Bundesliga-Vorschau Teil 1: RB Leipzig, Eintracht Frankfurt, FC Union

12. September 2020 | Saisonvorschauen | BY 90PLUS Redaktion

Am 18. September startet die Bundesliga in die neue Saison. Im ersten Teil der 90PLUS-Saisonvorschau nehmen wir RB Leipzig, Eintracht Frankfurt und den FC Union genauer unter die Lupe.

  • RB Leipzig: Jahr zwei unter Nagelsmann
  • Eintracht Frankfurt: Konstanz gesucht
  • FC Union: Wieder geht es um den Klassenerhalt

Teil 2: Dortmund, Wolfsburg, Mainz 05

Teil 3: FC Bayern, Hertha BSC, Augsburg

Teil 4: Leverkusen, Arminia Bielefeld, VfB Stuttgart

RB Leipzig

Letzte Saison: 3. Platz

Die letzte Saison lief für RB Leipzig sehr erfolgreich. In der Bundesliga erreichte man den dritten Tabellenplatz. Noch beeindruckender ist allerdings das Abschneiden in der Champions League gewesen. Dort schafften es die Sachsen bis in das Halbfinale, scheiterten dann aber an Paris Saint-Germain. Das einzige Manko war der DFB-Pokal: Nach einer Niederlage gegen Eintracht Frankfurt schied man bereits im Achtelfinale aus.

(Photo by Manu Fernandez/Pool via Getty Images)

Obwohl Leipzig eine starke Saison gespielt hat, muss festgestellt werden, dass in der Bundesliga mehr möglich gewesen wäre. Trotz einer kleinen Schwächephase von Spieltag sechs bis neun, als das Team in vier Spielen nur zwei Punkte holte, sicherte man sich die Herbstmeisterschaft. Die Tabellenführung gab der Verein recht schnell wieder ab, als man gegen Frankfurt verlor und gegen Borussia Mönchengladbach nur Unentschieden spielte. Drei Tage nach dem Spiel gegen Gladbach flog das Team von Trainer Julian Nagelsmann (33) auch aus dem DFB-Pokal – wie bereits erwähnt wieder gegen Frankfurt.

Kurz vor der Corona-Pause gab Leipzig durch zwei Unentschieden dann auch den zweiten Tabellenplatz ab. Nach dem Restart ließ RB durch mehrere Remis weitere Punkte unnötig liegen. Trotzdem hatten die Sachsen am vorletzten Spieltag gegen den BVB im direkten Duell die Chance, den zweiten Tabellenplatz zurückzuerobern. Mit einer 0:2-Niederlage verpasste man diese aber.

Kann Leipzig den Werner-Abgang kompensieren?

Im Hinblick auf die Personalpolitik wiegt natürlich der Abgang von Toptorjäger Timo Werner (24) am schwersten. Der 24-Jährige wechselte für 53 Millionen Euro zum FC Chelsea. Trainer Julian Nagelsmann (33) sagte in einem Interview kurz nach Bekanntgabe des Wechsels, man könne Werner nicht eins zu eins ersetzen, sondern müsse dies eher im Hinblick auf seine Scorerpunkte.

(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Keine leichte Aufgabe, kam Werner doch in allen drei Wettbewerben auf 34 Toren sowie 13 Vorlagen in 45 Spielen. Neben Werner hat sich im Sturm auch Patrik Schick (24) verabschiedet. Der Stürmer, der von der AS Roma ausgeliehen war, war den Leipzigern zu teuer. Die Kaufoption wurde nicht gezogen und auch Nachverhandlungen brachten keinen Erfolg. Schick bleibt zwar in der Bundesliga, wechselt aber aus Rom zu Bayer Leverkusen.

Mit Hee-chan Hwang (24) kam bislang ein neuer Stürmer für 15 Millionen Euro von RB Salzburg, ein weiterer soll noch folgen. Als heißester Kandidat gilt derzeit Alexander Sörloth (24), der Norweger steht aktuell noch in der Türkei bei Trabzonspor unter Vertrag. Ob Jean-Kevin Augustin (23) im Leipziger Kader bleiben wird, ist momentan noch nicht geklärt. Der hochveranlagte Franzose spielte in der vergangenen Saison auf Leihbasis in Monaco und Leeds – ohne wirklichen Erfolg.

(Photo by DANIEL ROLAND/AFP via Getty Images)

Durch den Aufstieg in die Premier League greift laut RB-Sportdirektor Markus Krösche (39) eine Kaufpflicht für Augustin, diese ist Leeds aufgrund der Corona-Pandemie aber zu hoch und man weigert sich, die ausgehandelte Summe zu zahlen. Der Ausgang des Falls ist noch offen, möglicherweise endet die Auseinandersetzung in einem Rechtsstreit.

Ethan Ampadu (19) ist nach Ablauf seiner Leihe zum FC Chelsea zurückgekehrt und wurde von dort aus an Sheffield United verliehen. Ansonsten gab man vor allem Spieler ab, die bei anderen Klubs regelmäßiger zum Einsatz kommen sollen. Hannes Wolf (21) wechselte per Leihe zu Borussia Mönchengladbach. Eine Kaufpflicht greift, falls er dort 15 Mal zum Einsatz kommt.

Mads Bistrup (19) wechselt fest zum FC Brentford. Frederik Jäkel (19) und Tom Krauß (19) verlassen Leipzig auf Leihbasis. Malik Talabidi (19) wurde dagegen verkauft, in seinem Fall soll Leipzig sich aber eine Rückkaufoption gesichert haben.

Ersatztorhüter Yvon Mvogo (26) schloss sich per Leihe der PSV Eindhoven an. Im Gegenzug kommt mit Josep Martinez (22) ein neuer Torwart aus der zweiten spanischen Liga von UD Las Palmas. Von der AS Monaco wurde Rechtverteidiger Benjamin Henrichs (23) ausgeliehen, mit Lazar Samardzic (18) verpflichtete Leipzig zudem ein vielversprechendes Nachwuchstalent von der Berliner Hertha. Die Leihe von Linksverteidiger Angelino (23) wurde um ein Jahr verlängert. Zudem beinhaltet der Deal mit Manchester City eine Kaufpflicht, die an eine gewisse Zahl an Einsätzen gekoppelt ist.

Spielphilosophie bleibt auch ohne Werner dieselbe

An der „DNA“ der Leipziger hat sich unter Nagelsmann nichts geändert. Der mit vielen jungen, hochveranlagten Talenten gespickte Kader ist einer der jüngsten der Liga. Auch wenn Nagelsmann sich bei der Auswahl des Spielsystems in der vergangenen Saison einer großen Variabilität bediente, ist die Grundidee immer zu erkennen.

Kernelement des Spiels ist es vor allem, nach Ballgewinn schnell umzuschalten und nach möglichst kurzer Zeit zum Torabschluss zu kommen. Mit Werner fällt ein Spieler weg, der diese Taktik wie kaum ein anderer verkörpert hat. Sein Ersatz Hwang passt aber auf den ersten Blick perfekt in dieses Profil. Der Südkoreaner ist ebenfalls sehr schnell und kennt die Spielphilosophie bereits von seinem vorherigen Verein RB Salzburg.

Im Fokus: Hee-chan Hwang

Der südkoreanische Nationalspieler wechselte als 19-Jähriger nach Europa zum FC Liefering, der als Farmklub für RB Salzburg dient. Mittlerweile hat sich der 24-Jährige an das Niveau in Europa gewöhnt, was er bei seiner Leihe 2018/19 beim HSV nicht unbedingt zeigte. In der vergangenen Saison überzeugte er nicht nur in Österreichs ersten Liga, sondern auch in der Champions League. 

Er verfügt über einen guten Abschluss und zeigt sich vor dem gegnerischen Tor durchaus abgezockt. Aber er ist nicht unbedingt der klassische Mittelstürmer, geht auch gerne Extra-Wege, um seine Mitspieler in Szene zu setzen. Das Spiel Leipzigs könnte in der Offensive variabler werden. Die Torquote von Werner wird er wohl nicht erreichen, aber er könnte sich als wertvoller Teamplayer einen Stammplatz in Leipzig ergattern. Seine größte Stärke befindet sich wohl im Umschaltspiel. Mit seinem Tempo wird er zur ständigen Gefahr für die gegnerischen Abwehrreihen. Es ist allerdings nicht so, als bräuchte er stets viel Platz, um zu glänzen. Hwang kann auch im Dribbling Abwehrspieler stehen lassen. Auch sein Defensivverhalten wird Nagelsmann wohl gefallen dürfen. Hwang passt, zumindest in der Theorie, perfekt ins System Leipzigs. 

Prognose

Leipzig hat es geschafft, sich als die dritte Kraft im deutschen Fußball zu etablieren. Das muss auch der Anspruch für diese Saison sein. Bei nur drei Punkten Rückstand auf den BVB in der Abschlusstabelle hatte man durchaus Chancen, Dortmund von Platz zwei zu verdrängen. Das könnte mit etwas Glück in der kommenden Saison passieren.

Für alles, was über Platz drei hinaus geht, muss man aber erst abwarten, wie effektiv der Verlust von Werner kompensiert werden kann. Zudem muss ein erneuter Einbruch in der Rückrunde vermieden werden. Schafft man es, den Verlust von Werner aufzufangen sowie noch konstanter zu spielen, sollte man zumindest um die Vize-Meisterschaft ein Wort mitreden können.

Gero Lange

Eintracht Frankfurt

Letzte Saison: 9. Platz

Die SGE blickt auf eine turbulente Spielzeit zurück. Im Anschluss an die vor allem auf europäischer Ebene überaus erfolgreiche Saison 2018/19 verloren die Adler mit Luka Jovic (22), Sebastien Haller (26) und Ante Rebic (26) auf einen Schlag ihre gefürchtete “Büffelherde”. Die Neuzugänge André Silva (24) und Ex-Wolfsburger Bas Dost (31) konnten diese Lücke trotz ordentlicher Leistungen nicht vollständig schließen. So musste man in Frankfurt zwischenzeitlich sogar etwas zittern, als nach Spieltag 28 der Abstand auf den Relegationsplatz nur zwei Punkte zählte.

Auch auf internationaler Ebene wurden die Fans der Eintracht nicht mehr so verwöhnt wie im Vorjahr. Bereits nach der 0:3-Niederlage im Achtelfinal-Hinspiel gegen den FC Basel war die Reise mehr oder weniger beendet. Das absolute Saison-Highlight dürfte dafür umso länger in den Köpfen aller, die es mit den Hessen halten, nachwirken: 5:1 fegte Frankfurt den Rekordmeister aus München am 10. Spieltag aus dem heimischen Stadion. Am Ende blieben aber gemischte Gefühle.

Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Frankfurt: Neue Spieler müssen her!

Im aktuellen Transferfenster hat es bisher nur wenig Bewegung bei der Eintracht gegeben. Vorstand Fredi Bobic (48) sprach von “enormen Einnahmeverlusten”, aufgrund derer “Dinge in der Kaderplanung” verändert werden müssten. Konkret heißt das, dass bisher nur zwei Neuzugänge zu verzeichnen sind. 

Steven Zuber (28) kommt von der TSG Hoffenheim, die sich im Gegenzug die Dienste von Mijat Gacinovic (25) sicherte. Mit Zuber erhält Trainer Adi Hütter (50) einen flexiblen Mittelfeld-Akteur, der auf beiden Flügeln und im offensiven Mittelfeld einsetzbar ist. Der Coach lobte vor allem die Spielintelligenz des Schweizers. Gleichzeitig geht mit Gacinovic ein weiteres Stück Kreativität in der Offensive verloren. Die Zehner-Position ist weiterhin eine der größten Baustellen bei der Eintracht, abgesehen von Daichi Kamada (23) fehlt es an Kreativität.

Neben Zuber konnte außerdem Ragnar Ache (22) von Sparta Rotterdam verpflichtet werden. Der Angreifer überzeugt vor allem durch Tempo, Dynamik und robustes Zweikampfverhalten, zeigt sich in seinen Aktionen aber noch ungeschliffen. Er dürfte, ähnlich wie Dejan Joveljic (21), der auch in der kommenden Spielzeit auf Leihbasis für den Wolfsberger AC auflaufen wird, eher ein Investment in die Zukunft als eine Soforthilfe sein.

Wer führt Eintracht Frankfurt?

Die Marschroute ist klar: Der Spielstil, der der Eintracht vor allem in der Anfangszeit unter Hütter den Erfolg gebracht hat, soll wiederkehren. Das bedeutet vor allem, dass die Aggressivität, die Galligkeit, die Frankfurt einst zu einem so unangenehmen Gegner gemacht hat, gepaart mit einem schnellen und funktionierenden Umschaltspiel im Fokus der Trainingsarbeit steht. 

Photo by Alex Grimm/Getty Images

Für eben diese Trainingsarbeit wird in der kommenden Spielzeit mehr Zeit und Kraft zur Verfügung stehen, als man es bei den Hessen zuletzt gewohnt war. Die verpasste Europa-League-Teilnahme ist zweifelsfrei eine Enttäuschung für jeden Adler-Fan, gleichzeitig stellt sie aber auch eine Entlastung dar. Diese wird Hütter nutzen wollen, um mit seinen Spielern konzentriert zu arbeiten. 

Eine weitere wichtige Aufgabe wird es sein, die Abgänge von Spielern wie Marco Russ (35), Jonathan de Guzman (32) und Gelson Fernandes (34) zu kompensieren, die allesamt sowohl auf als auch neben dem Platz wichtige Führungsspieler waren. Diese Verantwortung werden nun andere Akteure übernehmen müssen. Neben Kapitän David Abraham (34) kommen da besonders Persönlichkeiten wie Martin Hinteregger (28) oder Sebastian Rode (29) in Frage.

Zudem muss das angesprochene Kreativitätsvakuum gefüllt werden. Der Japaner Kamada, der noch an seiner Konstanz arbeiten muss, wurde zu selten entlasten. Die Folge: Häufig entstanden Spiele, in denen es hektisch zuging. Die Kontrolle wurde verloren, in einem offenen Schlagabtausch kann man nie genau wissen, was passiert. Das soll sich zukünftig ändern.

Player to watch: Martin Hinteregger

Wie bereits beschrieben, dürfte Martin Hinteregger in der kommenden Saison eine besondere Rolle bei Frankfurt einnehmen. Der Österreicher, der seit Januar 2019 für die Hessen aufläuft und im August letzten Jahres fest verpflichtet wurde, avancierte bereits in den ersten Monaten bei den Adlern zum absoluten Stammspieler und Fan-Liebling. In der Innenverteidigung ist er nicht mehr wegzudenken, strahlt Ruhe und Sicherheit aus und ist aufgrund seiner Physis und Verbissenheit ein enorm unangenehmer Gegenspieler. Dazu kommt der enorme Offensivdrang des 27-Jährigen: In der Saison 2019/20 erzielte Hinteregger in 31 Ligaspielen satte acht Treffer und zwei Vorlagen. Damit war er nicht nur der torgefährlichste Verteidiger der Liga, sondern auch der drittbeste Torschütze Frankfurts.

Photo by Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images

Wie bereits beschrieben, dürfte Martin Hinteregger in der kommenden Saison eine besondere Rolle bei Frankfurt einnehmen. Der Österreicher, der seit Januar 2019 für die Hessen aufläuft und im August letzten Jahres fest verpflichtet wurde, avancierte bereits in den ersten Monaten bei den Adlern zum absoluten Stammspieler und Fan-Liebling. In der Innenverteidigung ist er nicht mehr wegzudenken, strahlt Ruhe und Sicherheit aus und ist aufgrund seiner Physis und Verbissenheit ein enorm unangenehmer Gegenspieler. Dazu kommt der enorme Offensivdrang des 27-Jährigen: In der Saison 2019/20 erzielte Hinteregger in 31 Ligaspielen satte acht Treffer und zwei Vorlagen. Damit war er nicht nur der torgefährlichste Verteidiger der Liga, sondern auch der drittbeste Torschütze Frankfurts.

Neben seiner Leistung ist es aber auch und vor allem die Person Martin Hinteregger, die für die Fans das größte Identifikationspotenzial bietet. Als Kämpfernatur, die immer vollen Einsatz zeigt und sich für keinen Weg zu schade ist, verkörpert er den Klub wie aktuell wohl kein Zweiter. Er kann die Rolle des Führungsspielers auf dem Platz und in der Kabine übernehmen, die durch die Abgänge einiger alter Recken frei wird.

Prognose

Eintracht Frankfurt wird es nicht leicht haben. Die bisherigen Testspiele haben gezeigt, dass der Wille zwar da ist, jedoch sowohl in der Offensive als auch in der Defensive noch erheblicher Nachholbedarf besteht. Abzuwarten bleibt, ob der Klub noch den ein oder anderen Transfer aus dem Ärmel schüttelt – wichtig wäre es. In der aktuellen Verfassung wäre ein Platz im Mittelfeld der Liga anzustreben, ohne große Sorgen in Richtung Tabellenkeller, aber auch ohne realistische Aussicht auf Europa.

Jasper Glänzer

1. FC Union

Letzte Saison: 11. Platz

Dem 1. FC Union Berlin wurde in dem ersten Bundesliga-Jahr seiner Vereinsgeschichte nur wenig zugetraut, ein direkter Wiederabstieg schien wahrscheinlich. Letztendlich überraschten die „Eisernen“ jedoch die gesamte Liga – einzig am 2. Spieltag standen die Berliner auf einem direkten Abstiegsplatz, ansonsten hielt sich der Aufsteiger quasi durchgängig im Tabellenmittelfeld.

(Foto: IMAGO)

Das Team von Trainer Urs Fischer (54) erfand das Rad nicht neu, spielte seine Stärken jedoch herausragend aus. Durch eine starke Defensive, extreme mannschaftliche Geschlossenheit und offensive Standardstärke galt Union als überaus unangenehmer Gegner für jedes Team. Der Fußball wurde nicht zelebriert, aber leidenschaftlich gearbeitet – und so hielt sich Berlin völlig verdient in der ersten Liga.

Unioner Sparfüchse

Im Sommer 2019 überraschte Union Berlin mit seiner Aktivität auf dem Transfermarkt – 13 Neuzugänge präsentierte der damalige Aufsteiger. Vor der Spielzeit 2020/21 lassen es die Hauptstädter zwar etwas ruhiger als vor einem Jahr angehen, untätig waren sie mit insgesamt acht Verpflichtungen jedoch beileibe nicht.

(Foto: IMAGO)

Gekommen sind: Sebastian Griesbeck (29) vom 1. FC Heidenheim, Niko Gießelmann (28) von Fortuna Düsseldorf, Robin Knoche (28) vom VfL Wolfsburg, Andreas Luthe (33) vom FC Augsburg, Cedric Teuchert (23) vom FC Schalke 04, sowie Max Kruse (32), welcher zuletzt seinen Vertrag bei Fenerbahce Istanbul aufgelöst hatte. Bis auf Teuchert, dessen Ablöse nicht bekannt ist, sind alle genannten Namen ablösefrei gekommen. Auch die beiden ausgeliehenen Spieler, Keita Endo (22) und Nico Schlotterbeck (20), werden die Eisernen in der Anschaffung nichts gekostet haben. Einzig für Marius Bülter (27), den man nun für 1,5 Millionen Euro fest verpflichtet hat, ist in diesem Sinne eine Ablöse geflossen.

Union Berlin hat in diesem Sommer also überaus clevere Transfers getätigt. Starspieler Kruse und Abwehrrecke Knoche sind aufgrund ihres etablierten Bundesliga-Status echte Transfercoups gewesen. Der einzige schwerwiegende Abgang – Keeper Rafal Gikiewicz (32) ist nach Augsburg gegangen – wurde mit dem erfahrenen Luthe sinnvoll aufgefangen. Darüber hinaus machen Spieler wie Griesbeck und Gießelmann, die gut zum Union-Fußball passen, den Kader noch breiter. Mit den jungen Spielern ist zudem etwas Überraschungspotenzial und Perspektive hinzugekommen. Sollte Stürmer Sebastian Andersson (29), der im vergangenen Jahr Union Lebensversicherung war, tatsächlich gehalten werden, ist es ein mehr als gelungener Transfersommer.

Union Berlin: Keine Experimente

Zwar lassen sich die Verpflichtungen des spielstarken Kruse oder des technisch-beschlagenen wie wendigen Endo als Zeichen dafür deuten, dass Union Berlin in der kommenden Saison etwas proaktiveren Fußball spielen will, jedoch ist nicht zu erwarten, dass die Köpenicker im so schwierigen zweiten Bundesliga-Jahr alles Bewährte über den Haufen schmeißen. Trainer Fischer wird bei seinen Leisten bleiben und erneut auf die Stärken der Mannschaft vertrauen, anstatt ihr ein völlig neues Taktik-Korsett überzuziehen.

Der Lokalrivale von Hertha BSC hat in der vergangenen Saison davon gelebt, überaus leidenschaftlich und diszipliniert gegen den Ball zu arbeiten. Mit einem klaren Matchplan an der Hand, der jedes Spiel minuziös an den Gegner angepasst wurde, setzte Union darauf, den Kontrahenten das Spiel machen zu lassen. Die Defensivreihe stand stets sehr tief, organisiertes Pressing wurde in den meisten Begegnungen erst ab der Mittellinie praktiziert. Dabei agiert Union bemerkenswert körperlich, ohne aber wirklich unfair zu werden. „Unangenehm sein“ war die Devise und das wird sie auch in der kommenden Spielzeit sein.

(Foto: IMAGO)

Union weiß genau, was es kann und nicht kann. Fehlende spielerische Klasse wird durch Kampf und Disziplin ersetzt. Vor allem die Basics des Fußballs – Laufen, kratzen, beißen – werden hervorragend ausgeführt. Sicherlich ist es offensiv – der Angriffsplan beruht vor allem auf Konter und ruhende Bälle – noch keine Offenbarung, jedoch ist davon auszugehen, dass Trainer Fischer seinem Team durch die gewonnene Bundesliga-Erfahrung und Spielern wie Kruse und Endo neue Facetten hinzufügen wird. Ansätze dessen hat man bereits in der zurückliegenden Rückrunde beobachten können, als mit Yunus Malli (28) ein spielstarker Techniker für die Offensive ausgeliehen wurde. Eine komplette Verwandlung des Spielstils wird man jedoch nicht erleben, sie würde den Union-Kickern auch viel eher den Boden unter den Füßen wegziehen, als ihnen helfen.

Im Fokus: Max Kruse

Wahrscheinlich ist Max Kruse hierbei die offensichtlichste Wahl, aber eben auch, weil der ehemalige Bremer so im Spotlight stehen wird. Bei dem Offensivspieler stellen sich zwei sehr spannende Fragen – zum einen: Wie gut wird Kruse bei Union sein? Vorerst von der Bundesliga-Bühne abgetreten ist der 32-Jährige mit einer überragenden Saison für Bremen. An 21 Treffern war er 18/19 direkt beteiligt. Zwar ist nicht zu erwarten, dass er solch eine Leistung wiederholt, eine gewisse Erwartungshaltung ist dennoch vorhanden und damit auch Druck.

(Foto: IMAGO)

Zum anderen wird es spannend zu sehen sein, wie Kruse ins Union-System integriert werden kann. Zuletzt agierten die Eisernen mit nur einem Stürmer, einen „Zehner“ gab es nicht. Für Kruse klassische Positionen sucht man vergebens und die Testspiele lassen nicht vermuten, dass für den Angreifer alles umgebaut wird. In allen sieben Vorbereitungspartien fehlte Kruse übrigens aufgrund einer Sprunggelenksverletzung, die Möglichkeit, ihn auszuprobieren, hatte Trainer Fischer bislang also gar nicht. Die Eingewöhnung könnte lange dauern und damit auch ein Medienthema werden, was für Unruhe sorgt.

Prognose

Bei Union weiß man, was man bekommt und das könnte das große Plus in der kommenden Saison sein. Die Berliner haben nur einen Leistungsträger verloren, sich ansonsten hervorragend verstärkt und zudem eine taktische Marschroute, die jedem Einzelnen Halt gibt. Es hat sich also wenig verändert und das könnte bereits reichen, um das Saisonziel – der Nichtabstieg – zu erreichen. Einzig die fehlende Atmosphäre könnte ein wirklich Negativfaktor für Eisern werden – aufgrund der Corona-Pandemie werden höchstens ein paar tausend Fans im Stadion dabei sein dürfen,  was den Hexenkessel „Alte Försterei“ kaum brodeln lassen wird. Das Team lebt auch von der Unterstützung der Fans – wenn die fehlt, fehlt viel.

Marc Schwitzky

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(Photo by Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)


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