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Zahlen lügen nicht – „El Clásico“ im Statistik-Duell

28. Februar 2020 | Spotlight | BY Christoph Albers

Am Sonntagabend ist es endlich wieder soweit: „El Clásico“ geht in die nächste Runde. Da beide Teams die Meisterschaft unter sich ausmachen werden und der Abstand zwischen ihnen nur zwei Punkte beträgt, dürfte es ein enorm wichtiges Duell werden. Um Hinweise darauf zu bekommen, wie das Spiel verlaufen könnte, haben wir für euch einen Blick in die vielfältigenStatistiken geworfen.

Sollte Barça eigentlich nur Dritter sein?

Der FC Barcelona führt derzeit die Liga-Tabelle mit 55 Punkten an, dicht gefolgt von Real Madrid mit 53 Punkten. Zieht man aber die derzeit sehr populäre Expected Points (xP) Tabelle von understat.com heran, so stellt man fest, dass die Katalanen vermeintlich nicht die beste Mannschaft der Liga sind. In dieser Tabelle, die auf Basis von Expected Goals (xG) bzw. Expected Goals Against (xGA) erreicht wurde, sind die „Königlichen“ mit 51,58 xP Spitzenreiter, während der FC Barcelona mit 47,85 xP nur Dritter ist, knapp hinter Atlético Madrid (48,18).

Das liegt vor allem daran, dass Barça in Sachen Toren deutlich „überperformt“ hat. Sie hätten demnach nur mit 47,98 Toren rechnen dürfen, erzielten aber tatsächlich stolze 62 Tore, was eine Differenz von 14,02 Toren macht. Allein Lionel Messi hat 4,61 Tore mehr erzielt, als ihm der xG-Wert zugestehen würde. Man darf hier also durchaus davon ausgehen, dass es sich eher um ein Qualitätsmerkmal handelt, als um eine glückliche Fügung.

In Sachen Gegentore hätte Barça dafür aber mit 3,24 Gegentoren weniger rechnen müssen, als sie tatsächlich kassiert haben. Das schmeichelt zumindest der Defensive, die derzeit klar als Schwachpunkt der Mannschaft gesehen werden muss, da sie mit 29 Gegentoren nur die siebtbeste der Liga ist.

Doch nicht die beste Defensive?

Bei Real Madrid sind die Differenzen dagegen nicht derart drastisch. Sie hätten zwar mit 4,53 Toren mehr rechnen dürfen, als sie tatsächlich erzielt haben, doch dafür haben sie auch 5,37 Gegentore weniger kassiert, als zu erwarten wäre. Von daher gleicht sich das hier ein bisschen mehr aus, als bei den Katalanen. Wobei man dabei klar feststellen muss, das Real demnach keineswegs die beste Defensive der Liga stellen würde – Atlético wäre deutlich besser. Real hat also vor allem Defensiv eher etwas „überperformt“.

Diese Erkenntnisse lassen sich gut in das Bild einordnen, dass Barça, als beste Offensive der Liga, die größte Qualität in der Offensive hat, während Real Madrid, als beste Defensive der Liga, die größte Qualität in dieser Saison in der Defensive hat.

Das Hinspiel, das bekanntermaßen mit 0:0 endete, hatte übrigens einen xG-Endstand von 0,72:0,84. Jordi Alba vergab dabei die größte Chance, die einen Wert von 0,33xG hatte, während Real Madrid nur eine Chance mit einem Wert von 0,14xG vorzuweisen hatte. Real kam in Summe zu deutlich mehr Abschlüssen, allerdings aus relativ wenig aussichtsreichen Positionen, allein achtmal von außerhalb des Strafraums.

Standards als entscheidender Faktor?

Aber bleiben wir noch einen Moment bei den Toren. Der FC Barcelona ist mit 10 Toren nach Standards die in dieser Hinsicht gefährlichste Mannschaft der Liga. Allerdings kassierten die Katalanen auch schon fünf Tore nach Standardsituationen, während Real Madrid erst drei Gegentore nach Standards hinnehmen musste – Top-Wert der Liga. Mit sechs eigenen Toren nach Standards sind die „Königlichen“ aber eher Mittelmaß. Standardsituationen könnten also durchaus ein sehr wichtiger Aspekt dieses Spiels werden.

(Photo by Eric Alonso/Getty Images)

Betrachtet man dagegen das laufende Spiel, so lohnt sich ein Blick in die Passstatistiken. Der FC Barcelona spielt durchschnittlich 648 kurzen Pässen pro Spiel die meisten Kurzpässe der Liga. Real Madrid folgt mit einem recht großen Abstand und mit durchschnittlich 509 kurzen Pässen pro Spiel. Real spielt dafür typischer Weise deutlich mehr lange Bälle (63 pro Spiel, Barça nur 49) und Flanken (23 pro Spiel, Barça nur 11). Der größte Unterschied liegt dabei ganz klar bei den Flanken, die Katalanen schlagen mit Abstand die wenigstens, die „Königlichen dagegen die zweitmeisten. Ein Aspekt, auf den man am Sonntag definitiv mal achten kann.

Neben der Art der Pässe, ist natürlich auch interessant, wo denn die Aktionen stattfinden. Der FC Barcelona spielt in der Breite relativ ausgewogen, je 35% der Aktionen werden über jeweiligen Flügel vorgetragen und 30% über das Zentrum. Mit einem Wert von 45% befindet sich das Spiel zudem im mittleren Drittel des Spielfeld, der Länge nach betrachtet, während 30% im Angriffsdrittel und nur 25% im Verteidigungsdrittel stattfinden.

Real spielt etwas linkslastig

In der Länge des Spielfelds ist die Verteilung bei Real Madrid sehr ähnlich, 25% im Verteidigungsdrittel, 43% im mittleren Drittel und 32% im Angriffsdrittel. In der Breite lässt sich jedoch ein klarer Unterschied feststellen. Die Mannschaft von Trainer Zinedine Zidane trägt nur 24% ihrer Angriffe über das Zentrum vor, dafür aber stolze 40% über die linke Seite. Reals Angriffsspiel ist also durchaus als etwas linkslastig zu bezeichnen. Darauf sollte sich der FC Barcelona einstellen.

Interessant ist auch, dass der FC Barcelona nur 34% seiner Torschüsse von außerhalb des Strafraums abfeuert, Real aber 40% seiner Schüsse von außerhalb der Box nimmt. Eine Beobachtung, die sich auch im Hinspiel machen ließ, wie zuvor schon bemerkt. Der Erfolg gibt ihnen allerdings Recht, mit sieben Toren von außerhalb des Strafraum sind die „Königlichen“ die beste Mannschaft in dieser Statistik. Allerdings dicht gefolgt vom FC Barcelona, der auch immerhin auf sechs Tore kommt. Es könnte sich also lohnen auch am Sonntag auf diesen Unterschied zu achten.

Abschließend wollen wir auch nochmal einen kleinen Blick auf die Bedeutung der Spielstätte werfen. Das Spiel findet bekanntermaßen bei Real Madrid, im Santiago Bernabeu, statt, was per se erstmal ein Vorteil für die „Merengues“ sein könnte. Sie sind in der Liga Zuhause bisher noch ungeschlagen (12 Spiele, acht Siege, vier Remis) und sind, nach dem FC Barcelona (13 Spiele, 12 Siege, ein Remis), die zweitbeste Heimmannschaft der Liga.

Die Katalanen sind dagegen nur die viertbeste Auswärtsmannschaft und haben in 12 Spielen auf fremden Plätzen schon viermal verloren und dreimal die Punkte geteilt. Vor allem zu Saisonbeginn, als keines der ersten drei Auswärtsspiele gewonnen werden konnte, hatten sie große Schwierigkeiten. Doch auch zuletzt lief es nicht besonders rund, in den drei Liga-Auswärtsspielen 2020 gab es je einen Sieg, ein Remis und eine Niederlage.

(Photo by David Ramos/Getty Images)

Estadio Santiago Bernabéu – Barças Wohnzimmer?

Demzufolge könnte man hier schon von einem recht klaren Heimvorteil sprechen. Doch weil „El Clásico“ ohnehin immer anders ist und daher für sich betrachtet werden muss, haben wir auch nochmal einen kleinen Blick in die Historie dieses Duells geworfen. Und dabei fiel auf, dass Barça in der jüngeren Vergangenheit im Bernabéu stets sehr gut ausgesehen hat. Die letzten vier Ligaspiele dort haben sie allesamt gewonnen (1:0, 3:0, 3:2, 4:0) und auch das Pokal-Spiel im Februar 2019 ging klar mit 3:0 an die Gäste.

Der letzte Heimsieg gegen Barça gelang Real Madrid am 25.10.2014, damals mit 3:1. Fans der „Königlichen“ dürften sich daher sehr nach einem Erfolgserlebnis gegen den Erz-Rivalen sehnen. Ob das auch gelang, sehen wir dann am Sonntagabend.

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(Photo by Alex Caparros/Getty Images)

Christoph Albers

Cruyff-Jünger und Taktik-Liebhaber. Mag präzise Schnittstellen-Pässe, schwarze Leder-Fußballschuhe, Retro-Trikots und hat einen unerklärlichen Hang zu Fußball-Finanzen. Seit 2016 bei 90PLUS.


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