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Nicht risikofrei, aber mit Hintergedanken: Die Zidane-Rückkehr bei Real Madrid

12. März 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Für viele kam der Rücktritt von Zinedine Zidane im letzten Sommer bei Real Madrid überraschend, dennoch war er gut durchdacht und kalkuliert. Nach drei Triumphen in der Champions League in Folge wollte der Franzose eine Pause einlegen, den Trainerjob ruhen lassen. 9 Monate später ist Zidane zurück auf der Trainerbank – erneut bei Real Madrid. Doch warum eigentlich? Wir werfen einen Blick auf die Lage und die möglichen Beweggründe.

Real Madrid und die Negativspirale

Das Ende der Ära Zinedine Zidane sollte der Beginn von etwas Neuem werden. Real Madrid verpflichtete Julen Lopetegui, der zuvor die spanische Nationalmannschaft trainierte und bereits dieser Schritt verlief alles andere als geräuschlos. Denn: Der Wechsel des Nationaltrainers kam unmittelbar vor der Weltmeisterschaft in Russland heraus, die Unruhe rund um das spanische Team wuchs und so entschied sich der Verband Lopetegui kurz vor dem Turnier zu entlassen. Dieser hatte zwar mehr Zeit um sich auf seinen Job bei Real Madrid vorzubereiten, aber auch ein extrem schweres Erbe anzutreten.

(Photo by Epsilon/Getty Images)

Die Zielsetzung war klar. Lopetegui sollte einerseits die jungen Spieler weiter fördern, andererseits seine eigenen Ideen einbringen ohne die Erfolge zu vernachlässigen. In der Champions League wollte man weit kommen, überzeugenden Fußball spielen und in der spanischen Liga den Titel holen, denn das gelang in den letzten Jahren gemessen an den Ansprüchen der Königlichen zu selten. Doch Lopetegui hatte Schwierigkeiten, der Kader wurde nach dem Abgang von Cristiano Ronaldo vor allem offensiv nicht mit der nötigen individuellen Klasse verstärkt, es fehlten neue Reize, auch wenn der Kader in der Spitze und in der Breite noch immer überragend besetzt ist. Mit 13 Punkten aus 5 Spielen kam Real Madrid gut in die Saison, danach folgte allerdings eine Negativserie mit nur einem Zähler aus 5 Spielen und der 1:5-Pleite im Clasico. Daraufhin wurde Lopetegui entlassen und durch Santiago Solari ersetzt.

Die Probleme blieben bestehen, auch wenn eine leichte Stabilisierung erfolgte. Zudem förderte Solari junge Spieler, ersetzte den formschwachen Marcelo durch Reguilon und sprach Vinicius Junior sein Vertrauen aus. Unter Solari feierte Real Madrid den ein oder anderen wichtigen Sieg, verlor aber gegen Girona, Real Sociedad oder Eibar, konnte den FC Barcelona gleich dreimal im Clasico nicht bezwingen und schied gegen Ajax Amsterdam mit einer krachenden 1:4-Heimniederlage aus der Champions League aus. Die Titelambitionen der „Königlichen“ sind bereits Mitte März erledigt, in der Liga geht es nur noch darum irgendwie vor Stadtrivale Atletico auf Platz 2 in der Tabelle einzutrudeln. Die Trennung von Santiago Solari war, auch aufgrund der internen Probleme, unter anderem mit Isco, der überhaupt keine Rolle spielt, wohl unvermeidlich. Der Zeitpunkt kurz vor der Länderspielpause war richtig. Nun also ist Zinedine Zidane zurück.

„Zizou“ und die überraschende Rückkehr

Eigentlich wollte Zinedine Zidane in der laufenden Saison kein Team übernehmen. Mehrfach wurde der Berater des Franzosen zitiert, die Tendenz war klar: Im Sommer 2019 ist Zidane wieder bereit für eine Aufgabe. Mit Manchester United wurde er kurz in Verbindung gebracht, schnell kristallisierte sich aber heraus, dass Zidane einen Wechsel nach England nicht als besonders attraktiv erachtet. Eine weitere Option schien Juventus Turin zu sein. Dort ist man, zumindest was den Ertrag auf internationaler Ebene angeht, nicht 100 %ig zufrieden mit Massimiliano Allegri und es halten sich die Gerüchte, dass Juventus einen neuen Cheftrainer vorstellen könnte, auch wenn Allegri noch bis 2020 gebunden ist. Die Ambitionen nach dem internationalen Triumph untermauerte man bei der „Alten Dame“ mit der Verpflichtung von Cristiano Ronaldo, ein Engagement von Zinedine Zidane, der einerseits eine Bindung zum Klub hat, andererseits ein Experte in der Champions League ist, wäre folgerichtig.

Und bevor Zidane gestern zu Real Madrid zurückkehrte, deuteten die Zeichen laut einem Bericht von „El Pais“ auf ein Engagement in Turin hin, ehe Medien wie die „Marca“ die Bombe plötzlich platzen ließen. Noch am Abend wurde nicht nur die offizielle Pressmitteilung herausgegeben, Zidane präsentierte sich bereits den Medien. Und wirkte fokussiert und gut gelaunt.

„Dieser Klub und der Kader benötigten Veränderungen. Der Präsident hat mich angerufen und jetzt bin ich hier. Ich freue mich darauf, wieder als Trainer arbeiten zu können. Ich bin wirklich sehr aufgeregt. Ich will diesem Team helfen wieder besser zu agieren. Wir haben noch elf Spiele in dieser Saison und wollen sie so gut wie nur möglich bestreiten. Wenn man viel gewonnen hat, ist es normal, dass man einen Durchhänger hat. Ich habe die Entwicklung des Klubs von außen verfolgt, aber mich gefühlt als wäre ich mittendrin. Deswegen bin ich nicht glücklich über die Entwicklungen. Es gibt viel zu tun.“

Zidane bei seiner Antrittspressekonferenz

Zidane kann durchaus etwas verlieren

Nun existieren definitiv plausible Gründe um die Entscheidung von Zinedine Zidane zumindest zu hinterfragen. Warum kehrt Zidane zu Real Madrid zurück und wagt keine neue Herausforderung? Zwar hat er in seiner Trainerkarriere noch viel Zeit um andere Klubs zu trainieren, aber die Perspektive Juventus, die keinesfalls unrealistisch war, hätte einen besonderen Reiz auf den Franzosen ausüben können. Zudem findet Zidane zum jetzigen Zeitpunkt nicht nur eine teilweise verunsicherte, sondern auch nicht 100 % intakte Mannschaft vor und muss im restlichen Saisonverlauf genau beobachten, wie sich die Dinge auch innerhalb des Teams entwickeln.

Darüber hinaus ist die Erwartungshaltung sehr groß. Zidane kam nach Madrid, gewann die Champions League und verteidigte sie zweimal. Die Mannschaft spielte dabei sicher nicht immer Champagnerfußball, war aber jederzeit gefestigt und schaffte es in den Topspielen die besten Leistungen abzurufen. Zidane kann durchaus etwas verlieren, denn der Nimbus der internationalen „Unbesiegbarkeit“ kann in der kommenden Saison natürlich verfliegen, auch wenn er über einen großen Kredit bei den Fans verfügt. Zidane muss es gelingen – und das ist eine sehr große Aufgabe – erneut ein Grundgerüst zu formen, das über mehrere Spielzeiten mit wenigen Ausnahmen zusammenspielen kann. In den letzten K.O.-Runden unter Zidane standen häufig die gleichen 11 Spieler auf dem Platz, die Engespieltheit, die Homogenität war auf dem Platz zu spüren, vor allem in schwierigen Spielphasen. Zinedine Zidane muss also klar sein, dass er nach seiner Rückkehr daran gemessen wird, was er in der Vergangenheit mit den „Königlichen“ erreicht hat.

„Druckmittel“ des Franzosen als Beweggrund?

Doch es gibt auch einige Aspekte, die die Entscheidung von Zidane als nachvollziehbar erscheinen lassen. Natürlich spielt die emotionale Bindung zum Verein eine Rolle, zudem kennt er viele Spieler natürlich noch aus seiner Zeit im Klub. Das ist aber wohl nicht ausschlaggebend. Nach der Krise, die mit seinem Amtsaustritt begann, war die Kontaktaufnahme seitens Florentino Perez auch eine Art Hilferuf. Zidane befand sich in den Gesprächen mit dem Real-Präsidenten in einer äußerst lukrativen Situation. Er hatte bereits mit diesem Klub nachgewiesen, welche Erfolge er herbeiführen kann, seine Herangehensweise hat funktioniert. Und genau das könnte Zidane als ein legitimes Druckmittel in den Gesprächen eingesetzt haben.

(Photo by GENYA SAVILOV/AFP/Getty Images)

Die „Marca“ schrieb bereits, dass Zidane nun die totale Kontrolle über die Mannschaft haben soll und Spieler wie Isco und Marcelo sofort als „unverkäuflich“ deklariert hat. Zidane ist in einer Position, in der er als „Retter“ gilt und Forderungen stellen kann. Eine viel bessere Ausgangsposition kann man sich, zumindest was Wünsche und Veränderungen hinsichtlich des Kaders für die Saison 2019/20 angeht, bei einem Klub wie Real Madrid nicht vorstellen. Diesen Gedankengang dürfte auch Zinedine Zidane gehabt haben.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass es sehr interessant zu sehen gewesen wäre, wenn Zinedine Zidane eine neue Aufgabe in einem neuen Verein angegangen wäre – auch schon in diesem Sommer. Seine Überzeugung, Real Madrid wieder auf Kurs zu bringen und die Tatsache, dass seine Forderungen vom Klub akzeptiert werden, sorgten dafür, dass sich Zidane für die „Königlichen“ entschieden hat. Sein Vertrag läuft bis 2022 und das ist ein klares Indiz dafür, dass der Franzose einen langfristigen Plan mit dem Team hat. Real Madrid wird alles mögliche unternehmen um die Wunschspieler des Franzosen in die spanische Hauptstadt zu locken, Namen wie Eden Hazard, der bereits kontaktiert worden sein soll, werden gehandelt. Der Klub wird Zidane vertrauen, denn er hat schon einmal unter Beweis gestellt, dass er eine homogene Elf zusammenstellen kann, in der jeder die Idee des Trainers mitgeht, jeder für den anderen da ist und die in den entscheidenden Momenten auch mental voll auf der Höhe sein kann. Entsprechend weiß Zidane, welche Ergänzungen nötig sind, welche neuen Reize zu setzen sind um die Mannschaft während des schrittweise durchzuführenden Umbruchs auf Kurs zu halten.

Es gibt sicher schlimmeres Ausgangspositionen, als zu dem Klub zurückzukehren, den man liebt und dessen handelnde Personen einem vertrauen. Und: Real Madrid verfügt über finanzielle Ressourcen, die es dem Klub ermöglichen absolute Toptransfers zu tätigen, wenn es nötig ist. Und in diesem Sommer dürfte ein Angriff auf dem Transfermarkt erfolgen. Mit Zinedine Zidane.

(Photo SERGIO CAMACHO/AFP/Getty Images)



Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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