Champions League | Juventus vs Ajax – das Duell der Gegensätze

16. April 2019 | Vorschau | BY David Theis

Am heutigen Dienstag Abend (ab 20:45 LIVE auf DAZN) prallen die wohl größten Unterschiede der CL-K.O.-Phase aufeinander, wenn Juventus es erneut mit den jungen Wilden aus Amsterdam zu tun bekommt. Ronaldo & Co. gehen dank eines schmeichelhaften 1:1 als Favoriten ins Rückspiel.

Die Form

Hier wirken beide Kontrahenten einander noch am ähnlichsten: Für Juve stehen steht eine Bilanz von 7 Siegen, 1 Remis & 2 Niederlagen aus den letzten 10 Spielen zu Buche. Ajax bringt es auf 8 Siege, 1 Remis und 1 Niederlage. Soweit der erste Blick. Der zweite Blick, nämlich der auf die Tordifferenzen, offenbart bereits die fundamentalen Gegensätze der beiden Topclubs: Die Turiner bringen es auf eine Tordifferenz von 17:8 Toren. Der AFC dagegen auf wahnwitzige 32:10 Tore. Beim anstehenden Rückspiel von einem Duell „Offensive gegen Defensive“ zu sprechen, ist also, auch rein statistisch betrachtet, nicht falsch. Wer beide Clubs in der laufenden Saison regelmäßig beobachtet hat, wird diesem Etikett ohnehin zustimmen. Es ist dabei erwähnenswert, dass beide Torstatistiken nicht gegen „Kanonenfutter“ zustande gekommen sind: Juventus schlug zuletzt unter anderem Milan, Neapel und Atlético – Ajax schlug Meisterschaftskonkurrent PSV und fertigte Feyenoord sowie ein gewisses Real Madrid fachgerecht (3:0 & 4:1) ab. Unterschiedlich ist indes die Tabellensituation: Während CR7s Mannen sich mit 20 Punkten Vorsprung zuletzt gar bei einer Niederlage gegen SPAL (Juve war mit einer B-Elf angetreten) schonen konnten, steht Ajax in der Liga noch unter Druck: Zwar hat man auch dort aufsehenerregend oft getroffen (106 Tore in 30 Spielen), doch Erzrivale PSV ist punktgleich mit Erik ten Hags Mannschaft.

(OLAF KRAAK/AFP/Getty Images)

Das Personal

Beide Mannschaften gehen nicht ohne Verletzungsnöte in das große Duell: Auf Seiten Massimiliano Allegris stehen Matuidi, Chiellini (beide Wade) und Emre Can (Knöchelverletzung) auf der Kippe – Costa fällt wohl aus, Mario Mandzukic wird sicher fehlen. Chiellini dürfte von Daniele Rugani vertreten werden. Emre Can fehlte bereits im Hinspiel, für ihn wird vermutlich erneut Bentancur auflaufen. Ob der wieder vor allem als „Wadenbeißer“ fungieren wird, hängt jedoch vom Personal auf der Gegenseite ab. Erik ten Hag hofft nämlich noch auf die 100%ige Spielfitness seines wichtigsten Mannes: Frenkie de Jong, der im Hinspiel erneut seine (Welt-)Klasse andeutete, plagt eine Oberschenkelverletzung. Des Weiteren fehlt Tagliafico aufgrund einer Gelbsperre – ihn wird vermutlich Veltman vertreten. Wer die linke Abwehrseite besetzt, ließ ten Hag derweil in der gestrigen Pressekonferenz offen. Es spricht jedoch vieles dafür, dass Veltman die rechte Seite besetzt, Noussair Mazraoui (eigentlich Rechtsverteidiger) könnte nach links versetzt werden. Daley Blind wurde vom Trainer zwar als Option für die Außenbahn angedeutet, jedoch ist es wahrscheinlicher, dass der aufbaustarke (aber sprintschwache) Routinier neben de Ligt als Innenverteidiger spielt.

(Photo by ADRIAN DENNIS/AFP/Getty Images

Abseits der Außenverteidigerfrage wird Ajax wohl auf das gewohnte Bild setzen: das klassisch niederländische 4-3-3 mit Schöne, de Jong und van de Beek im Mittelfeld sowie Neres, Tadic und Ziyech im Sturm. Allegri dagegen muss etwas mehr Kreativität walten lassen, als sein Gegenüber – und das nicht nur aus personellen Gründen: Mit dem Fehlen von Mandzukic und Costa öffnet sich einerseits ein Problemherd im Sturm. Andererseits gelang es Allegris Mannen im Hinspiel nicht, de Jong (durch Bentancur) in Manndeckung nehmen zu lassen. Der niederländische Spielmacher entzog sich seinem Bewacher und ließ sich vor die Abwehr zurückfallen, wo Ronaldo ihn nicht im Griff hatte. Es wäre daher denkbar, dass Allegri einen zusätzlichen Mittelfeldspieler aufbietet und CR7 ein Sturmduo mit Bernardeschi bildet.

Juventus: Szczesny – Joao Cancelo, Bonucci, Rugani, Alex Sandro – Can, Pjanic, Matuidi, Bentancur – Bernardeschi, Ronaldo

Ajax: Onana – Veltman, de Ligt, Blind, Mazraoui – Schöne, F. de Jong – van de Beek – Ziyech, Tadic, David Neres

Das Hinspiel

Die Partie in Amsterdam war eine Art Spiegelbild der Saisonverläufe und Stile der beiden Teams: Ajax bot aggressiven und trickreichen Offensivfußball, hätte zur Pause klar führen können. Es war jedoch das ansonsten blasse Juventus, dass dank eines vergleichsweise leichten Doppelpasses mit dem 0:1 in die Pause ging: Ronaldo war enteilt, de Ligt und Blind hatten geschlafen. Solche Konzentrationsmängel gilt es heute Abend (trotz aller Offensivpower) zu vermeiden. Denn Juve hat im laufenden Wettbewerb erst ein einziges Tor aus dem laufenden Spiel heraus kassiert – und ist damit seine defensivstärkste Mannschaft. Dass Ajax selbst von einer so sicheren Abwehr nicht kaltzustellen ist, bewiesen ten Hags Mannen jedoch schon Sekunden nach dem Wiederanpfiff: Aggressives Stürmerpressing, umschalten, Dribbling, Tor. Neres‘ Ausgleich war wie eine Blaupause zahlreicher Ajax-Treffer in der laufenden Saison. Juve dagegen wurde nur noch einmal aus dem Spiel heraus gefährlich – nach einer Einzelleistung des nun verletzten Costa.

(Photo by Marco Luzzani/Getty Images)

Prognose

Routiniers (Juves Altersdurchschnitt liegt bei knapp 28 Jahren) gegen junge Wilde (ø 24 Jahre), Catenaccio gegen totaalvoetbal, effiziente Langeweile gegen Augenschmaus. Es gibt wahrlich genügend Klischees, die man auf dieses Spiel anwenden könnte. Doch einige von ihnen treffen zu: Ajax muss sich vorwerfen lassen, sein Heimspiel (trotz klarer Überlegenheit) nicht gewonnen zu haben. Juventus wird es auf die vielzitierte eine Standardsituation oder den einen Konter ankommen lassen. Die dafür nötigen Spezialisten hat Juventus – sie alle befinden sich auf der Höhe ihres Schaffens. Ajax könnte seine Unreife zum Verhängnis werden. Tendenz: Vorteil Juve!

David Theis

War schon ein Fußball-Nerd bevor es Laptops gab. Schläft mit einer Ausgabe von "Der Schlüssel zum Spiel" unterm Kopfkissen. Seit 2017 bei 90PLUS.


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