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Supercup | Rückblick 2013 Real Madrid vs. Manchester United – Ein Duell mit Folgen

8. August 2017 | Spotlight | BY Marius Merck

Am heutigen Abend treffen in der mazedonischen Hauptstadt Skopje Champions League-Sieger Real Madrid und Europa League-Sieger Manchester United im Finale um den europäischen Supercup aufeinander. In einem Pflichtspiel standen sich die beiden Teams das letzte Mal am 5. März 2013 gegenüber – und dies hatte es in sich, wie ein Rückblick beweist.

 

Grandioser Empfang für einen Heimkehrer

Cristiano Ronaldo muss an dem besagten Datum besonders nervös gewesen sein. Der Portugiese war vier Jahre zuvor für 94 Millionen Euro von United zu Real Madrid gewechselt. Nun standen sich die beiden europäischen Giganten im Rückspiel des Champions League-Achtelfinales gegenüber – und Ronaldo kehrte zum ersten Mal ins Old Trafford zurück. In „sein Stadion“, in welchem er bei ausnahmslos jedem Heimspiel besungen wurde und wo er von einem ballverliebten Talent zu einem torgefährlichen Weltklassespieler reifte.

Sein Wechsel in die spanische Hauptstadt lief keinesfalls ohne Nebengeräusche ab. Der Portugiese wollte bereits nach der Saison 2007/08 unbedingt den Transfer, Sir Alex Ferguson konnte ihn jedoch zu einem weiteren Jahr in England überreden. Dennoch fielen zur damaligen Zeit Worte wie „Sklaverei“ aus dem Camp von Berater Jorge Mendes. Wie würde nun der Empfang für den „verlorenen Sohn“ werden?

(Photo by ANDREW YATES/AFP/Getty Images)

Das Hinspiel im Bernabeu endete durch Tore von Danny Welbeck und eben Ronaldo mit 1:1. Der Portugiese verzichtete nach seinem herrlichen Ausgleichstreffer per Kopf auf den Torjubel, was ihm in der Presse auf der Insel hoch angerechnet wurde. Seine gezeigten Leistungen im roten Dress wurden ihm von den United-Fans noch vieler höher angerechnet und blieben folglich in Erinnerung.

Als die Mannschaften bereits auf dem Platz standen, wurden von dem Stadionsprecher die Aufstellungen den Rückennummern nach vorgelesen. Bei der Vorstellung der Gäste wurde die Nummer 7 bewusst ausgespart und stattdessen am Ende mit einem ohrenbetäubenden „Welcome back!“ angekündigt, woraufhin das ganze Stadion sich erhob und Ronaldo sichtlich berührt ins Publikum winkte. Anschließend würde er – laut eigener Aussage – eines seiner schlechtesten Spiele abliefern.

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Im Vorfeld | Manchester United: Ende einer Ära

United blieb auch nach dem Abgang von Ronaldo übrigens ein europäisches Schwergewicht. In der Saison 2010/11 zog der englische Rekordmeister beispielsweise erneut in das Finale der Champions League ein, doch langsam zeichnete sich ab, dass die Generation, angeführt von den Klublegenden Ryan Giggs und Paul Scholes sowie herausragender Persönlichkeiten wie Rio Ferdinand, Nemanja Vidic oder Patrice Evra, welche unzählige internationale Schlachten geschlagen hatten, langsam zu ihrem Ende fand.

In der Saison 2011/12 schied der Klub bereits in Vorrunde aus und verlor auch in der Liga die Meisterschaft an den ungeliebten Nachbarn aus der eigenen Stadt. Daraufhin wurde Arsenal-Kapitän Robin Van Persie verpflichtet. Mit ihm als Schlüsselspieler wollte es vor allem der durch die Niederlagen aus dem Vorjahr hochmotivierte Ferguson noch einmal wissen.

Am 5. März 2013 angelangt, war man der Konkurrenz in der Liga schon weitestgehend enteilt, der Schotte konnte nach dem 1:1 Achtelfinal-Hinspiel bedenkenlos seine stärkste Elf aufbieten.

(Photo by Jasper Juinen/Getty Images)

Zu dieser gehörte nach Ansicht des Schotten überraschenderweise nicht Wayne Rooney, welcher nur auf der Bank Platz nehmen durfte. Dieses Spiel symbolisiert den Riss in Beziehung zwischen Ferguson und seiner Nummer 10. Bis zum Saisonende war das belastete Verhältnis der beiden ein heißes Thema in der Presse und mündete in einer Transfer-Anfrage des Engländers am Saisonende, wie Ferguson nach seinem letzten Spiel genüsslich bekannt gab…

Doch zunächst ein Blick nach Madrid!

 

Im Vorfeld | Real Madrid vor dem größter internationaler Sieg in der „schwarzen Ära“

… welcher am beim damaligen Aufeinandertreffen noch für den Gegner an der Seitenlinie stand. Der Portugiese wurde 2010 von Florentino Perez engagiert, um die „Königlichen“ vor allem auf der internationalen Bühne wieder salonfähig zu machen. Der Rekordsieger der Champions League war seit der Saison 2004/2005 in jeder (!) Saison im Achtelfinale der Königklasse gescheitert. Unter Mourinho konnte dieser Makel gleich im ersten Jahr behoben werden.

(Photo by Alex Livesey/Getty Images)

Die Freude war entsprechend groß, als man im Achtelfinale der Saison 2010/11 gegen Olympique Lyon eine Runde weiterkam – noch im Vorjahr war man an gleicher Stelle gegen denselben Gegner ausgeschieden. Über Champions League-Neuling Tottenham ging es dann bis ins Halbfinale weiter, wo gegen den späteren Sieger FC Barcelona nach zwei hassgeprägten Duellen Endstation war. „Hass“ war generell das Wort, welches man Mourinho während seiner Zeit in Madrid in Verbindung brachte. Nach dem Ausscheiden gegen den Erzrivalen übte sich der Übungsleiter in teilweise hanebüchen Verschwörungstheorien und verlieh bereits zwei Jahre vor seinem Abgang seiner Ära jenen Anstrich, der trotz späterer Erfolge haften bleiben sollte.

Denn heutzutage redet man eher über die verbalen Ausfälle gegen Barcelona, Guardiola, Spanien generell oder die UEFA als über die folgende Saison: Real Madrid gewann die Meisterschaft mit ansehnlichen Fußball und stellte mit 121 Treffern in der Liga einen Torrekord auf. In der KO-Runde der Champions League nahmen die „Königlichen“ die weniger schwierigen Prüfungen ZSKA Moskau und Apoel Nikosia mit Bravour, bevor man im Achtelfinale gegen den FC Bayern München im Elfmeterschießen ausschied.

(Photo by Jasper Juinen/Getty Images)

Im dritten Jahr sollte es endlich klappen mit dem der (damals) ersehnten „La Decima“. Doch die Stimmung beim Meister war von Anfang vergiftet. Die Mannschaft spaltete sich in zwei Lager, der Trainer führte öffentlich Streitigkeiten mit Sergio Ramos, Cristiano Ronaldo und allen voran Kapitän Iker Casillas aus. Letzterer verbannte er nach der Vorrunde auf die Ersatzbank und verpflichtete mit Diego Lopez einen neuen Torwart, der übrigens einer der Matchwinner des besagten 5. März 2013 werden sollte…

 

Das Spiel

Doch der Reihe nach! Die Engländer legten motiviert los: In der ersten Halbzeit lieferte das Heimteam einen wahren Sturmlauf ab. Real-Schlussmann Diego Lopez rettete mehrmals sensationell. Nach Wiederanpfiff der zweiten Halbzeit ging man durch ein Eigentor von Sergio Ramos vollkommen verdient in Führung, danach wendete sich allerdings das Blatt.

(Photo by Jasper Juinen/Getty Images)

Nur wenige Minuten nach dem ersten Treffer sah Nani für hartes, aber unabsichtliches Einsteigen gegen Alvaro Arbeloa die Rote Karte. In Überzahl konnten die Madrilenen das Spiel und die Gesamtpaarung noch zu ihren Gunsten drehen. Ferguson war nach dem Spiel so wütend über den Platzverweis, dass er laut seinem Assistenten Mike Phelan nicht in der Lage gewesen sei, zu der Pressekonferenz zu erscheinen, bei eben jener er von Phelan vertreten wurde.

Nach dem Platzverweis für Nani spielte Real Madrid mit Mourinho-typischer Effizienz. Der Gegner in Unterzahl hatte im eigenen Stadion auch mit frenetisch antreibenden Fans keine Chance mehr. Luka Modric und Cristiano Ronaldo (erneut ohne Torjubel) – mit seiner einzig nennenswerten Aktion: ein Abstauber – drehten die Führung der „Red Devils“. Am Ende verwalteten die Madrilenen den Sieg.

Die damaligen Aufstellungen

Manchester United: De Gea – Rafael (87., Valencia), Ferdinand, Vidic, Evra – Nani, Carrick, Cleverley (73., Rooney), Giggs – Van Persie, Welbeck (83., Young)

Real Madrid: Lopez – Arbeloa (59., Modric), Ramos, Varane, Coentrao – Khedira, Alonso – Di Maria (46., Kaka), Özil (73., Pepe), Ronaldo – Higuain

Tore: 1:0 Ramos (ET; 48′); 1:1 Modric (66′); 1:2 Ronaldo (69′)

 

Nachwirkungen in Manchester

Sir Alex Ferguson wusste zum damaligen Zeitpunkt, dass er am Saisonende sein Amt als Trainer nach fast 27 Jahren niederlegen würde und es somit sein letztes Europapokal-Spiel als Übungsleiter sein würde. Mit ihm verabschiedete sich an diesem Abend quasi seine „letzte große“ Generation von Spielern von der europäischen Bühne: Scholes beendete nach der Saison seine Karriere, Giggs, welcher an diesem Abend sein 1000. (!) Pflichtspiel absolvierte, hörte ein Jahr später auf. Zum gleichen Zeitpunkt verließen die Kapitäne Vidic, Ferdinand und Evra den Verein.

(Photo ANDREW YATES/AFP/Getty Images)

Die „Red Devils“ zogen nach der Saison nur noch einmal in die KO-Runde der Champions League ein. Viel eher ist der Klub nach den gescheiterten bis mäßigen Spielzeiten unter David Moyes und Louis Van Gaal (immer noch) auf der Suche nach einer neuen Identität. Diese neue Ära soll seit einem Jahr ausgerechnet José Mourinho begründen …

 

 

Nachwirkungen in Madrid

Nach dem Spiel meinte Mourinho, dass „die bessere Mannschaft“ ausgeschieden sei. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits heftig über seine sportliche Zukunft spekuliert. Viele Experten waren der Ansicht, dass er mit diesen Aussagen weiter an seinem Ziel, irgendwann Trainer des Klubs zu werden, arbeiten würde. Zumindest scheint es rückblickend nahe liegend, dass der stets mit Kalkül agierende Portugiese schon gewisse Gerüchte um Ferguson vernommen haben könnte.

Sollten diese Aussagen tatsächlich mit diesem Hintergrund getroffen worden sein, musste sich Mourinho wenige Wochen später wie in einem schlechten Film gefühlt haben: United präsentierte Everton-Coach David Moyes als Nachfolger von Ferguson.

(Photo by PIERRE-PHILIPPE MARCOU/AFP/Getty Images

Nach dem Achtelfinale ging es für Real ging über die abermals machbare Hürde Galatasaray jedenfalls ins Halbfinale, wo das Team von einem furiosen BVB entzaubert wurde. Robert Lewandowski beendete mit vier Treffern im Signal-Iduna-Park die europäische Ära von Mourinho in Madrid. Mit viel verbrannter Erde verließ „The Special One“ am Saisonende Spanien um bei Chelsea nach eigener Aussage zum „Happy One“ zu werden. Nach dem Meistertitel 2015 kam es zu einer ähnlichen Entwicklung wie in Madrid, weshalb Mourinho im Dezember des gleichen Jahres wenig happy seinen Hut nehmen musste.

Der Portugiese mag in seiner Zeit in Madrid zwar drei Mal das Halbfinale der Königsklasse erreicht haben, ein „richtiges“ europäisches Schwergewicht musste in dieser Zeit jedoch nicht aus dem Weg geräumt werden – mit Ausnahme dieses United-Teams, dass seinen letzten großen Anlauf auf den europäischen Thron nahm.

Mit Carlo Ancelotti gewann Real Madrid direkt in der nächsten Saison die Champions League – mit nahezu demselben Kader (plus Gareth Bale).

 

 

Wieder ein Wendepunkt im europäischen Fußball?

Der Rückblick zeigt, wie schnell sich der beliebteste Sport der Welt heutzutage verändert: Mittlerweile dominiert Real Madrid unter Zinedine Zidane, welcher unter Mourinho das B-Team trainierte, den europäischen Fußball und konnte als erstes Team im vergangenen Jahr den Titel in der Champions League verteidigen. Cristiano Ronaldo wurde seit dem letzten Duell drei Mal als Weltfußballer des Jahres ausgezeichnet.

Während dessen kämpfen United und Mourinho darum, wieder an den alten Glanz vergangener Tage anzuknüpfen. Nach einem durchwachsenen ersten Jahr, an dessen Ende immerhin drei Titel standen, könnte ein Erfolg heute Abend der Zünder für United in eine erfolgreiche zweite Saison sein.

Vor der Partie kamen Gerüchte über einen Wechsel von Gareth Bale zu den „Red Devils“ auf. Mourinho begann mithilfe der Thematik seine Psycho-Spielchen vor der Partie und meinte, dass er „um Bale kämpfen“ würde, wenn dieser „nicht in der Startaufstellung“ stünde. Angesichts des konkreten Interesses der Königlichen an Monaco-Juwel Kylian Mbappé ist zumindest ein Abgang des Walisers nicht vollkommen ausgeschlossen. Für Experten wie Gary Neville und Jamie Redknapp wäre United mit Bale in der Premier League „kaum zu schlagen“. Vielleicht spricht man auch von dem Spiel heute in einiger Zeit von einem Wendepunkt.

(Photo FILIPPO MONTEFORTE/AFP/Getty Images)

Wahrscheinlich wird man eher bei späterem Studium der Aufstellungen zu einem ähnlichen Staunen kommen: Noch vor vier Jahren verteidigten Ferdinand und Vidic zusammen, heute bilden beide die Innenverteidigung bei Benefizspielen; Sami Khedira und Mesut Özil waren absolute Stammspieler bei den Königlichen, mittlerweile spielen beide seit Jahren bei anderen europäischen Topklubs; Angel Di Maria verließ Madrid im Ärger und durchlebte in einem Jahr im Old Trafford noch viel mehr Ärger.

Der Fußball ist in den letzten vier Jahren gefühlt noch viel schnelllebiger geworden: Es werden höhere Ablösesummen und Gehälter gezahlt, es gibt bedeutend mehr Investoren und es gibt deutlich mehr Spiele. Dadurch läuft man manchmal Gefahr die wirklich epochalen Momente und Wendepunkte dieses Sports zu übersehen – so wie es diese in der letzten Partie der beiden Gegner von heute Abend ein reichlicher Menge gab.

(Photo by ANDREW YATES/AFP/Getty Images)

 

 

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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