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Wie sinnvoll ist das Festhalten des 1. FC Nürnberg an Michael Köllner?

10. Februar 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Der 1. FC Nürnberg befindet sich in einer mindestens mittelschweren sportlichen Krise. Selbst das „Endspiel“ im Tabellenkeller bei Hannover 96 am gestrigen Samstag wurde mit 0:2 verloren, erneut strahlte die Offensive kaum Gefahr aus, die Defensive produzierte den ein oder anderen Fehler zu viel. Wie lange kann man noch am Trainer festhalten?

Trainerfrage „stellt sich nicht“

Zunächst einmal zu den Fakten: Der „Club“ steht auf dem letzten Platz in der Tabelle, konnte in 21 Spielen lediglich 12 Punkte einfahren. Gemeinsam mit dem VfB Stuttgart stellt man die schlechteste Offensive der Liga (17 Tore), die schlechteste Defensive stellt man gar alleine (46 Gegentore). Trotzdem hielt Sportvorstand Bornemann weiter zu Trainer Köllner.

„Es gibt keinen Ansatzpunkt, darüber zu diskutieren. Mit 11 gegen 11 hätten wir heute gute Chancen gehabt, die Mannschaft ist intakt, deshalb stellt sich die Frage nicht.“

Andreas Bornemann bei „Sky“ über Trainer Michael Köllner

Köllner der Jugendförderer

Dass die Mannschaft intakt ist und hinter dem Trainer steht, kann durchaus sein. Michael Köllner ist nämlich ein Trainer, der mit seiner Art sehr gut zum 1. FC Nürnberg und vor allem auch zur finanziellen Situation passt. Köllner gibt jungen Spielern die Chance im Profifußball, entwickelt diese und hat einigen Talenten geholfen sich in der Bundesliga oder im Profibereich insgesamt zu etablieren. Lukas Mühl, Eduard Löwen, Patrick Erras, Alexander Fuchs, Simon Rhein – all diese Spieler kamen aus der eigenen Jugend oder wurden sehr jung verpflichtet, aufgebaut, eingesetzt. Sie profitierten von Michael Köllner, stehen voll und ganz hinter ihm.

(Photo by Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images)

Köllner bewies in den letzten Jahren also ein gutes Gespür dafür, welche Jugendspieler reif genug für den Sprung zu den Profis sind, welche Spieler kurzfristig den nächsten Schritt gehen und vor allem auch mit dem höheren Tempo umgehen können. Dass man diesen Spielern in Nürnberg uneingeschränkt vertraut, hat auch für den – nicht auszuschließenden – Fall des Abstiegs einen Vorteil. Diese Spieler überlegen sich zweimal, ob sie den FCN nach einem Abstieg verlassen oder ob sie versuchen gemeinsam für den Wiederaufstieg zu kämpfen, in ihrer gewohnten Umgebung, in ihrer (teilweise) Heimat.

Transferpolitik: Wenig Geld, keine Volltreffer

Michael Köllner hatte im Sommer 2018 eine sehr schwere Aufgabe vor der Brust. Er hatte einen guten, aber nicht alles überragenden Zweitligakader zur Verfügung und sollte aus ihm eine Mannschaft formen, die den Klassenerhalt in der Bundesliga schaffen kann. Mit wenig Geld. Was benötigt man dann, abgesehen von guten, hungrigen Jugendspielern, die Dampf machen? Richtig, vor allem ein gutes Händchen bei den externen Neuverpflichtungen. Wenn wenig Geld zur Verfügung steht, muss das Scouting umso besser sein, die wenigen Maßnahmen, die man treffen kann, müssen sitzen.

Betrachtet man die Neuverpflichtungen im Sommer, dann muss man feststellen, dass kein Spieler unfassbar gut eingeschlagen hat. Ersatztorhüter Klandt kam ebenso ablösefrei wie Kevin Goden (6 Pflichtspiele) und Törles Knöll (13 Pflichtspiele, meist Kurzeinsätze). Die Leihe von Timothy Tillman vom FC Bayern zahlte sich nicht aus, Robert Bauer ist ein solider Kaderspieler, Matheus Pereira lässt seine Klasse zu selten aufblitzen und auch von Yuya Kubo erwartete man sich mehr. Christian Mathenia, der günstig aus Hamburg kam, rückte erst zum 8. Spieltag in die Startelf, musste zwischendurch auch noch verletzt pausieren und Toptransfer Misidjan, der immerhin 3 Millionen Euro kostete, hatte man auch mehr als 3 Scorerpunkte zum jetzigen Zeitpunkt zugetraut. Wie handlungsbeschränkt die Franken sind, zeigte sich im Winter, als lediglich Ivo Ilicevic, zuletzt in Kasachstan tätig, verpflichtet wurde.

Schwacher Kader, aber auch viele Ausreden

Der Kader, den Michael Köllner zur Verfügung hat, ist also nicht gerade überragend. Dass man damit aber dennoch Chancen auf den Klassenerhalt hat und dass man auch mit einem schwachen Kader in der Liga bleiben kann, zeigt sich immer wieder, verdeutlichte unter anderem das Beispiel Darmstadt. Der 1. FC Nürnberg spielt oftmals mit der nötigen Leidenschaft, versucht dagegenzuhalten. Aber die Köllner-Elf findet zu selten Lösungen, schafft es nicht einen Spielstil zu entwickeln, der die individuelle Unterlegenheit entsprechend kaschiert. Der ein oder andere Systemwechsel wurde zwar vorgenommen, ein klarer Plan steckte aber, so hat es zumindest den Anschein, nicht immer dahinter.

(Photo by Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images)

Und so muss man sich auch die Frage stellen, was der Trainer für die Situation kann. Natürlich ist es nicht einfach mit diesem Kader zu arbeiten, wenn man kaum Aussichten auf qualitativ hochwertige Verstärkungen hat, die Ausreden, die Köllner immer wieder preisgibt, lesen sich auch eher so, als wären die Aussagen aus der Verzweiflung heraus getroffen worden. Nach der 0:2-Niederlage in Hannover bemängelte er die kurze Nachspielzeit in der 2. Halbzeit, allerdings hatte der FCN im gesamtem Verlauf des zweiten Durchgangs kaum eine nennenswerte Offensivaktion, wirkte ideenlos. Ja, es mag sein, dass Michael Köllner die Mannschaft weiter erreicht, sie ihm zuhört und versucht seine Vorgaben umzusetzen. Vielleicht sind aber genau diese Vorgaben derzeit in Kombination mit dem fehlenden Selbstvertrauen und der zu geringen Qualität das Problem.

Nürnbergs wichtige Zukunftsfrage: Weiter mit Köllner oder neue Impulse?

Die Frage, die man sich beim „Club“ jetzt vor allem stellen muss: Wie geht es weiter? Natürlich bedeutete die Rückendeckung von Bornemann zumindest, dass Michael Köllner vorerst gesichert ist, aber nach dem nächsten Spiel gegen Dortmund, das heißt vor dem Spiel gegen Düsseldorf, das vielleicht richtungsweisend wird, könnte durchaus gehandelt werden. Es gibt Argumente für und gegen einen Trainerwechsel, die sicher in Kürze von den Verantwortlichen durchgesprochen werden. Das Spiel vor heimischer Kulisse gegen Dortmund findet erst am Montag in einer Woche statt, bis dahin ist Zeit, es können viele Szenarien durchgesprochen werden.

Zunächst einmal muss man sich im Klaren darüber sein, welche Qualitäten ein potenzieller neuer Übungsleiter mitbringen muss und welche Kandidaten diese Qualitätsanforderungen erfüllen oder größtenteils erfüllen. Die möglichen Kandidaten dürften sich zunächst einmal aus den üblichen Verdächtigen zusammenstellen, also aus den Namen, die ohnehin immer gehandelt werden, sprich: Gisdol, Korkut & co. Eine kreativere, jüngere Lösung zu verpflichten ist ebenfalls eine Option, doch stehen die Trainer, die als solche zu bezeichnen sind, in der Regel irgendwo unter Vertrag, die finanzielle Lage des Vereins ist hinlänglich bekannt.

Und: Entlässt man Michael Köllner jetzt und ein neuer Trainer übernimmt, der den Klassenerhalt dann nicht schafft, steht man vor einem weiteren Dilemma. Geht man mit diesem Trainer in die 2. Liga? Wechselt man erneut den Trainer? Wie schafft man es, dass die jungen Spieler mit einer Bindung zu Köllner auch in Liga 2 in Nürnberg spielen? Diese Gedanken müssen alle eine Rolle spielen. Wenn ein oder der Topkandidat verpflichtet werden kann, muss man in Nürnberg darüber nachdenken. Die Option weiter mit Köllner zusammenzuarbeiten muss aber vor allem aufgrund der Zukunftsplanungen durchgesprochen werden. Die nächsten Wochen werden spannend, die Aufgabe wird auch – und das ist sicher – für einen neuen Trainer, unabhängig wie dieser nun heißt, extrem schwer.

 (Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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