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UEFA: Angst vor konsequentem Handeln – Rassismuseklat in der Champions League

9. Dezember 2020 | Spotlight | BY Damian Ozako

Der Vorfall beim gestrigen Champions-League-Spiel zwischen Paris Saint-Germain und Basaksehir sowie die darauffolgenden Diskussionen haben mal wieder aufgezeigt, wie viel Aufklärungsarbeit in Sachen Rassismus notwendig ist. Die UEFA hat ein schlechtes Bild abgegeben. Ein Kommentar. 

Paris Saint-Germain vs Basaksehir: Rassismus in der Champions League

In der 13. Minute der Champions-League-Partie zwischen Paris Saint-Germain und Basaksehir kommt es zu einem harten Zweikampf zwischen Kimpembe und Gulbrandsen. Die Bank der Gäste aus Istanbul beschwert sich lautstark. Eine Szene, die im Fußball alltäglich ist. Dass sich der vierte Offizielle Sebastian Coltescu dann deutlich im Ton vergreift, ist allerdings eine Grenzüberschreitung. Was darauf im Stadion und in den sozialen Netzwerken folgte, war, mal wieder, peinlich und teilweise verachtenswert. Es fängt an bei den Ausreden und Relativierungen Coltescus, der auf sprachliche Missverständnisse hinweist, die natürlich von denjenigen, die in einer anti-rassistischen Haltung überempfindliche Reaktionen sehen, dankend aufgenommen werden. Lieber wollen diese Menschen genau das tun, was sie anderen in so vielen Debatten, seien es bezüglich Rassismus, Homophobie, Sexismus oder anderer ähnlicher Themengebiete, vorwerfen: Die moralische Überlegenheit demonstrieren.

Es werden Scheinargumente aufgemacht. Es wird auf die Verbindung des Klubs zu Erdogan hingewiesen, die Haltung betont, dass das Ignorieren der Hautfarbe doch richtig sei und diejenigen, die diese überhaupt noch sehen, rassistisch seien und viele weitere, teils abstruse, Argumentationsketten werden gestartet. Dass nicht jeder ein Rassist ist, der sich in solchen Gedanken wiederfindet, ist klar, aber im Endeffekt geht es um einen Punkt: Die Anerkennung, dass nicht nur der Nazi in Springerstiefeln rassistisches Verhalten an den Tag legt, sondern im Grunde alle Personen hin und wieder Alltagsrassismus ausleben. 

Schmerzhafte Realität

Es ist ein schmerzhafter Gedanke, zumindest für diejenigen, die von tiefster Überzeugung sind, nicht rassistisch zu handeln, aber es ist nun einmal wahr. Auch wenn es oftmals nicht gemerkt wird. Es ist wichtig auf folgendes zu achten: Denjenigen zuzuhören, die einem das problematische Verhalten aufzeigen und erklären wollen, was genau falsch lief. Nur so kann aus diesen Situationen gelernt werden. Dass dies unangenehm ist, dürfte allen Beteiligten klar sein. Schlimmer ist jedoch die Machtlosigkeit, die jemand verspürt, wenn er oder sie aufgrund seiner Hautfarbe, Sexualität, Religion oder anderer Merkmale ausgegrenzt, beleidigt oder verhöhnt wird und die Bedenken eben nicht angehört oder leider nur relativiert werden. Das eigene Gesicht wahren zu wollen, ist vermutlich eine menschliche Reaktion, aber in diesem Moment nicht angebracht. Hört zu, lernt und gesteht Fehler ein. Jeder, der auf ein friedliches Miteinander aus ist, dürfte an dieser Reaktion interessiert sein.

UEFA: Angst vor dem richtigen Schritt

Wie man es nicht macht, hat das gestrige Schiedsrichtergespann gezeigt, das jegliches Fingerspitzengefühl vermissen ließ und sich lieber in Ausreden und Relativierungen flüchtete. Dass die Spieler letztendlich den Platz verließen und sich auch nicht auf irgendwelche Kompromisse einließ, ist angesichts der Reaktion der Schiedsrichter verständlich und auch richtig. Es wurden keine Fehler eingestanden. Coltescu und Co. wollten ihr Gesicht wahren. Auch die UEFA, die zwar „gründliche Untersuchungen“ ankündigte, aber nichtmal auf der Webseite ein längeres Statement veröffentlichte, gab ein schlechtes Bild ab. Bevor hier kommunikativ wirklich ein großer Schritt getätigt und es ein klares Zeichen, sowie konsequente Handlungen gibt, wird lieber schnell ein #NoToRacism in die Tasten gehauen. Das hilft dabei zu zeigen, dass man nicht rassistisch ist. Sich dementsprechend zu verhalten und eine konsequente anti-rassistische Haltung einzunehmen, ist dann ja nicht mehr notwendig, oder? 

Die UEFA hat so viel Angst davor, bei konsequenten und notwendigen Schritten, irgendeinen Fehler zu begehen, dass sie lieber auf hohle Phrasen und Distanzierungen setzt. Es wird gehofft, dass Pierre Webo vielleicht für ein nettes Foto zu haben ist, Demba Ba ein kleines Interview geben kann und am Wochenende ist der Vorfall dann wieder vergessen. Alles gut, oder? Vielleicht für die allermeisten, aber der Schmerz und die Demütigung, die nicht nur Pierre Webo, sondern Millionen Menschen auf Amateurplätzen und auch im Alltag erleben, bleibt. Die Verharmlosung auch. Danke, UEFA. Chance, mal wieder, verpasst. Aber das wichtigste erreicht: PSG spielt heute Abend doch noch gegen Basaksehir. Glück gehabt. 

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Damian Ozako

(Photo by FRANCK FIFE/AFP via Getty Images)

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


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