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Premier League Vorschau – Teil II: „Die neuen Stars (auf dem Feld) „

6. August 2016 | Spotlight | BY Christoph Albers


In unserer großen vierteiligen Vorschau zu anstehenden Premier League Saison befassen wir uns heute mit den neuen Spielern im englischen Fußball-Oberhaus

 

 

Aktuell kommen jeden Tag neue Wasserstandsmeldungen, alle Warten darauf dass endlich etwas passiert, so langsam nervt die Transferposse selbst die härtesten Fans des Transferfensters.

Klar, die Rede ist von Paul Pogba und der Transfer-Saga um seine Rückkehr zu Manchester United. Wenn es denn dazu kommen sollte, dann ist auch klar, dass damit ein neuer Rekord in Sachen Ablöse aufgestellt werden wird. Die Summe wird sich im dreistelligen Bereich befinden, da kann man sich sicher sein. Der Hype verwundert daher nicht. Allerdings ist der Transfer (noch) nicht durch.

Trotzdem ist dieses Transferfenster schon jetzt rekordverdächtig, sodass sogar schon Thomas Tuchel sich genötigt fühlte ein flammendes Plädoyer gegen den „Transferwahnsinn“ zu halten. Ja, so weit ist es schon gekommen. Und man ist sich einig, hauptverantwortlich dafür ist die englische Premier League, neben der Chinese Super League. Damit hier keine Missverständnisse aufkommen, die Kritik ist berechtigt, die Preise die gezahlt werden sind teilweise abenteuerlich, aber dazu kommen wir später. Fakt ist in jedem Fall, dass spätestens seit dem letzten TV-Deal mehr Geld denn je in der Liga ist und dementsprechend eingekauft wird.

Im Folgenden möchten wir, ohne mit dem moralischen Zeigewinker zu wedeln, einen Blick auf die bisher größten Transfers des Sommers in der Premier League werfen, denn die neuen Stars werden, im Idealfall, die kommende Saison maßgeblich beeinflussen.

 

Die Transferkönige aus Manchester

Fangen wir gleich mal mit dem bisher teuersten Transfer an, Leroy Sane, der von Schalke 04 zu Manchester City wechselte. Die Ablöse variiert, je nach Quelle, ein wenig, aber beläuft sich auf ungefähr 50 Millionen Euro. Eine schier unglaubliche Summe für einen 20-jährigen der gerade einmal 33 Spiele in der Bundesliga absolviert hat (bei 8 Toren und 6 Vorlagen).

Allerdings trifft eine solche Betrachtung nicht den Kern der Sache. Sane war der absolute Wunschspieler von Pep Guardiola, sodass man davon ausgehen kann, dass er auf jeden Fall seine Spielanteile in der hochkarätig besetzten Offensive der Citizens bekommen wird. Doch auch das ist nicht der springende Punkt, dieser ist das gigantische Potenzial des flinken Flügelspielers. Er hat schon in der Bundesliga bewiesen, dass er schon jetzt ein Spiel allein entscheiden kann. Seine Unbekümmertheit gepaart mit seinem enormen Tempo und seiner guten Technik sind eine Gefahr für jede Defensive, zudem findet er stets die Räume in der Tiefe. Qualitäten die bei einem Team wie City mehr denn je gefragt sind, jetzt, wo Guardiola da ist. Die Summe bleibt zwar deshalb weiterhin gewaltig, aber der Transfer ist nachvollziehbar und hat hohe Erfolgschancen.

Zudem hat sich City ein weiteres Mal in der Bundesliga bedient, Ilkay Gündogan kam für ca. 27 Millionen Euro vom BVB. Ein logischer Transfer, passt er doch perfekt ins Profil seines neuen Trainers. Seine Qualitäten sind bekannt, einziges Fragezeichen ist seine Gesundheit. Er wird auch jetzt, voraussichtlich noch bis Mitte September, ausfallen. Kein optimaler Start. Man kann auf Seiten der Himmelblauen nur hoffen, dass er, insbesondere sein Körper, mit dem physischen Spiel auf der Insel klar kommt.

Letzter Top-Transfer bis dato bei City ist Nolito. Der 29-jährige Spanier ist ein klassischer Flügelspieler und hat einst beim FC Barcelona B gespielt und ist daher durchaus vertraut mit der Spielidee Guardiolas. Dennoch ist er in dem Starensemble eher eine Verstärkung in die Breite.

Aber auch auf der roten Seite Manchesters wurden bereits drei hochkarätige Transfers getätigt. Über allem schwebt natürlich die Verpflichtung von Zlatan Ibrahimovic (der Autor sieht jegliche Superlative in diesem Zusammenhang als obsolet an, da sie ja schon alle gebraucht wurden). Er kommt ablösefrei von Paris Saint-Germain. Allerdings wird sein üppiges Gehalt zusammen mit einem wahrscheinlich großzügigen Handgeld trotzdem finanziell sehr relevant sein. Der Transfer ist also in keinerlei Hinsicht risikofrei, weder für den Verein, noch für ihn selbst. Dennoch ist er auch eine große Chance, Zlatan wirft, nicht nur durch seine physische Erscheinung, einen großen Schatten. Dieser Schatten ist für die jungen Spieler wie Rashford, Martial und den doch bisher enttäuschenden Depay eine große Chance, sie werden weniger Druck zu spüren bekommen und können sich so womöglich besser entwickeln, wenn sie nicht unter ihm und seiner Präsenz, auf und neben dem Platz, leiden. Zudem ist seine sportliche Qualität weiterhin unbestritten und sein Spiel passt gut zur englischen Liga.

Eine weitere deutliche Verstärkung für die Offensive ist der vielleicht beste Spieler der vergangenen Bundesliga-Saison, Henrikh Mkhitaryan, der für 42 Millionen Euro vom BVB kam. Er ist damit bisher der drittteuerste Transfer des Sommers, obwohl er in Dortmund nur noch ein Jahr Vertrag hatte. Wenn er seine Qualitäten, wie in der vergangenen Saison, einbringen kann, wird er aber eine massive Verstärkung für die Red Devils sein. Er bringt alle nötigen Qualitäten für einen offensiven Mittelfeldspieler von absolutem Weltformat mit, nur seine Chancenverwertung könnte deutlich besser ausfallen. Allerdings hat er beim BVB ein wenig Anlaufzeit gebraucht, das könnte auch bei United durchaus der Fall sein, das Risiko bleibt bestehen.

Auch Innenverteidiger Eric Bailly ist ein großes finanzielles Risiko. Dieser Transfer ist am ehesten mit dem von Sane zu vergleichen. Auch er verfügt über ziemlich wenig Profi-Erfahrung, erst 40 Erstliga-Spiele in Spanien, dafür ist er aber schon Afrika-Cup-Sieger, als Stammspieler. Er verfügt mit seinen 22 Jahren ebenfalls noch über eine Menge Potenzial und ist schon jetzt erstaunlich weit, in La Liga konnte er in der Vergangenheit mehr als überzeugen, ob er sich jedoch auf Anhieb in der Premier League behaupten kann bleibt für uns noch fraglich, zuzutrauen ist es ihm aber allemal.

 

London Calling

 Der FC Arsenal, der unter Arsene Wenger stets verhältnismäßig zurückhaltend sind, hat den bisher zweitteuersten Transfer des Sommers gelandet. Auch dieser kommt, wie Platz 1 und 3 aus der Bundesliga, und zwar ist es Granit Xhaka. Der Schweizer ist ein Spieler ganz nach dem Geschmack von Wenger und auf jeden Fall ein Spielertyp der den Gunners zuletzt fehlte. Sein brillantes Passspiel und seine Leader-Qualitäten sind hinlänglich bekannt, es ist stark damit zu rechnen, dass er sofort das Zepter im Zentrum des Arsenal-Spiels schwingen wird. Allerdings ist er gefordert noch weiter zu reifen und sein mitunter ungestümes Zweikampfverhalten weiter zu verbessern, die vielen Platzverweise aus Gladbacher Zeiten dürften Wenger nämlich gar nicht gefallen. Nichtsdestotrotz ein großer Transfer für Arsenal, die Ablöse von 45 Millionen Euro ist daher schon nachvollziehbar.

Weitere Transfers werden wohl folgen, ein Innenverteidiger und ein Stürmer werden dringend gebraucht.

Beim FC Chelsea konnte man nach der äußerst enttäuschenden Saison 15/16 von großen Veränderungen ausgehen, mit dem neuen Coach Conte kommt zudem ein neues Spielsystem. Bisher konnten die Blues auch schon zwei dicke Fisch an Land ziehen. Zudem ist der Kolumbianer Juan Cuadrado von seiner Leihe zurück und kann quasi als Neuzugang angesehen werden.

Der unumstrittene Top-Transfer ist aber natürlich N´Golo Kante. Der vielleicht beste Spieler der abgelaufenen Premier League Saison kommt für 35,8 Mio. € von Meister Leicester. Überragend in der Balleroberung, physisch unglaublich stark und gut im Umschaltspiel. Da gibt es wenig Negatives zu sagen. Wenn er das Niveau halten kann, dann kann man Chelsea zu diesem Transfer nur gratulieren. Zumal die Ablöse, gemessen an den Marktpreisen, nicht überhöht ist.

Das kann man über den zweiten großen Transfers der Londoner, Michy Batshuayi, nicht sagen. Die Ablöse von 39 Mio. € ist gewaltig für ihn. Er bringt aber natürlich auch einiges mit, das steht ohne Frage. In der abgelaufenen Saison erzielte er starke 17 Tore für eine schwache Marseille-Mannschaft. Er eignet sich, in einem System mit zwei Stürmern, hervorragend als Nebenmann für einen Sturmtank wie z.B. Diego Costa. Er ist schnell, stark auf dem Weg in die Tiefe und sehr gut im Abschluss. Zumal mit 22 Jahren noch sehr entwicklungsfähig. Allerdings ist er nicht so stark im Passspiel und damit nicht unbedingt geeignet als mitspielender Stürmer. Gewisse Bedenken darf man bei ihm sicherlich haben.

 

This is Anfield

 Der FC Liverpool hat ebenfalls schon kräftig hingelangt auf dem Transfermarkt und dabei hochinteressante Spieler geholt, für Jürgen Klopps erste richtige Saison an der Merseyside.

Der teuerste Neuzugang ist Sadio Mane. Der senegalesische Flügelstürmer kommt für etwas mehr als 41 Mio. € vom FC Southampton, bei dem sich Liverpool in der jüngeren Vergangenheit sehr gerne bediente. Er konnte in seinen bisherigen zwei Premier League Saison absolut überzeugen, in der abgelaufenen Saison gelangen ihm 11 Tore und 7 Assists, womit er seine starke Debütsaison (10 Tore, 4 Assists) sogar noch toppen konnte. Er besticht durch Tempo, Technik und Durchsetzungsvermögen. Er kann zu jeder Zeit ein 1-gegen-1 gewinnen und ist somit ein ständiger Unruheherd.  Er passt durch sein laufintensives Spiel perfekt zu Klopp und wird damit sicherlich eine Bereicherung für die Reds sein. Allerdings hat er durchaus Leistungsschwankungen, da wird Klopp gefordert sein ihn zu mehr Konstanz zu verhelfen.

Der nächste Neue ist Georginio Wijnaldum. Der 25-jährige Niederländer kam für ca. 27,5 Millionen Euro vom Absteiger Newcastle United. Er kam in der vergangenen Saison in allen Ligaspielen zum Einsatz und erzielte dabei starke 11 Tore, doch auch er hatte mit starken Leistungsschwankungen zu tun. Davor, bei der PSV Eindhoven, war er wesentlich konstanter und ein absoluter Führungsspieler. Fraglich ob ihm das beim FC Liverpool wieder gelingen kann. Sein großer Vorteil ist seine immense Flexibilität, er kann im Mittelfeld und Angriff nahezu auf jeder Position eingesetzt werden und passt mit seiner Laufstärke gut zum intensiven Spiel.

 

Zu diesen beiden Top-Transfers kommen noch drei weitere Spieler aus der Bundesliga zum FC Liverpool. Logisch, da Klopp diese Spieler natürlich bestens kennt.

Mit Loris Karius wurde für 6,2 Millionen Euro ein sehr guter, junger Torwart verpflichtet. Leider hat er sich in der Vorbereitung verletzt, sodass sein Start nicht optimal verlaufen kann. Allerdings kann man davon ausgehen, dass er die Nummer 1 sein wird, wenn er wieder fit ist. Simon Mignolet stand zuletzt häufig, auch zu Recht, in der Kritik. Karius ist als klare Verstärkung anzusehen, wenn er sein Niveau aus Mainzer Tagen halten kann.

Zudem kamen zwei Innenverteidiger aus Deutschlands Eliteliga. Joel Matip kam ablösefrei von Schalke 04 und der Este Ragnar Klavan für 5 Millionen Euro vom FC Augsburg.

Matip spielte zuletzt, gerade in der Hinrunde, eine herausragende Saison. Technisch stark, sehr guter Spielaufbau, durchaus schnell für einen Innenverteidiger, torgefährlich durch starkes Kopfballspiel. Die Liste seiner Qualitäten ist lang. Absolute Stammspieler-Qualität. Zudem ablösefrei und mit 24 Jahren auch noch entwicklungsfähig, guter Transfer.

Ragnar Klavan könnte es daher schwer haben sich direkt in der Startelf zu etablieren. Allerdings hat sich sein Hauptkonkurrent Sakho zuletzt selbst ins Abseits gestellt, sodass der Este mehr denn je gefragt ist. Allerdings plagen ihn auch Rückenprobleme. Mit seinen 30 Jahren ist er sehr routiniert und konnte in Augsburg seit Jahren überzeugen. Kompromisslos in der Zweikampfführung, gut in der Luft, physisch top und auch solide am Ball. Er braucht sich vor niemandem verstecken. Bei einer

Ablöse von 5 Millionen Euro hält sich auch das finanzielle Risiko in Grenzen. Klopp weiß, was er bekommt.

(Zudem erinnert das Gespann Klavan-Matip den Autoren ein wenig an das Gespann Subotic-Hummels, was zu einer optimistischen Einschätzung führt.)

 

Honorable mentions

 

Leicester City: Ahmed Musa (ZSKA Moskau), Nampalys Mendy (OGC Nizza), Ron-Robert Zieler (Hannover 96)

Tottenham Hotspur: Vincent Janssen (AZ Alkmaar), Victor Wanyama (FC Southampton)

FC Southampton: Pierre-Emile Höjbjerg (Bayern München), Nathan Redmond (Norwich City)

West Ham United: Gökhan Töre (Besiktas), Sofiane Feghouli (Valencia CF), Havard Nordtveit (Borussia Mönchengladbach)

Stoke City: Joe Allen (FC Liverpool)

FC Everton: Idrissa Gueye (Aston Villa)

FC Watford: Isaac Success (FC Granada), Christian Kabasele (KRC Genk)

Crystal Palace: Steve Mandanda (Olympique Marseille), Andros Townsend (Newcastle United)

AFC Bournemouth: Jordan Ibe (FC Liverpool)

FC Middlesbrough: Viktor Fischer (Ajax Amsterdam), Alvaro Negredo (Valencia CF)

 

Christoph Albers

Cruyff-Jünger und Taktik-Liebhaber. Mag präzise Schnittstellen-Pässe, schwarze Leder-Fußballschuhe, Retro-Trikots und hat einen unerklärlichen Hang zu Fußball-Finanzen. Seit 2016 bei 90PLUS.


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