Hertha vor der Europa League: (Noch) offene Fragen!

UEFA CL/EL

2015 übernahm Pal Dardai die Berliner Hertha. Er stabilisierte den Klub, der in der Saison 2014/15 beinahe abgestiegen war. Dardai änderte die Strukturen, legte mehr Wert auf die läuferische Komponente, die Defensive wurde sukzessive besser und die Mannschaft war nach einer knallharten Vorbereitung mit zahlreichen Trainingseinheiten topfit. Die zwei Spielzeiten unter Dardai verliefen sehr ordentlich, die Hertha belegte die Plätze 7 und 6, nimmt in der kommenden Saison an der Gruppenphase der Europa League teil.

Doch trotz der positiven Entwicklung und der verbesserten Strukturen gibt es noch offene Fragen, die mit der nötigen Akribie angegangen werden müssen. Dardai muss den Kader verbreitern, Abgänge ersetzen, mit der Doppelbelastung zurechtkommen und die Saison noch detaillierter planen, noch besser durchstrukturieren, damit man das Leistungsniveau dauerhaft halten kann.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images)

Wichtige Transferplanungen

Zunächst muss Pal Dardai zusammen mit Michael Preetz den Kader für die kommende Saison planen. Mit Florian Baak, Julius Kade und Arne Maier kommen drei talentierte Spieler aus der eigenen Jugend, sollen die Mannschaft in der Breite verstärken und langsam aufgebaut werden. Zudem könnte beispielsweise U20-Nationalspieler Torunarigha noch mehr Vertrauen geschenkt bekommen. Die Abgänge von Baumjohann und Allagui sind kein großes Problem für die Berliner, im Gegensatz zu John Anthony Brooks. Der 24-jährige Innenverteidiger wechselt zum VfL Wolfsburg, spült dem Hauptstadtklub allerdings 17 Millionen Euro in die Kasse. Unklar ist noch, was mit Allan passiert. Die Leihgabe des FC Liverpool soll, wenn es nach Michael Preetz und Pal Dardai geht, noch in Berlin bleiben. Aber die „Reds“ fordern offenbar gewisse Einsatzgarantien für den Mittelfeldspieler, die die Berliner nicht zweifelsfrei erfüllen können.

Die beiden Toptransfers der Berliner bisher sind Mathew Leckie und Davie Selke, die die Offensive verstärken sollen. Zudem baggert die Hertha dem Vernehmen nach weiterhin an Pascal Köpke von Erzgebirge Aue, der in der 2. Liga eine gute Rolle spielte. Das werden allerdings nicht die einzigen Transfers bleiben. Für die Innenverteidigung steht Marseilles Rekik auf der Liste, auch im Mittelfeld könnte sich noch etwas tun. Wichtig wird auch sein, dass Ondrej Duda, der bisher enormes Verletzungspech hatte, eine Saison ohne Sorgen spielen kann. Der Slowake wäre eine Bereicherung für die Offensive, sofern er endlich fit bleibt. Ansonsten stimmt die Basis der Mannschaft mit Stark, Plattenhardt, Weiser, Darida, Kalou und Ibisevic, die Mischung aus talentierten und aus erfahrenen Spielern stimmt. Zudem ist noch Geld vorhanden, die Hertha wird weiterhin in Ruhe den Markt beobachten und wenn möglich zuschlagen, um im Idealfall einen Großteil der Personalfragen zum Trainingsstart geklärt zu haben.

Hoher Aufwand trotz Mehrfachbelastung?

In den vergangenen beiden Spielzeiten ist aufgefallen, dass eine Diskrepanz zwischen den Leistungen in der Hin- und in der Rückrunde besteht. 2015/16 belegte die Hertha in der Hinrunde Platz 3, in der Rückrundentabelle holte man 14 Punkte weniger und belegte Platz 16. In der abgelaufenen Saison fuhr die Hertha in der Hinrunde 30, in der Rückrunde hingegen nur 19 Punkte ein. Pal Dardai legt zu Saisonbeginn die Grundlagen in Sachen Fitness, fordert viel von seinen Spielern. Der hohe Aufwand, den die Hertha betreibt, hat also offenbar langfristige Auswirkungen. Womöglich muss das komplette Trainergespann mehr auf die Trainings- und Belastungssteuerung achten, innovativ handeln und einem größeren, noch ausgewogeneren Kader mithilfe des Rotationsprinzips Kräfte schonen, damit auch in der Rückrunde noch ans Limit gegangen werden kann.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images)

Ist also auch eine Änderung der Strategie bei der Hertha denkbar? Eher nicht. Pal Dardai ist von seinem Konzept überzeugt, hat ohnehin bewiesen, dass er mit dieser Art Fußball erfolgreich sein kann. Die Kontinuität über eine gesamte Saison fehlte bisher. Es ist also denkbar, dass Dardai und sein Trainerteam an taktischen und strategischen Stellschrauben drehen, das Gesamtkonzept wird aber nicht über den Haufen geworfen. Wie genau das aussehen kann und wird, zeigt sich wohl erst im Laufe der Saisonvorbereitung, wenn diese elementaren Dinge einstudiert werden.

Schwierige Saison 17/18

Die kommende Saison könnte für die Berliner also aus vielerlei Gründen schwierig werden. Die neuen Erfahrungen mit der Doppelbelastung, weniger Zeit um sich auf die Gegner in der Bundesliga vorzubereiten und eine grundsätzlich gestiegene Erwartungshaltung der eigenen Fans spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Doch die Fans tun gut daran den Verantwortlichen zu vertrauen, denn die Entwicklung der letzten beiden Jahre ist außerordentlich positiv und eine solch rasche Stabilisation der Gesamtsituation in Berlin war nicht unbedingt zu erwarten. Trotzdem, die Hertha darf sich nur wenige Fehler in der Planung erlauben, die Konkurrenz schläft keinesfalls.

Denn neben ebenfalls gut arbeitenden, gut strukturierten Teams wie Hoffenheim, Freiburg oder Köln werden vor allem Schalke, Leverkusen, Gladbach und Wolfsburg, die eine sehr unbefriedigende Saison erlebten und sich auf die Bundesliga konzentrieren können, in Richtung Europapokal schielen. Gerade diese vier Teams, die finanziell etwas bis sehr viel stärker ausgestattet sind als die Berliner, drohen den Hauptstadtklub zu überholen. Die Hertha muss den eigenen Anspruch klar definieren und versuchen eine möglichst ruhige, sorgenfreie Saison zu spielen. Auch die eigenen Fans spielen dabei eine Rolle, müssen die Mannschaft unterstützen und nicht erwarten, dass der Europapokal zur Gewohnheit wird. Wenn die Verantwortlichen dies alles beherzigen und man in der Hauptstadt realistisch bleibt, steht einer zufriedenstellenden Saison nicht mehr viel im Weg.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.

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