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Lopetegui & die Qual der Wahl – Spaniens „Luxus-Kader“ in der Analyse

28. März 2018 | Spotlight | BY Christoph Albers

Die spanische Nationalmannschaft sorgte in den letzten beiden Testspielen für Furore. Nach einem starken Auftritt beim 1:1 gegen Deutschland, lief „La Roja“ gegen Argentinien (6:1) zur absoluten Hochform auf. Die Katerstimmung der letzten großen Turniere ist längst großer Euphorie gewichen. Eine Entwicklung, die angesichts der geradezu luxuriösen Spieler-Auswahl, zugegebenermaßen auch zu erwarten war. Trotzdem lohnt sich ein genauerer Blick auf den spanischen Kader.

Torhüter

Im Tor ist David de Gea natürlich gesetzt. Der Keeper von Manchester United ist weltweit einer der besten seiner Zunft und steht dementsprechend völlig außer Frage. Mit seinen bisher erst 27 Länderspielen gehört er zwar zu den unerfahrensten Spielern der Startelf, doch an seinem Status als Führungsspieler ändert das nichts. Mit seinen erst 27 Jahren ist er zudem im besten Fußballer-Alter und hat noch viele gute Jahre vor sich. Die kommende WM wird sicherlich nicht seine letzte sein, aber dafür die erste als Stammspieler.

Dahinter hat sich ein Duo ebenfalls schon fest etabliert. Bilbaos Kepa Arrizabalaga (23) ist der erste Ersatz für de Gea und verfügt über enormes Potenzial. Er durfte in der Nationalmannschaft zwar bislang nur einmal ran, doch auf lange Sicht könnte er ein ernsthafter Konkurrent für de Gea werden. Im Moment ist er aber vor allem ein Schüler, der viel auf dieser Mission lernen kann.

Der dritte im Bunde ist der erfahrene Pepe Reina. Der 35-jährige ist sehr erfahren und spielt in Neapel immer noch auf sehr hohem Niveau. Er dürfte keine großen Ansprüche stellen, vielmehr wird er eine Art Ruhepol für die Mannschaft sein.

Andere Kandidaten, wie Sergio Rico (24, FC Sevilla, 1 Länderspiel), Pau Lopez (23, Espanyol Barcelona, aktuell U21) oder Sergio Asenjo (28, FC Villarreal, 1 Länderspiel) spielen in den Planungen derzeit keine Rolle.

(Photo by PIERRE-PHILIPPE MARCOU/AFP/Getty Images)

Verteidigung

Auch in der Verteidigung sind die Stammplätze weitestgehend vergeben. Dani Carvajal (26) wird auf der rechten Seite verteidigen, Jordi Alba (29) auf links und Gerard Pique (31) und Sergio Ramos (31) in der Mitte. Für Pique und Ramos könnte die WM in Russland die letzte sein, was einen Extra-Motivationsschub für die beiden Intimfeinde sein könnte. Ihre Privatfehde hatte sich in den letzten Jahren immer mehr zugespitzt, was sich teilweise auf ihre Leistungen im Nationalteam ausgewirkt zu haben schien. Momentan sieht es aber nicht danach aus, was ein sehr gutes Zeichen für die ganze Mannschaft ist, gerade wo Pique in Spanien vielerorts mit Anfeindungen zu kämpfen hat.

Die Backup Plätze sind dagegen noch umkämpft. Cesar Azpilicueta dürfte seinen Platz sicher haben. Der Chelsea-Verteidiger besticht vor allem durch seine hohe Flexibilität, er kann auf allen Positionen in der Abwehr auf hohem Niveau spielen und ist somit der perfekte Ersatz. Ähnlich verhält es sich bei Nacho Fernandez, er spielt eine gute Saison für Real Madrid und besticht durch gute technische Fähigkeiten und Flexibilität. Sollte er bei den „Königlichen“ weiterhin zu so vielen Einsätzen kommen, dürfte auch seiner Nominierung nichts im Wege stehen.

Weitere Kandidaten sind Alvaro Odriozola, der Rechtsverteidiger und Senkrechtstarter von Real Sociedad, Marcos Alonso, linker offensiver Verteidiger vom FC Chelsea, Arsenals Nacho Monreal, sowie Marc Bartra, Yeray Alvarez, Hector Bellerin, Inigo Martinez, Jose Luis Gaya, Yuri Berchiche, Diego Llorente und Mario Gaspar. Dazu kommen noch einige weitere Spieler, die zwar für hohe Qualität stehen, aber nicht zum weiteren Kreis der Nationalmannschaft zählen.

Odriozola und Alonso waren zuletzt nominiert und haben daher einen kleinen Vorteil. Alonso war allerdings zum ersten Mal dabei und könnte daher auch noch wieder rausfallen. Bellerin scheint, obwohl er auch in Spanien sehr geschätzt wird, derzeit nicht die Gunst Lopeteguis zu genießen.

(Photo KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP/Getty Images)

Mittelfeld

Im Mittelfeld ergibt sich eine sehr spannende Situation, im 4-3-3-System von Trainer Lopetegui sind nur drei Plätze für mindestens acht hochkarätige zentrale Mittelfeldspieler vorgesehen. Die Routiniers Sergio Busquets, der zuletzt verletzt passen musste, und Andres Iniesta dürften absolut gesetzt sein. Für Iniesta wird die WM definitiv das letzte Turnier für die Nationalmannschaft sein, doch er ist noch immer das Herz der Mannschaft und absolut unverzichtbar. Zur Not könnte er auch auf der linken Seite zum Einsatz kommen, doch derzeit ist es eher unwahrscheinlich.

Um den letzten offenen Platz streiten sich Koke, Saul Niguez, Thiago und David Silva. David Silva könnte allerdings genauso gut auf einer der beiden Außenpositionen zum Einsatz kommen, was angesichts der hohen Konkurrenz im Zentrum auch wahrscheinlicher ist. Daher dürfte Atleticos Koke Favorit auf das Mandat sein. Er ist äußerst zuverlässig, trotz seines Alters von nur 26 Jahren sehr erfahren und enorm Konstant auf hohem Niveau. Thiago und Saul hätten dann das Nachsehen, sind aber extrem gute Alternativen für die Bank.

Weitere Alternativen sind Youngster Rodri, der (wie Thiago) eine mögliche Option für die defensive Rolle ist, Dani Parejo, Asier Illarramendi, Cesc Fabregas, Ander Herrera und Denis Suarez (wird von Lopetegui sehr geschätzt, spielt aber zu wenig). Da Herrera und Suarez zu wenig spielen und Fabregas sehr an Standing eingebüßt haben, ist Parejo Favorit. Rodri dürfte, sobald Buquets wieder fit ist, wohl aus dem Kader fallen.

(Photo by Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Angriff

Außen

Für die beiden Positionen auf den Außenbahnen stehen mit Marco Asensio, Isco, Lucas Vazquez und David Silva gleich vier herausragende Alternativen im momentanen Kader. Dazu kommen die zuletzt nicht-nominierten Deulofeu, Suso, Callejon, Pedro, Vitolo und Jonathan Viera.

David Silva, der bei Manchester City eine abermals herausragende Saison spielt, dürfte gesetzt sein. Er bekam gegen Argentinien eine Pause, doch das wird sich nicht auf sein Standing auswirken. Seine großen Stärken im Pass- und Positionsspiel, sowie seine Erfahrung sind unentbehrlich. Auf der anderen Seite ist Isco nach seinen jüngsten Gala-Auftritten natürlich Favorit. Unter Lopetegui blüht er auf und zeigt sich äußerst torgefährlich. Für Asensio und Vazquez, die bei Real Madrid mehr und mehr in die erste Elf drängen, bliebe daher nur das Nachsehen.

Für die übrigen Kandidaten dürfte es nach den momentanen Erkenntnissen sehr schwierig werden einen Spieler aus diesem Quartett zu verdrängen. Am ehesten könnte Atleticos Vitolo noch ein Kandidat werden, auf ihn hat der Trainer oft zurückgegriffen. Dafür müsste er sich allerdings erst in seinem neuen Team beweisen.

(Photo by Denis Doyle/Getty Images)

Zentrum

Die wohl offenste Position ist die im Angriffszentrum. Zur Auswahl stehen Diego Costa, Alvaro Morata, Rodrigo Moreno, Aritz Aduriz, Luis Alberto und Iago Aspas. Aspas dürfte seinen Platz im Kader sicher haben, mit seiner Schnelligkeit und Schlitzohrigkeit ist er eine echte Waffe, zudem spielt er eine herausragende Saison für Celta Vigo. Er dürfte allerdings eher von der Bank kommen.

Diego Costa ist von der Qualität her sicherlich die beste Option. Seit seiner Rückkehr zu Atletico blüht er wieder auf und nähert sich seiner Top-Form. Er ist allerdings auch immer ein Kandidat für Unbeherrschtheiten und Disziplinlosigkeiten. Diesem Risiko ist man sich sicherlich bewusst, sportlich wäre er aber sicherlich die beste Wahl.

Rodrigo Moreno ist allerdings auch ein ernsthafter Kandidat, Lopetegui betreute ihn schon in der U21 und schenkt ihm auch jetzt sein Vertrauen. Angesichts seiner guten Leistungen im Verein auch vollkommen zurecht. Er dürfte Costas ärgster Konkurrent sein, auch wenn er ein ganz anderer Spielertyp ist.

Moratas Chancen haben sich durch seine dürftigen Leistungen beim FC Chelsea deutlich verschlechtert. Aduriz ist ebenfalls nicht so gut drauf, seine Erfahrung und seine Kopfballstärke sind allerdings immer ein Argument bei einem großen Turnier. Luis Alberto hat, obwohl er für Lazio Rom regelmäßig brilliert, bestenfalls Außenseiter-Chancen.

Ebenfalls starke Spieler wie Santi Mina oder Gerard Moreno sind dagegen kein Thema.

(Photo by David Ramos/Getty Images)

(Noch) Keine Kandidaten (mehr):

  • Javi Martinez (wohl kein Kandidat mehr)
  • Carlos Soler
  • Mikel Oyarzabal
  • Inaki Williams
  • Alberto Moreno
  • Juan Mata
  • Pablo Fornals
  • Manu Trigueiros
  • Pablo Sarabia
  • Paco Alcacer
  • Alejandro Grimaldo
  • Dani Ceballos
  • Juan Bernat
  • Raul Albiol

(Photo by PIERRE-PHILIPPE MARCOU/AFP/Getty Images)

Fazit und Kader-Prognose

Die spanische Nationalmannschaft verfügt über einen enorm großen Pool an erstklassigen Spielern, von denen nur 23 mit zur Weltmeisterschaft fahren dürfen. Kein anderes Land verfügt über eine solche Auswahl, wodurch wohl auch kein anderes Land einen nominell stärkeren Kader stellen kann. Der Stamm spielt seit Jahren zusammen und ist sehr eingespielt, die Hierarchie ist klar und funktioniert. Die Rückschläge bei den letzten Turnieren dürften keine Auswirkungen auf die kommende Weltmeisterschaft haben, was auch ein Verdienst des Trainers ist. Spanien ist damit einer der Top-Favoriten auf den Titel.

Tor: de Gea, Kepa, Pepe Reina

Abwehr: Carvajal, Alba, Pique, Ramos, Azpilicueta, Nacho Fernandez, Marcos Alonso

Mittelfeld: Busquets, Iniesta, David Silva, Thiago, Koke, Saul, Parejo

Angriff: Isco, Vazquez, Asensio, Aspas, Diego Costa, Rodrigo

Christoph Albers

Cruyff-Jünger und Taktik-Liebhaber. Mag präzise Schnittstellen-Pässe, schwarze Leder-Fußballschuhe, Retro-Trikots und hat einen unerklärlichen Hang zu Fußball-Finanzen. Seit 2016 bei 90PLUS.


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