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Juventus und Andrea Pirlo: Schnellschuss oder kluger Schachzug?

9. August 2020 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Das 2:1 in der Champions League gegen Olympique Lyon bedeutete für Juventus das Ausscheiden aus dem Wettbewerb. Für die Vecchia Signora, die große Ziele in Europa hat, war das ein inakzeptables Resultat. Juventus reagierte.

  • Andrea Pirlo ist neuer Trainer von Juventus Turin
  • Maurizio Sarri musste nach dem CL-Aus gehen
  • Pirlos Mission: Der Titel in Europa muss her!

Sarri-Aus, Pirlo-Vorstellung: Die letzten Entwicklungen

Schon während der gesamten Saison zeichnete sich ab, dass Maurizio Sarri (61) und Juventus nicht ideal zusammen passen. Sarri, der in Neapel einen sehr attraktiven Fußball spielen ließ und sich einen Namen als Toptrainer machte, sollte nun auch in Europa für Furore sorgen. Das gelang nicht, überdies waren auch die Leistungen auf nationaler Ebene nicht mehr als gut. Ja, der Scudetto wurde gewonnen. Was für Sarri eine Erfüllung eines Kindheitstraumes darstellte, ist für die Alte Dame nicht mehr als Business as usual.

In Turin rumorte es schon länger. Der Spielstil von Juventus hatte mit dem typischen Sarri-Ball, den man aus Neapel kannte, wenig zu tun. Die Mannschaft spielte weniger spektakulär, häufiger pragmatisch. Die individuelle Klasse machte oftmals den Unterschied. Die Probleme nur beim Trainer zu suchen, ist falsch. Aber der Trainer ist nun einmal in solchen Situationen derjenige, der am leichtesten austauschbar ist.

Photo by Pier Marco Tacca/Getty Images)

Schon kurz nach dem Aus in der Champions League gab es erste Anzeichen für eine bevorstehende Sarri-Entlassung. Nur einen Tag nach dem Spiel gegen Olympique Lyon wurde diese dann verkündet. Sarri packte seine Koffer und wurde noch am selbigen Tag von Andrea Pirlo (41) ersetzt. Auch das verkündete Juventus noch am Samstag offiziell.

Pirlo statt Erfahrung: Juventus mit einem neuen Weg?

Pirlo, der in seiner Karriere unter anderem für Milan und Juventus spielte und lange Jahre ein Weltklasse-Mittelfeldspieler war, soll nun also dafür sorgen, dass sich die Vecchia Signora den Traum vom großen Titel in Europa erfüllen kann. Doch kann das gut gehen? Pirlo war zweifelsohne ein genialer Spieler, Erfahrung auf dem Trainerposten hat er aber nicht vorzuweisen. Kurios: Vor nicht einmal zwei Wochen wurde der 41-Jährige als Cheftrainer der U23 von Juventus vorgestellt. Möglicherweise, um seine Entwicklung zu beobachten.

(Photo by JONATHAN NACKSTRAND/AFP/Getty Images)

Oder aber, um im Falle eines frühen Ausscheidens in der Champions League reagieren zu können. Juventus hat sich nämlich auffallend früh dafür entschieden, Pirlo zu befördern. Selbst wenn eine Sarri-Entlassung schon länger diskutiert wurde: Die Berufung des neuen Trainers ging sehr schnell. Die Beispiele Pep Guardiola (49) beim FC Barcelona oder Zinedine Zidane (48) bei Real Madrid haben gezeigt, dass ein ähnliches Modell durchaus funktionieren kann. Das Risiko ist allerdings vorhanden, zumal Trainer wie Mauricio Pochettino (48) auf dem Markt sind.

Juventus: Die Probleme liegen tiefer

Wie bereits erwähnt: Es ist oft der Trainer, der zuerst gehen muss. Dabei sind die Probleme bei großen Klubs, die ihre Ziele verfehlen, oftmals tiefer zu finden. Im Fall von Juventus Turin muss die Kaderplanung genauer unter die Lupe genommen werden. Cristiano Ronaldo (35), Paulo Dybala (26), Alex Sandro (29), Mathijs de Ligt (20): Weltklassespieler und herausragende junge Talente sind vorhanden. Aber eben nicht auf jeder Position.

(Photo by Miguel MEDINA / AFP)

Ein Rechtsverteidiger auf Topniveau ist nicht vorhanden, die offensiven Flügelpositonen sind allerhöchstens überdurchschnittlich besetzt und das Mittelfeld, für Sarri eines der wichtigsten Elemente im Spiel, ist zwar gut, aber auch nicht derart dominant, wie es bei einer Mannschaft dieser Kategorie der Fall sein sollte.

Kurzum: Juventus hat sich in den vergangenen Transferperioden einige große Namen gesichert, aber die Homogenität im Kader auf einigen Positionen außer Acht gelassen. Mit Arthur Melo (23) kommt ein Mittelfeldspieler aus Barcelona, der die Elemente, die Juventus oft fehlen, einbringen kann. Auf der offensiven Außenbahn wird mit Dejan Kulusevski (20) ein sehr spannender Spieler nach Turin wechseln. Die Ansätze für die kommende Saison sind also vorhanden, müssen aber gefestigt werden. Die gesamte sportliche Führung ist hier gefordert.

Pirlos Mission: Harmonie, Spielwitz und die Champions League

Doch zurück zu Pirlo. Der elegante Ex-Mittelfeldstar soll nun versuchen, Juventus wieder an die europäische Spitze zu führen. Seine Qualitäten als Trainer sind schwer einzuschätzen, dennoch ist davon auszugehen, dass man bei Juventus nicht den erstbesten Trainer eingestellt hat, der gerade an der Geschäftsstelle vorbeigelaufen ist. Die Mission für Pirlo ist klar: Juventus soll zurück an die europäische Spitze geführt werden.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Das wird aber nicht von heute auf morgen geschehen. Der Transfersommer wird coronabedingt nicht dafür herhalten können, alle Probleme im Kader zu beseitigen. Pirlo wird also auch versuchen müssen, taktische Lösungen zu finden und die Spieler gemäß ihrer Fähigkeiten ideal einzusetzen. Kompromisse sind nötig, zudem wird es wichtig sein, die Mannschaft sehr gut zu führen und für eine Harmonie im Kader zu sorgen.

„Nur“ viele Siege sind zu wenig, „nur“ der Meistertitel ebenfalls. Es ist eine große Aufgabe, der sich Andrea Pirlo stellen muss. Eigentlich bedeutet eine solche Entscheidung auf der Trainerbank, dass nun ein Projekt beginnt, das Zeit benötigt. Doch Spieler wie Ronaldo, die zum Kern der Mannschaft gehören und Mitte 30 sind, können nicht allzu lange warten, bis sich die Titelchance in der Königsklasse auftut. Juventus und Pirlo: Es bleibt also spannend..

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(Photo by Isabella BONOTTO / AFP) 

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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