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William Carvalho: Die Zeit für einen Wechsel ist reif

23. Februar 2018 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Der 25-jährige William Carvalho gehört zu den besten Mittelfeldspielern in Portugal und wurde in der Vergangenheit häufig mit einem Wechsel in Verbindung gebracht, insbesondere nach England. Mal verhinderte eine Schienbeinverletzung einen Wechsel, mal war es das Beharren von Sporting auf die Ausstiegsklausel, die bei 45 Millionen Euro liegt. Der Vertrag des Nationalspielers ist noch bis 2020 gültig, im Sommer muss ein Wechsel eigentlich erfolgen – aus mehreren Gründen. 

Geboren wurde Carvalho in Luanda, Angola, spielte aber bereits früh in der Jugend (seit 2005) für Sporting. Nachdem er die Jugendabteilungen durchlief debütierte er 2011 für die A-Mannschaft des Klubs, Leihen zu CD Fatima und Cercle Brügge sorgten dafür, dass der schon damals sehr talentierte Mittelfeldspieler die nötige Spielpraxis erhielt. Ab der Saison 2013/14 gehörte er dauerhaft zum Aufgebot von Sporting.

(Photo by PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP/Getty Images)

Früh einer der Schlüsselspieler

Nach seiner guten Saison in Brügge kehrte Carvalho im Sommer 2013 mit einigen Vorschusslorbeeren nach Lissabon zurück. Und dort avancierte er sofort zum Stammspieler, entwickelte sich hervorragend und absolvierte 30 Pflichtspiele für die Profis (4 Tore, 8 gelbe Karten). Leonardo Jardim, mittlerweile Coach der AS Monaco, förderte Carvalho und legte ohnehin viel Wert auf ein sehr gutes Mittelfeld. Neben Carvalho spielte häufig Adrien Silva (mittlerweile Leicester) und Andre Martins (aktuell Piräus). Diese drei Spieler harmonierten gut mitieinander, Carvalho sammelte wichtige Erfahrungen in der portugiesischen Liga und spielte sich bereits auf die Notizzettel einiger Klubs.

(Photo by Justin Setterfield/Getty Images)

Im März 2014 deutete Carvalho erstmals einen Wechsel an, als er in einem Interview sagte: „Es könnte Manchester United oder Real Madrid werden. Es ist schön, das ein großer europäischer Klub mich jagt, aber im Moment fokussiere ich mich auf Sporting und gebe mein Bestes bis zum Saisonende. Dann werden wir sehen.“ Diese Aussage, in die man einiges hineininterpretieren konnte, bedeutete aber keinesfalls einen Abgang. Nach der WM im Sommer 2014 ging die Entwicklung  Carvalhos weiterhin in die richtige Richtung. 2014/15 absolvierte er bereits 42 Pflichtspiele, sammelte Erfahrungen in der Champions League und war unangefochtener Stammspieler, bestach durch seine Abgeklärtheit und seine Konstanz.

Zahlreiche, wiederkehrende Wechselgerüchte

Im Sommer 2014 baggerten Chelsea und Arsenal am Spieler, der es in seinen jungen Jahren bereits in den WM-Kader schaffte, der Wechsel kam im Endeffekt aber nicht zustande. Im Sommer 2015 spielte William Carvalho mit der portugiesischen U21-Nationalmannschaft die Europameisterschaft, zeigte auch dort wieder gute Leistungen. Interesse gab es weiterhin, Gerüchte um den FC Bayern und Real Madrid kamen auf, doch aufgrund eines Haarrisses im Schienbein wechselte Carvalho nicht. Doch die Zeichen deuteten darauf hin, dass ein Transfer nur kurzfristig verschoben wird.

(Photo by Ian Walton/Getty Images)

Anfang 2016 verlängerte Carvalho bis 2020, im Sommer blieben die großen Angebote eher aus. Vor allem ein Interesse des FC Everton war gerüchteweise vorhanden, der „große Name“ tauchte erst wieder im Winter auf, als Manchester United seine Fühler nach Carvalho ausstreckte. Erneut blieb der Spieler in Portugal. So auch im Sommer 2017, als West Ham United Interesse zeigte. Sporting beharrte auf die Ausstiegsklausel, die die Engländer nicht zahlen wollten und konnten, der Spieler blieb erneut. Bis heute. Doch was ist im Sommer?

Stagnation in Portugal

Die portugiesische Liga ist durchaus dafür bekannt, dass sich dort vor allem junge Talente aus Portugal, aber auch aus Südamerika, hervorragend entwickeln können. Dass die Liga trotzdem ihre Qualität nicht kontinuierlich steigern kann, liegt vor allem daran, dass viele Klubs die südamerikanischen Talente von Beraterfirmen vermittelt bekommen, bei einem Weiterverkauf nicht so viel Geld einnehmen, wie man vermuten könnte. So entsteht ein Teufelskreis, dem auch die Topvereine nicht entfliehen können und dementsprechend wechseln immer wieder die besten Spieler im besten Alter ins Ausland. Und in diesem Alter ist William Carvalho jetzt.

Da die Qualität in Portugal gleichbleibend auf einem soliden, aber nicht sehr guten Niveau ist, fällt es den Spielern ab einem gewissen Punkt auch schwer sich weiterzuentwickeln. International spielen Sporting, Porto und Benfica zwar eine Rolle, aber eben keine große. Ein Wechsel ist meistens unausweichlich – und bei William merkt man in den letzten 1-2 Jahren definitiv, dass eine gewisse Stagnation vorherrscht. Ob er einen nächsten Schritt, der durchaus noch realistisch ist, in Portugal gehen kann, darf angezweifelt werden. Eine bessere Liga muss her. Im Idealfall im kommenden Sommer.

Muss es überhaupt England sein?

Das, zumindest wenn man den Berichten glauben schenken darf, gesunkene Interesse der englischen Topklubs spricht definitiv dafür, dass auch diesen Vereinen nicht verborgen geblieben ist, dass die Entwicklung stagniert. Der ideale Wechselzeitpunkt könnte ohnehin bereits verpasst worden sein, eine kluge Entscheidung bei der Vereinswahl im Sommer könnte die Karriere des Mittelfeldspielers aber dennoch wieder ordentlich ankurbeln. Zuletzt gab es vor allem Interesse aus der Premier League, doch muss es überhaupt England sein?

(Photo by Justin Setterfield/Getty Images)

Nein. Der Spielstil des 25-jährigen passt tatsächlich zu vielen Vereinen in verschiedensten Ligen. Carvalho ist zweikampfstark, dabei nicht unfair, stark im Kopfballspiel, verfügt über ein gutes Stellungsspiel und ist pressingresistent. Zudem ist sein Passspiel sehr sauber, in dieser Saison finden über 88 % der Pässe (im Schnitt 65 Passversuche pro Spiel) ihr Ziel – ein starker Wert. Neben der Premier League könnte also vor allem auch La Liga ein interessantes Ziel sein, unter anderem Atletico Madrid sucht noch nach Verstärkungen im Mittelfeldzentrum – auch in Sevilla könnte Carvalho bei einem etwaigen Abgang von N’Zonzi Thema werden. Genauso wie (erneut) in England oder sogar in Italien. Klar scheint jedenfalls, dass ein Wechsel in diesem Sommer endgültig erfolgen muss. Ein weiteres Jahr Stagnation könnte fatal sein. Carvalho wird mit zur Weltmeisterschaft fahren, womöglich bietet er sich dort erneut an. Wenn daraufhin die Ausstiegsklausel aktiviert wird, wird der Wechsel, auf den jahrelang gewartet wurde, endlich vollzogen.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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