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Renato Sanches – plötzlich mehr wert als 25 Bälle

10. Mai 2016 | Spotlight | BY Chris McCarthy


Es war die Überraschung am 10.05.2016. Quasi aus dem Nichts verpflichtet der FC Bayern München das Top-Talent Portugals. Stolze €35 Millionen + Bonuszahlungen kostet der 18-jährige Mittelfeldspieler. Doch warum genau greift der Rekordmeister für einen Teenager so tief in die Tasche?

Anfänge

Der Sohn eines kapverdischen Paars kam am 13. August 1997 in Lissabon zur Welt und begann bereits mit fünf Jahre bei Águias da Musgueira Fußball zu spielen. 2006 beobachtet Benfica Renato Sanches und verpflichtet das 9-Jährige Talent nach 15 Minuten Scouting. Ablöse: 25 Fußbälle, die Águias Musgueira bis heute nicht erhalten hat.

Hier durchlief Renato Sanches sämtliche Stationen der Akademie und kam letztendlich im Oktober 2014 erstmals beim Reserve-Team zum Einsatz.

Durchbruch

Schon früh merkte Benfica, dass Renato Sanches ein ganz besonderer Spieler werden könnte. Der Junge mit den Rastalocken könnte, nach Rui Costa und Angel Di Maria, der größte Erfolg der ins Stocken geratenen Talentschmiede werden! Die Vereinsführung fackelte nicht lange und stattete den hoffnungsvollen Nachwuchsspieler, noch vor seinem Profi-Debüt, mit einem Vertrag bis 2021 aus. Ausstiegsklausel: € 80 Millionen!

30. November 2015, der Club aus Lissabon steht vor einem Scherbenhaufen: Das Aus im Pokal und damit bereits 3 Niederlagen gegen den Lokalrivalen; Platz 4, mit sieben Zählern Rückstand auf den besagten Tabellenführer Sporting. Der umstrittene Trainer Rui Vitoria schenkt Renato Sanches, nach zwei Einwechslungen zuvor, das Vertrauen und stellt ihn erstmals in die Startelf. Es sollte nicht nur der Durchbruch für den jungen Mann werden, sondern auch die Wende für den gesamten Club!

Renato Sanches steht fortan in 23 Saison-Spielen 22 Mal in der Startelf. Der Club aus Lissabon gewinnt in dieser Zeit 21 der 23 Spiele, bei einem Unentschieden und gerade einmal einer Niederlage. Auch in der Champions League darf Sanches in jeder Partie von Anfang an ran. Letztendlich scheitern die Portugiesen im Viertelfinale knapp an seinem zukünftigen Arbeitgeber aus München. Ironischerweise macht der Newcomer ausgerechnet beim Hinspiel in München, sein wohl schlechtestes Saisonspiel.

Während dieser Phase wird ganz Europa auf den Senkrechtstarter aufmerksam. Lange sieht es danach aus, dass Manchester United das Rennen macht. Die Red Devils beobachten Sanches 25 Mal, doch angeblich will das Eigengewächs Benfica’s unbedingt nach München. Die Bayern einigen sich in nur wenigen Tagen mit Spieler und Verein: €35 Millionen + potentielle Bonuszahlungen (Ballon D’Or-Gewinn etc.) – macht nach übereinstimmenden portugiesischen Medienberichten und nach Informationen des SID eine maximale Ablöse von €80 Millionen!

Typ

Renato Sanches ist ein klassischer Box-to-Box Mittelfeldspieler, ein Achter, der aber sowohl den defensiveren, wie aber auch den offensiveren Part spielen kann. Trotz seiner jungen 18 Jahre ist er körperlich stark. Nicht nur wegen seines Aussehens, sondern wegen seiner Dynamik, Physis und seines Bisses, wird er mit Edgar Davids verglichen.

 

Stärken

Als erstes fällt seine unglaubliche Energie und Dynamik auf. Sanches versucht jedem Spiel seinen Stempel aufzudrücken und ist ein wahres Duracell-Häschen, das über eine unglaubliche Fitness verfügt. Gerade deswegen gelingt es dem Teenager insbesondere in den Schlussphasen einer Partie, oft das Heft in die Hand zu nehmen und seine müden Gegner in Grund und Boden zu laufen.

Auch am Ball hat Renato Sanches herausragende Qualitäten. Der Portugiese ist extrem ballsicher, nicht nur wegen seiner herausragenden Fähigkeit den Ball abzuschirmen, sondern auch wegen seiner ausgezeichneten Dribbling-Fähigkeit. Zudem hat er ein gutes Passspiel und einen wuchtigen Schuss.

Für sein junges Alter strahlt der Mittelfeldmotor eine unglaubliche Routine aus, fast eine Art lässige Arroganz (im positiven Sinne). Das heiß umworbene Talent ist enorm selbstsicher und erstaunlich beständig.

Schwächen

Wie viele in seinem Alter und mit seinem technischen Vermögen, ist der 40-fache portugiesische Junioren-Nationalspieler etwas ballverliebt. Er verpasst noch zu oft den Moment abzuspielen.

Seine intensive Spielweise hat auch Nachteile, nicht selten stand Sanches am Rande eines Platzverweises. Eine weitere seiner Stärken, das Tackling, wird ihm oft zum Verhängnis. Er übertreibt phasenweise und ist, auch wenn er bereits verwarnt worden ist,noch zu ungestüm. Hinzu kommt, dass der Stolz Benfica’s fast schon zu viel Energie versprüht – er will manchmal zu viel! Oft versucht der junge Portugiese das Spiel voreilig schnell machen und tendiert dabei zu „überpacen“. Dies führt zwangsläufig zu gefährlichen Fehlpässen in der Vorwärtsbewegung.

Fazit

Der FC Bayern geht logischerweise ein Risiko ein. Es ist nie ungefährlich solche Summen für so junge Spieler auszugeben. Erfüllen sie ihr Potential? Packen sie den Sprung aus einer vergleichsweise schwächeren Liga in eine Top-Liga? Gewöhnen sie sich an ein neues Land und ein komplett neues Umfeld? Diese Fragen müssen immer gestellt werden und beantworten sich erst mit der Zeit.

Wir sind jedoch sehr zuversichtlich, dass Renato Sanches alle Voraussetzungen mitbringt, um es beim deutschen Rekordmeister schaffen zu können. Seine oben genannten Schwächen glücklicherweise fast alle auf seine fehlende Reife und den „jugendlichen Leichtsinn“ zurückzuführen. Gutes Coaching und vor allem Erfahrung sollten diese Fehler mit der Zeit beheben. Außerdem hat der Mittelfeldmotor eine unglaubliche Fitness und ist schon jetzt körperlich extrem stark – Bedingungen an denen viele Talente oftmals scheitern.

Renato Sanches ist für eine Sockelablöse von 35 Millionen Euro, angesichts der heutigen Preise, eine durchaus sinnvolle Investition für die Zukunft und sollte in seinen ersten Jahren auch so  bewerten werden. Er ist ein noch etwas ungeschliffener Diamant, der tatsächlich genügend Anlagen mitbringt, um es zu einem Weltklassespieler zu schaffen.

Wenn er es nicht schafft, dann ist der Neuzugang der Bayern aufgrund seines großen Talents auch nach drei, vier Jahren immer noch so jung, dass er einen extrem guten Wiederverkaufswert hätte und somit ein Verlust schlimmstenfalls minimal wäre.

Erfüllt er aber tatsächlich sein enormes Potential und zu reift zu einem Weltstar, wird er für die Bayern aufgrund der Klauseln bedeutend teurer. Sollte es aber wirklich so kommen, interessieren die maximal 80 Millionen Euro an der Säbener Straße keinen Menschen mehr.

Im Gegenteil: Sie würden bedeuten, dass Renato Sanches sämtliche Erwartungen übertroffen und sein Potential komplett erfüllt hätte. Es wäre bei den inflationären Ablösesummen, die über die Jahre weiter wachsen werden, eine Investition, die sich gelohnt hat.

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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