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Zidane & Co. – die „Fast-Transfers“ von Manchester United in der 80ern und 90ern

11. Oktober 2017 | Spotlight | BY Marius Merck

Shearer, Lineker oder Gascoigne – Manchester United verpasste trotz teilweise fortgeschrittenen Verhandlungen aus verschiedenen Gründen die Verpflichtung einiger Weltklassespieler. Allerdings wiegt wohl keine schwerer, als die eines gewissen Franzosen.

 

„Gleiche Postion wie Cantona“

Martin Edwards, der langjährige Präsident von Manchester United, hat ein neues Buch veröffentlicht: „Red Glory“. Im Rahmen der Veröffentlichung sprach der 72-Jährige mit dem offiziellen Vereinskanal „MUTV“ über einige potentielle Transfers, welche am Ende nicht vollzogen wurde.

In dieser Runde befinden sich sehr illustre Namen:

  • Alan Shearer (damals Blackburn Rovers)

„Ich hatte die Verhandlungen mit Alan Shearer weitestgehend abgeschlossen, ich war mir sicher, dass er zu uns kommen würde. Allerdings wollte Jack Walker, der Besitzer der Rovers, gerade nicht, dass er ausgerechnet zu uns wechselt: „Nur über meine Leiche“ – und dann ließ er ihn zu Newcastle ziehen.“

Shearer wechselte nach der Saison 1995/1996 für die damalige Weltrekordablöse von 21 Millionen Euro von Blackburn zu Newcastle United. Der aufnehmende Klub war damals der größte Konkurrent der „Red Devils“ in der Premier League. Shearer spielte dort zehn Jahre bis 2006, jedoch sollte er nie mit den „Magpies“ die Meisterschaft gewinnen.

 

  • Gary Lineker (damals Leicester City)

„Gary sollte bei Everton unterschreiben, doch an dem Tag der Unterschrift rief mich sein Berater an: „Wir fahren gerade mit dem Zug um den Transfer zu vollziehen, aber seine bevorzugte Wahl wäre Manchester United, wenn ihr wollt, dass er kommt.“ Ich sprach darüber mit dem damaligen Trainer Ron Atkinson. Seine Reaktion war eindeutig: „Ich habe bereits vier Stürmer, das letzte was ich benötige, ist ein weiterer Angreifer.“

Lineker wechselte dann tatsächlich zur Saison 1985/1986 zu den „Toffees“. Nach nur einem Jahr (mit 30 Treffern) ging es für den späteren Rekordtorschützen der „Three Lions“ weiter zum FC Barcelona. Atkinson wurde im Spätjahr 1986 in Abstiegsnot von einem gewissen Alex Ferguson ersetzt. Vielleicht wäre Stürmer Nr. 5 die bessere Option für Atkinson gewesen – und hätte womöglich die größte Dynastie der jüngeren Fußballgeschichte verhindert.

 

  • Paul Gascoigne (damals Newcastle United)

„Paul haben wir uns wirklich vor der Nase wegschnappen lassen. Wir dachten, dass er zu uns wechseln würde. Dann entschied er sich aber für Tottenham. Ich denke, ihm wurde kurz vor Schluss noch gewisse Anreize versprochen.“

In Nordlondon reifte Gascoigne zwischen 1988 und 1992 zum Star und Nationalspieler, bevor er dann weiter nach Italien zu Lazio Rom wechselte. Der hoch veranlagte Techniker hatte während seiner Karriere Probleme mit Alkohol und anderen Drogen und konnte so sein volles Potential nach seinem verheißungsvollen Beginn nie vollständig ausschöpfen. Der heute 50-Jährige gab vor einigen Jahren selbst zu, dass seine Karriere unter dem strengen Regime von Ferguson wohl besser verlaufen wäre.

 

Der wohl größte Name, welcher nicht den Weg ins Old Trafford fand, ist jedoch der dreimalige Weltfußballer Zinedine Zidane. Der damals 24-Jährige führte, zusammen mit den späteren Weltmeistern Bixente Lizarazu und Christophe Dugarry, seinen Klub Girondins Bordeaux ins UEFA-Cup Finale 1996, welches gegen Bayern München verloren ging. Nahezu jeder europäische Spitzenklub war daraufhin hinter dem heutigen Real-Coach her – so auch die „Red Devils“.

(Photo by OLIVIER MORIN/AFP/GettyImages)

Allerdings stand auch ein anderer hochtalentierter Franzose im Kader der Engländer: Eric Cantona. Der damalige Mannschaftskapitän saß zu dieser Zeit eine Sperre von neun Monaten ab, weil er 1995 in einer Partie bei Crystal Palace einen Fan des Gegners trat.

Cantona weilte danach in Frankreich, als United die Verhandlungen um eine Vertragsverlängerung mit dem „Enfant Terrible“ begann:

„Unser Chefscout Ian Kershaw hatte ihn in Bordeaux beobachtet und erwähnte den Spieler gegenüber dem Trainer. Alex sagte, dass auch bereits Cantona ihm gegenüber Zidane erwähnt habe. Jedoch war er der Ansicht, dass Zidane eine ähnliche Position wie Eric bekleidete. Nach dem Vorfall bei Crystal Palace mussten wir Eric in Frankreich zur Verlängerung überzeugen. Der Trainer befürchtete, dass ein Transfer von Zidane den Verbleib von Cantona in der Schwebe lassen könnte.“

Zidane wechselte stattdessen für lediglich 3,5 Millionen Euro zu Juventus Turin und sollte in Italien zu einem der besten Fußballer aller Zeiten reifen. Cantona kann man durchaus in eine vergleichbare Kategorie einordnen, wurde der exzentrische Angreifer immerhin Ende der 1990er Jahre zum besten United-Spieler des vergangenen Jahrhunderts gewählt. Dennoch trägt der Verbleib der Vereinsikone einen bitteren Beigeschmack: Mit gerade mal 30 Jahren löste Cantona nach der Saison 1996/1997 seinen Vertrag auf und beendete seine Karriere.

Ferguson sagte darüber selbst in seiner Biographie, dass er „es nicht glauben konnte“ und jeden Tag auf dem Trainingsplatz „auf eine Rückkehr von Eric“ hoffte. Im Endeffekt ging dem englischen Rekordmeister für lediglich ein weiteres Jahr Cantona der möglicherweise genialste Fußballer aller Zeiten durch die Lappen. Auch der große Sir Alex ist nicht unfehlbar.

 

 

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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