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Transferschluss vor Saisonstart und die Lehren des Transfersommers…

11. September 2018 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Im abgelaufenen Transfersommer wurden wieder einmal einige Toptransfers getätigt, der ein oder andere Spitzenverein, von dem man eben jene hätte erwarten können, hat sich aber überraschenderweise zurückgehalten. Wir sprechen mit Marius Soyke, Redakteur von Transfermarkt.de, über den abgelaufenen Transfersommer, bewerten die neuen Regularien hinsichtlich der Deadlines und geben einen kleinen Ausblick in die Zukunft. 

 

Transferschluss vor Saisonstart?

90PLUS: Ein langer Transfersommer liegt hinter uns. Die Weltmeisterschaft hatte ebenso Auswirkungen auf diesen Sommer wie der frühere Transferschluss in großen Ligen wie der Premier League und der Serie A. Wenn man das Augenmerk vor allem auf die beiden genannten Ligen legt, würdest du sagen, dass sich die neuen Regularien positiv auf das Transfergeschehen ausgewirkt haben? Und würdest du einen früheren Transferschluss vor Ligabeginn auch in den anderen Ligen befürworten?

M. Soyke: Um der Begründung mal vorweg zu greifen: Ja, das würde ich auf jeden Fall befürworten. Auch wenn in beiden Ligen letztlich nicht wesentlich weniger investiert worden ist, als in den Vorjahren – in der Serie A viel mehr sogar ein neuer Rekord aufgestellt worden ist – hatte man durchaus das Gefühl, dass diese oft beschworenen „Panikkäufe“ spürbar abgenommen haben. Klar: Einen Fall Kepa hätte es in der Form vielleicht nicht gegeben, wenn Chelsea noch drei Wochen Zeit gehabt hätte, eine „vernünftige“ Ablöse für einen Torwart zu verhandeln. Aber dafür, dass dieses Jahr das erste mit einem kürzeren Transferfenster in zwei Top-Ligen war, hat es sich doch durchaus schon ausgewirkt. 

(Photo by Daniel LEAL-OLIVAS / AFP)

Gewinner und Verlierer des Sommers

90PLUS:  Der Transfer von Cristiano Ronaldo von Real Madrid zu Juventus Turin überstrahlte in diesem Sommer natürlich alles. Zwar wurden noch weitere Toptransfers durchgeführt, aber eben keiner in dieser Größenordnung. Abgesehen von Ronaldo, welche Transfers würdest du hervorheben? Welche Verstärkungen siehst du als besonders vielversprechend an?

M. Soyke: Da jetzt einige wenige Transfers herauszuheben, ist natürlich eine harter Anforderung.  Aber eigentlich kann man Juventus gleich noch mal erwähnen: Emre Can verdient mit 5 Millionen Euro natürlich relativ viel, aber einen Spieler dieser Qualität ablösefrei zu verpflichten, ist wie ein Hauptgewinn für Marotta & Co. Gleiches gilt für Gelson Martins und Atlético Madrid. Wenn es dabei bleibt und kein Gericht seine Kündigung bei Sporting als unrechtmäßig erklärt, dann ist das ein Sensationstransfer für die „Colchoneros“.

Ansonsten hat der FC Liverpool auf dem Transfermarkt unglaublich geschickt agiert. Mit Naby Keita und Alisson hat Jürgen Klopp zwei Schlüsselpositionen mit Top-Spielern besetzt und vielleicht den Kader noch einmal runder gemacht. Fabinho ersetzt Can 1:1 und einen Shaqiri als Option zu einem verhältnismäßig günstigen Kurs schlägt auch niemand ab. Darüber hinaus haben z.B. Monaco mit den vielen U20-Talenten und Betis Sevilla mit, für den Klub, großen Namen wie Lo Celso oder William Carvalho eine sehr interessante Transferperiode hinter sich.

 

90PLUS: Einige große Klubs in Europa haben in diesem Sommer neue Trainer verpflichtet, zudem verursachten die Abgänge von Schlüsselspielern eine gewisse Handlungsnotwendigkeit auf dem Transfermarkt. Wenn man sich die Spitzenklubs in Europa genauer anschaut: Welche Gewinner und Verlierer fallen dir auf?

M. Soyke: Juventus und, wie erwähnt, Liverpool haben einen starken Transfermarkt hinter sich. Über den Tausch von Caldara zu Bonucci kann man geteilter Meinung sein. Kurzfristig mit dem Ziel Henkelpott kann ich den Move Juves aber sehr nachvollziehen. Gewinner darüber hinaus: Real Madrid, das sich trotz der Ronaldo-Millionen nicht hat zu etwas Wahnsinnigem treiben lassen, sondern seine Strategie mit Top-Talenten weiterverfolgt. Klar sind Vinicius und Rodrygo „sauteuer“ dafür, dass sie sich in Europa noch nicht durchgesetzt haben. Aber ich bin überzeugt, dass sie das packen werden. Des Weiteren: Atlético, Monaco – und auch der FC Bayern, der für null Ablöse mit Goretzka und Gnabry zwei Spieler bekommen hat, die den deutschen Fußball nachhaltig prägen können. 

(Photo by PIERRE-PHILIPPE MARCOU / AFP)

Verlierer: PSG, das es – wohl aufgrund des Financial Fair Play – nicht geschafft hat, Thomas Tuchel all seine Wünsche zu erfüllen. Gerade im zentralen Mittelfeld klafft da ein relativ großes Loch, wenn – wie gerade – Verratti und Diarra ausfallen. Der Kader ist unausgewogen besetzt. Die Offensive ist pro Position drei bis vierfach besetzt, während im Mittelfeld Optionen fehlen.

Dann: Manchester United, zumindest solange Mourinho dort Trainer ist. Er hat es nicht geschafft, seine Verpflichtungen der vergangenen Jahre auf ein Niveau zu bringen, auf dem Ziele wie Meisterschaft und Champions League realistisch werden. Zeitgleich schaffte er es ebensowenig, vielversprechende Leute wie Martial so in sein System zu integrieren, dass sie ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Ich stecke im englischen Fußball jetzt nicht so drin, wie etwa im italienischen. Aber auf mich wirkt das bei den „Red Devils“ auf mittel- oder langfristige Sicht wenig durchdacht. Und zu guter Letzt: RB Leipzig, wenn man sie denn als Top-Team deklarieren möchte. Irre viel Geld für Keita eingenommen, ihn aber nicht mal ansatzweise ersetzt. 

 

Spielerstreiks

90PLUS: In den vergangenen Transferperioden zeichnete sich ein Trend ab, der den Vereinen keinesfalls schmecken dürfte. Immer häufiger haben Spieler ihren Willen, ihren Wechselwunsch durchdrücken können. Teilweise haben Berater Druck ausgeübt, mitunter haben aber auch die Spieler den Weg über die (auch sozialen) Medien gesucht, sogar Trainingsstreiks wurden ausgeübt. Wie siehst du diese Entwicklung und denkst du, dass sie sich überhaupt stoppen lässt?

M. Soyke: Das wird sich kaum stoppen lassen. Man kann natürlich noch so gut auf den Charakter achten, wenn man einen Spieler verpflichtet. Ausschließen lässt sich so ein Zug aber eben doch nie. Man liest ja immer wieder, die Forderung, dass Verträge doch dazu da seien, um eingehalten zu werden. Auf der anderen Seite verpflichten Vereine Spieler ja aber auch mit dem Hintergedanken, diesen nach guter Entwicklung für einen maximalen Gewinn weiterzuverkaufen.

 

Financial Fair Play

90PLUS: Ein wichtiges Thema, das den Transfermarkt massiv beeinflusst, ist natürlich das Financial Fairplay. Der Grundgedanke hinter der Einführung dieser Regularien war insgesamt sicher nicht schlecht, allerdings gibt es immer lauter werdende Kritik an der Durchführung des FFP. Wie stehst du der Tatsache gegenüber, dass viele Klubs die Schlupflöcher kennen und nutzen, es entsprechend viele Leihen mit Kaufoption oder -pflicht gibt, die Ausgaben auf mehrere Jahre verteilt werden? Sollte härter durchgegriffen, den Vereinen viel gründlicher auf die Finger geschaut werden?

M. Soyke: Grundsätzlich wäre das sicher zu befürworten. Der Gedanke, dass man nur ausgeben kann, was man auch eingenommen hat, ist ja kein falscher. Auf der anderen Seite muss das dann aber auch wirklich konsequent gemacht werden. Inter Mailand etwa hat tierische Probleme mit dem Financial Fairplay, obwohl die chinesischen Investoren das Geld grundsätzlich haben. Bei anderen Vereinen hat man das Gefühl, dass die Regeln nicht so konsequent durchgesetzt werden.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Dass Ausgaben über mehrere Jahre verteilt werden, ist nicht erst seit Einführung des FFP so. Die Ablösen werden in den Bilanzen über die Dauer der Verträge abgerechnet. Und mit einer Kaufpflicht schiebt man im Grunde auch nicht wirklich auf – zumindest laut UEFA-Chef Ceferin wird ein solcher Transfer ja im Fairplay bereits für das Jahr der Leihe aufgenommen. Ob das dann konsequent verfolgt wird? Gute Frage.

 

90PLUS: In den letzten Jahren stiegen die Ablösesummen weltweit immer weiter an. Selbst vermeintlich „sichere“ Ausstiegsklauseln wie die von Barca-Stürmer Neymar (222 Mio. Euro) oder Athletic-Torhüter Kepa wurden problemlos aktiviert. Wie siehst du diese Entwicklung und wie würde dein Ausblick in die Zukunft aussehen? Gibt es irgendeine Grenze? Sollten dahingehend vielleicht Grenzwerte von den Verbänden festgelegt werden? Wie werden die Transfers der Zukunft aussehen?

M. Soyke: Solange die Vermarktung weiter in diese Richtung läuft und die Menschen den Fußball weiter derart konsumieren, wird sich auch daran nichts ändern. Ich habe kürzlich für Transfermarkt mit Jonas Boldt gesprochen (Interview für unser neues Saisonheft – ein klein wenig Werbung an dieser Stelle.). Der sagte mir, dass es für ihn eine einfache mathematische Gleichung sei: Die Einnahmen steigen stark, daher können auch höhere Preise für Ablöse und Gehälter bezahlt werden. Man dürfe jedoch die Fans dabei nicht aus den Augen verlieren.

Wie die Vereine das auf Dauer angehen, wenn sich die Verbände wie FIFA, DFB & Co., immer tiefer in Skandale verstricken und die „Basis“ offenbar bereits aus den Augen verloren haben, wird sich zeigen. Dass 100-Millionen-Transfers aber bald zur „Tagesordnung“ übergehen, halte ich für kaum aufzuhalten, wenn sich nicht – wie schon gesagt – grundlegend etwas ändert. Ich finde den Ansatz, die Leihen zu begrenzen, schon mal gar nicht so schlecht. Ansonsten hat man bald nur noch Vereine mit irre viel Geld, die einen Pool an Spielern rumreichen, bis einer gut genug für den eigenen Kader ist. 

 

Vielen Dank für das Gespräch! 

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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