jein!

Bereits in der letzten Saison war man in Gladbach von der Tagesform von Dahoud abhängig. Die Lücke, die durch seinen Abgang entstand, wurde nur bedingt geschlossen. Einen technisch so versierten Spieler mit guten Ideen hat man jetzt nicht mehr im Kader, dafür mehr Robustheit, mehr Kopfballstärke und mehr Dynamik. Ob das der richtige Weg für die Borussia ist, wird sich zeigen, aber Dieter Hecking hat diesen Verpflichtungen und dieser Herangehensweise zugestimmt, scheint mit der jetzigen Zusammensetzung zufrieden zu sein. Positiv ist, dass Einsätze für die jungen Benes und Cuisance möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich sind.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Schwierig wird es aber dennoch, Gelegenheiten gerade gegen tiefstehende Gegner aus dem Mittelfeldzentrum zu initiieren. Die Gladbacher müssen also eine andere Lösung finden, die Außenspieler mehr einbinden, auf den Flügeln für Überzahlsituaitonen sorgen. Zudem sind Raffael und Stindl als Zweierspitze fußballerisch auf einem sehr hohen Niveau, der flexibel einsetzbare Hazard und Neuzugang Grifo sind zudem zwei Kandidaten für kreative Momente, wenn auch eher nicht aus der Tiefe heraus. Wurde also in Gladbach bewusst darauf verzichtet im Zentrum vor der Abwehr im Kreativbereich nachzulegen? Wird Dieter Hecking das Spielsystem bewusst anpassen? Die ersten Wochen der Saison werden Licht ins Dunkle bringen.

Die weitere Planung

Ob sich in dieser Saison noch etwas auf der Position des Mittelfeldspielers tut, bleibt abzuwarten. Es scheint so, als würde die Borussia mit diesen, jetzt vorhandenen Spielern planen und keine Transfers im zentralen Mittelfeld mehr in Erwägung ziehen. Was sich langfristig tut, wird einerseits vom Erfolg der neuen Ausrichtung, andererseits von der Entwicklung von Benes und Cuisance abhängen. Strobl ist, nicht nur aufgrund seiner Verletzung, ein austauschbarer Spieler. Auch im Zustand voller Fitness bringt er nicht mehr als solide Leistungen, hat allerdings keine große Luft mehr nach oben. Zakaria und Kramer könnten sich festspielen und sofern sich zumindest einer der beiden jungen Spieler etabliert, könnte sich Max Eberl kurz- oder mittelfristig in Ruhe nach einer Ablösung für Strobl umsehen.

Ob dieser Spieler dann ein kreativer ist oder ein dynamischer Arbeiter, das wird von vielen Faktoren abhängen. Einerseits ist wichtig, wie sich das Mittelfeld der Gladbacher entwickelt, andererseits wie sich der Fußball der Borussia weiterentwickelt, welche Ambitionen man hat. Es ist durchaus denkbar, dass Strobl im Sommer 2018 ersetzt wird und dass Max Eberl schon jetzt die Augen und Ohren offen hat, den Markt beobachtet. Ob das „zentrale Problem“ der Borussia gelöst wurde? Abwarten. Eine weitere Bestandsaufnahme wird gewiss folgen.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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