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Nach dem Nordderby: So schlau wie zuvor

1. Oktober 2017 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Das gestrige Nordderby zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen war kein fußballerischer Leckerbissen. Und der konnte auch nicht erwartet werden, denn nach nur 6 Spielen standen beide Mannschaften unter Druck. Nach dem Start mit 2 Siegen verlor der HSV viermal ohne einen Treffer zu erzielen, Werder spielte oft ganz nett, aber belohnte sich nicht mit einem Dreier.

Die Vorzeichen vor dem gestrigen Spiel waren klar, beide Mannschaften mussten gewinnen. Der Einsatz stimmte auch bei beiden Teams, die spielerischen Elemente kamen aber definitiv zu kurz. Und so entwickelte sich eben dieses Spiel, das gestern Abend im Volksparkstadion zu sehen war.

HSV: Schwung durch Neue!

Der Hamburger SV versuchte durch einige neue Spieler etwas Schwung in das eigene Spiel zu bekommen. Viermal blieb man ohne Torerfolg, wollte das unbedingt ändern. Janjicic spielte auf der 6er-Position solide, Hunt brachte etwas Struktur in die Offensive, aber am ehesten positiv in Erinnerung bleibt der junge Ito. Der 20-jährige zeigte sich spielfreudig, hatte gute Ideen, allerdings fehlte auch ihm der letzte Funken Durchschlagskraft.

Trotzdem: Hamburg hatte Chancen, insgesamt auch etwas mehr als Werder. Hahn testete Pavlenka beispielsweise mit einem cleveren Heber, ein Schlenzer von Hunt konnte ebenfalls vom Werder-Keeper abgelenkt werden. Die Mannschaft war gut eingestellt, stand sich aber häufig selbst im Weg. Bezeichnend war dass der HSV kaum gute Chancen aus einem von hinten heraus strukturierten Angriff herausspielen konnte, vieles war Stückwerk, entstand etwas zufällig. Der Spielfluss wurde immer wieder unterbrochen.

Große Probleme im Aufbau

Das Hauptproblem des Hamburger SV war die Problematik im Spielaufbau. Häufig wurden Querpässe gespielt, die Bewegung im Mittelfeld war nicht ideal, die Offensivspieler waren isoliert. Zudem gingen die Aufbauspieler des HSV häufig zu viele Schritte mit dem Ball, wagten einen Vorstoß, nur um den Ball dann – meist unpräzise – wieder zur Seite oder nach hinten zu spielen. So konnte keine Struktur entstehen, lange Bälle waren zum Teil die Folge.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Die Risikobereitschaft fehlte beim Hamburger SV in diesen Szenen. Die Angst vor Fehlern war größer als eine mögliche gute Idee, die die Bremer vor Probleme hätte stellen können. Und so entwickelte sich ein zerfahrenes, teilweise hektisches Spiel mit vielen Einzelaktionen. Auch die Einwechslung von Holtby brachte nicht viel ein, denn der Mittelfeldspieler trug den Ball ebenfalls häufig lange nach vorne, wollte seine Dynamik einbringen, scheiterte aber auch damit.

Ansätze weiter verfolgen

Gute Ansätze gab es dennoch. Grundsätzlich stand der HSV absolut ordentlich, die Umschaltbewegung auf die Defensive verlief gut. Bezeichnend war der Werder-Konter, bei dem Diekmeier mit einem sehr guten Sprint Bartels den Ball noch ablaufen und die Gefahrensituation bereinigen konnte. In der Länderspielpause muss Markus Gisdol nun versuchen mit den vorhandenen Spielern an den strukturellen Dingen zu arbeiten.

Nach der Pause steht für den HSV ein sehr wichtiges Spiel beim FSV Mainz 05 an, einem direkten Konkurrenten. Hier muss etwas mitgenommen werden, denn am darauffolgenden Spieltag kommt der FC Bayern München ins Volksparkstadion. Verliert man beide Spiele, brennt vor den Begegnungen gegen die Hertha und den VfB Stuttgart bereits der Baum. Und das muss man verhindern.

Bremen: Ebenfalls phasenweise gehemmt

Dass der SV Weder Bremen nach sechs sieglosen Spielen und nur 3 Punkten nicht mit dem allergrößten Selbstvertrauen nach Hamburg kommt, damit konnte man rechnen. Bis auf eine gute Phase in der zweiten Halbzeit spielte Werder nicht wirklich gut, die Konter wurden teilweise nachlässig vergeben. Man merkte, dass Max Kruse in der Offensive doch eine sehr große Lücke hinterlässt, die Belfodil zurzeit keinesfalls schließen kann.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Zeitweise setzte Werder den HSV ganz ordentlich unter Druck, presste aber nicht konsequent genug und konnte so die Verunsicherung im Aufbau der Gastgeber nur selten nutzen. Bei ruhenden Bällen herrschte punktuell Gefahr, Mathenia musste aber nur wenige Bälle parieren. Defensiv hielt man den HSV dafür gut in Schach, ließ die Hamburger nicht in den Strafraum kommen.

Positives Junuzovic-Comeback

Ein wichtiger Punkt, gerade für die kommenden Wochen, ist das Comeback von Mittelfeldspieler Zlatko Junuzovic. Der Österreicher war von Anfang an gut ins Spiel eingebunden, legte mit einem sehr feinen Hackentrick eine Torchance vor und wird auch die ruhenden Bälle in den kommenden Spielen wieder an sich reißen und dadurch für mehr Gefahr sorgen. Die anderen Wechsel von waren Maximilian Eggestein für einen zeitweise komplett überforderten Bargfrede und Hajrovic für Bartels.

Gerade der letzte Wechsel war etwas überraschend. Zwar ist Hajrovic keine schlechte Ergänzung, aber vielleicht hätte die Unbekümmertheit eines Johannes Eggestein, der eher ein Mittelstürmer ist als Hajrovic, den Werderanern gut zu Gesicht gestanden. Nouri traute sich aber offensichtlich nicht, dieses kleine Risiko einzugehen. Auf der anderen Seite brachte Gisdol das junge Stürmertalent Arp, der allerdings wirkungslos blieb.

Keine Trainerdiskussion

Auch wenn Bremen nach dem Nordderby ähnlich da steht wie zuvor, gibt es keine Trainerdiskussion. Die Spieler äußerten sich positiv über Alexander Nouri, der nun Lösungen finden muss. Auch Frank Baumann zeigte sich bei der Nachfrage gelassen, sagte, dass er davon überzeugt ist, dass der Trainer die Mannschaft erreicht. Nach der Länderspielpause empfängt Werder Gladbach, danach geht es nach Köln. Hier sollten die Bremer den ersten Dreier einfahren, um weitere Nachfragen und dadurch entstehende Unruhe zu vermeiden.

Der Ansatz des SV Werder ist prinzipiell nicht falsch. Man versucht ähnlich wie in der letzten Saison schnell umzuschalten, den Gegner punktuell aggressiv unter Druck zu setzen. Aber die individuelle Klasse eines Kruse und Gnabry fehlen, Belfodil ist noch nicht angekommen, Bartels bräuchte mehr Unterstützung und Junuzovic stieß jetzt erst wieder richtig zur Mannschaft. Die kommenden 2 Wochen muss Alexander Nouri nutzen. Ebenso wie Gisdol auf der anderen Seite.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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