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Nachspielzeit: Durchstarter – Wie Gonçalo Guedes Valencia wieder stark macht

1. Dezember 2017 | Spotlight | BY David Theis

Über 16 Jahre ist es nun her, dass der FC Valencia eine große Nummer im europäischen Herrenfußball war und zwei mal in Folge das CL-Finale erreichte. Obwohl sich der Club, der David Villa, Juan Mata oder David Silva hervorbrachte, seither regelmäßig für internationale Wettbewerbe qualifizierte, schien die Zeit des großen Glanzes vorbei zu sein. Zuletzt beendeten die „Blanquinegros“ gar zwei Spielzeiten in Folge in der unteren Tabellenhälfte. Doch dieses Jahr ist wieder alles anders. Und das nicht zuletzt wegen einer jungen Leihgabe aus Paris. 

 

Guedes und PSG – ein Wechsel ohne Sinn

Als der junge Guedes im Winter-Transferfenster 2016/2017 den Wechsel von Benfica in den ohnehin schon mit Halbstürmern gespickten Luxuskader von Paris St. Germain wagte, fragten sich nicht wenige: Kann das gut gehen? Und tatsächlich kam Guedes zwar in der CL-Gruppenphase regelmäßig zum Einsatz (und zu ein paar Scorerpunkten), spielte jedoch ansonsten kaum eine Rolle: 7 Ligaeinsätze (nur einer davon war länger als 20 Minuten) und eine bittere Zuschauerrolle im spektakulären CL-Achtelfinale gegen Barca waren zu wenig für ein Talent seines Formats. Doch Guedes bestätigte auch, was mancher bereits während seiner Zeit in Portugal ahnte: Er schießt zwar gerne und hart, doch ein Stürmer ist er vermutlich trotzdem nicht.

(Photo by PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP/Getty Images)

 

Feste Rolle – neues Glück

Nach einem wohl frustrierenden Halbjahr und weiteren Halbstürmer-Verpflichtungen (im Wert von ca. 400 Mio. Euro) seitens PSG war vorerst Schluss in Frankreich. Eine Leihe nach Valencia sollte frischen Wind in eine Karriere bringen, die sich vor allem um die Frage zu drehen schien, was nun eigentlich genau Guedes‘ beste Position ist. 11 Ligaeinsätze (8 davon als linker Mittelfeldspieler in einer flachen Viererkette) und 8 Scorerpunkte später scheint diese Frage beantwortet zu sein: Valencia hat im nationalen Wettkampf mit 31 Punkten und 33 Toren zum ersten Mal seit Jahren klar die Oberhand gegenüber den beiden Clubs aus Madrid und darf sich derzeit als zweite Kraft hinter Barca bezeichnen. Einer der großen Leistungsträger: Conçalo Guedes. Dem jungen Portugiesen kommt dabei nicht nur seine Rolle auf dem linken Flügel, sondern auch das vertikale, umschaltorientierte Spiel von Trainer García zugute. Guedes verfügt nämlich nicht nur über einen sehr kräftigen Antritt, sondern auch über ein gutes Gespür für Laufwege und eine exzellente Erfolgsquote im Dribbling – unabhängig davon, gegen wie viele Gegenspieler. Hier ist es teilweise beängstigend, was Guedes allein durch den Einsatz von simplen, aber blitzschnell ausgeführten Finten erreicht. Einmal in den freien Raum unterwegs, ist Valencias neuer Hoffnungsträger also kaum noch zu halten. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob sich die gefundene Schnittstelle nun im gegnerischen Mittelfeld- oder Abwehrverbund befindet: Guedes nutzt Vorstöße in aller Regel für etwas Produktives und trifft meist kluge Entscheidungen. Das lässt sich auch statistisch belegen: Während es in den Bereichen Torabschluss oder Passquote sicher noch bessere La Liga-Akteure gibt, erspielt Guedes überzeugende 2,4 Torchancen (je 90 Minuten) für seine Mitspieler. Nur ein weiterer Ligaspieler (Reals Isco) kommt an diesen Wert heran.

Große Namen und kleine Fragezeichen

Guedes ist jung, Portugiese, dribbelt gern und legt noch lieber vor dem Tor mit dem Außenrist quer. Es braucht also nicht viel Fantasie, um die Vergleiche zu erahnen, denen er sich nun Woche für Woche ausgesetzt sieht. Schaut man dem Newcomer jedoch regelmäßig beim Fußballspielen zu, erscheinen diese Lobpreisungen zumindest in stilistischer Hinsicht gar nicht mehr so weit hergeholt: Trotz seiner Schnelligkeit lässt sich nämlich bereits jetzt erahnen, dass der Spieler in Zukunft noch deutlich im Bereich der Athletik zulegen wird. Über eine auffällige Technik bei Distanzschüssen verfügt Guedes aber schon jetzt. Und ja, seine harten Flatterbälle erinnern durchaus an Ronaldo oder Quaresma. Allein: Guedes muss noch ein wenig an der Präzision seiner Torabschlüsse feilen, spielt dafür aber schon jetzt deutlich uneigennütziger, als CR7 es wohl je tun wird. Fügt er seinem Spiel hier noch ein wenig mehr Balance hinzu, möchte man nicht in der Haut der Abwehrspieler stecken, die es künftig mit ihm zu tun bekommen. Zu einer großen Karriere scheint derzeit also nur noch ein wenig Konstanz zu fehlen – auch sein Anstellungsverhältnis betreffend.

Denn da ist ja noch immer PSG, und die Perspektive, schon bald wieder die fünfte Geige hinter Neymar, Mbappé, di Maria, Draxler oder einem anderen großen Namen zu spielen, den Guedes‘ eigentlicher Arbeitgeber bis dahin verpflichtet haben wird. Sicher ist dieses Szenario jedoch beileibe nicht – denn Paris wird seine Transferexzesse mit Verkäufen refinanzieren müssen, um nicht gegen FFP-Regularien zu verstoßen. Spielt Guedes weiter so stark auf, sollte er die von Paris gezahlten 30 Mio. im Falle eines Transfers mit Leichtigkeit übertreffen. Allein: Je besser (und damit teurer) Guedes wird, desto schwieriger wird eine dauerhafte Verpflichtung für Valencia zu realisieren sein.

 

David Theis

War schon ein Fußball-Nerd bevor es Laptops gab. Schläft mit einer Ausgabe von "Der Schlüssel zum Spiel" unterm Kopfkissen. Seit 2017 bei 90PLUS.


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