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Hannover 96: Die Schuld hat nicht nur Breitenreiter

17. Dezember 2018 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Trainer Andre Breitenreiter steht bei Hannover 96 derzeit gehörig unter Druck. Nach dem Aufstieg und einer guten letzten Saison befinden sich die Niedersachen mitten im Abstiegskampf, sind Tabellenletzter mit 10 Punkten und bereits 33 Gegentreffern. Häufig wird zuerst der Trainer ausgetauscht, doch auch die Vereinsführung muss sich hinterfragen. 

Ja, man merkt Andre Breitenreiter dieser Tage den Druck an. 10 Punkte sind viel zu wenig, die Mannschaft wirkt instabil und die Effizienz der letzten Saison ist verloren gegangen. Breitenreiter faltete zuletzt Stürmer Füllkrug zusammen, drohte mit dem Streichen von freien Tagen. Die Anspannung ist spürbar. 

Breitenreiter wies früh auf die Probleme hin

Die Probleme deuteten sich bereits im Sommertransferfenster an. Nach einer guten Saison 2017/18 waren die 96-Profis beliebt. Niclas Füllkrug, der lange von Borussia Mönchengladbach umworben wurde, blieb dem Verein erhalten, allerdings verlor man mit Salif Sané eine wichtige Stütze in der Defensive und mit Martin Harnik einen wichtigen Offensivspieler – für insgesamt nur 10 Millionen Euro. Ansonsten wurden einige Spieler abgegeben, die der Kaderbreite dienten.

Als Verstärkungen für die Offensive verpflichtete 96 Bobby Wood, Takuma Asano, den jungen Florent Muslija und Genki Haraguchi. Während Wood (3 Tore) und Muslija (2 Tore) noch ordentliche Leistungen zeigten, haben Haraguchi und Asano zusammen nur zwei Torbeteiligungen in der Bundesliga auf dem Konto, standen aber über 1000 Minuten auf dem Feld. Kurzum: Man hat individuelle Klasse abgegeben, sie aber nicht gleichwertig ersetzt, sondern in die Breite investiert. Und dieser Schuss ging nach hinten los. Kein Wunder, dass Linton Maina und Hendrik Weydandt, die aus der eigenen Jugend respektive der 2. Mannschaft nach oben beordert wurden, die positiveren Erscheinungen sind. 

Photo by Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images)


Sicher, Hannover 96 tätigte auch gute Transfers, beispielsweise Walace, den man vom Hamburger SV nach Niedersachsen lotste. Der Brasilianer, in Hamburg noch als „Problemprofi“ verschrien, fügte sich gut ein und ist ein Leistungsträger. Doch Andre Breitenreiter erkannte, dass das nicht reichen wird und forderte schon in der Sommerpause öffentlich weitere Verstärkungen – in fast allen Mannschaftsteilen. Ob Niclas Füllkrug noch eine solche Saison hinlegen kann? Ob der Abgang von Salif Sané ohne einen gleichwertigen Ersatz, mit dem man langfristig planen kann, zu verkraften ist? Das waren nur wenige von vielen Fragezeichen zu Saisonbeginn.

Und Breitenreiter sollte Recht behalten. Der Kader wirkt tatsächlich nicht komplett zuende gedacht. In der Offensive fehlt ein weiterer zuverlässiger Torjäger, Kreativmomente aus dem Mittelfeldzentrum sucht man vergebens. Vielmehr liegt hier der Fokus auf Dynamik und Zweikampfstärke, mit dem Ball weiß man zu selten etwas anzufangen. Ein Verteidiger wurde mit Kevin Wimmer zwar noch verpflichtet, aber Medienberichten zufolge schließt die Leihe von Stoke City eine Kaufpflicht mit ein, die nach 24 Pflichtspieleinsätzen in Kraft tritt. Mit 12 Millionen Euro wäre Wimmer dann der neue Rekordtransfer – und behinderte womöglich weitere Investitionen im Sommer. 

Kind und Heldt halten an Breitenreiter fest – Suche nach der Lösung

Zwei Spieltage vor der Winterpause verfällt man bei Hannover 96 noch nicht in Panik, wohlwissend, dass die Spiele in Freiburg und zuhause gegen Düsseldorf richtungsweisend sein können. Horst Heldt und Martin Kind halten derzeit an Andre Breitenreiter fest. Der Grund dafür könnte auf der Hand liegen: Heldt und Kind haben erkannt, dass Breitenreiter richtig lag und seine Forderung nach weiteren Investitionen entsprechend folgerichtig war. Doch was kann man im Winter tun? Wie groß sind die Differenzen zwischen den Forderungen des Trainers und der Umsetzbarkeit? 

Diese Frage muss in Hannover als erstes geklärt werden. Denn Schnellschüsse auf dem Wintertransfermarkt, nur um den Trainer ein wenig zu beschwichtigen, dürfen nicht das Ziel der 96er sein. Vielmehr muss die Gesamtsituation ruhig, aber korrekt analysiert werden. Alle Parteien können etwas dazu beitragen, dass man in Hannover doch noch den Klassenerhalt feiern und eine Trendwende heraufbeschwören kann. Den Trainer zu entlassen und auf einen Effekt durch eine Neubesetzung zu hoffen ist eine leichte Lösung. Doch ob es in dieser Situation die richtige und vor allem eine nachhaltige Lösung ist, darf angezweifelt werden. 




(Photo by Thomas Starke/Bongarts/Getty Images)


Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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