Champions League Vorschau – Gruppe D: Juventus, Atletico, Leverkusen, Lok. Moskau

12. September 2019 | Champions League | BY 90PLUS Redaktion

Vorschau | Die UEFA Champions League startet am 17. September in die Gruppenphase. Titelverteidiger ist der FC Liverpool, der in dieser Spielzeit von den restlichen Klubs gejagt wird. Vor dem Start der Gruppenspiele stellen wir alle Gruppen und alle Mannschaften ausführlich vor!

Gruppe A: PSG, Real Madrid, Club Brugge, Galatasaray

Gruppe B: FC Bayern, Tottenham, Olympiakos, Crvena Zvezda

Gruppe C: Man. City, Donezk, Zagreb, Atalanta

Gruppe D: Juventus, Atletico, Leverkusen, Lok. Moskau

Juventus Turin

(Letzte Saison: Viertelfinale CL)

Liga-Lauf und Ajax-Aus

Nach sieben Meistertiteln in Folge und der Verpflichtung von Cristiano Ronaldo (34) war das Ziel für Juventus 2018/2019 klar: Das Triple und vor allem der langersehnte Gewinn der Champions-League sollte her.

Trotz zweier Niederlagen setzten sich die Italiener in der Gruppenphase als Erster durch. Auch das Achtelfinale gegen Atlético Madrid konnte trotz 0:2-Hinspielniederlage durch einen Dreierpack Ronaldos überstanden werden. Im Achtelfinale kam es gegen Atlético Madrid zum Duell der Defensivgiganten, nach einem 0:2 im Hinspiel trumpfte die “Bianconeri” angeführt von Cristiano Ronaldo im Rückspiel zu Hause auf und gewann mit 3:0. Auch im Viertelfinale schoss Ronaldo beide Juve-Tore. Diese würden gegen die „jungen Wilden“ von Ajax Amsterdam jedoch nicht genügen (1:1, 1:2). Nach dem Viertelfinal-Aus in Europa wurde auch in den letzten sechs Ligaspielen nur noch eines gewonnen. Der Meistertitel wurde dennoch gewonnen, doch in der Königsklasse ging Juve erneut leer aus.

Baustelle Defensive

Nach fünf Jahren mit fünf Meistertiteln endete diesen Sommer die Amtszeit von Massimiliano Allegri. Sein Nachfolger ist Maurizio Sarri.
Auf dem Transfermarkt investierte die alte Dame vor allem in die Defensive. Den Königstransfer stellt dabei zweifelsohne Matthijs de Ligt (19, 85,5 Millionen Euro, Ajax Amsterdam) dar, an dem sämtliche Spitzenklubs interessiert waren. Cristian Romero (21, Genua) und Merih Demiral (21, Sassuolo) erhöhten die Ausgaben alleine für die Innenverteidigung auf fast 130 Millionen Euro.

Ein weiterer wichtiger Wechsel, ist die Rückkehr Gianluigi Buffons nach einem Jahr bei Paris Saint-Germain. Die lebende Vereinslegende dürfte vor allem aufgrund seiner Erfahrung und Führungsqualitäten eine Bereicherung sein. Auf den defensiven Außenbahnen kam es ebenfalls zu Veränderungen. João Cancelo (25) musste für 65 Millionen Euro an Manchester City abgegeben werden. Sein Ersatz, Danilo (28, 37 Millionen Euro) kam im Gegenzug und stellt eine Verschlechterung dar. Der nächste Außenverteidiger-Tausch wurde mit der Roma vorgenommen. Leonardo Spinazola (26, 30 Millionen Euro) wurde durch Luca Pellegrini (20, 22 Millionen Euro) beerbt.

(Photo by Jonathan NACKSTRAND / AFP/Getty Images)

Die Offensive um Ronaldo, Douglas Costa (28) und Paulo Dybala (25) blieb vom Transfersommer ebenfalls nicht unberührt. Moise Kean (19) wechselte auf der Suche nach mehr Spielzeit für 27,5 Millionen Euro in die Premier League zum FC Everton. Das Talent wurde im Angriff, anders als andere Abgänge, nicht direkt ersetzt, dafür kehrte mit Gonzalo Higuain (31) ein gestandener Stürmer von seiner Leihe beim FC Chelsea zurück.

Vergangene Saison ließ Ex-Trainer Allegri meistens im 4-3-3-System spielen. Juventus war vor allem über die Außenbahn gefährlich, suchte den Weg in die Tiefe. Gegen Ende der Spielzeit verlagerte sich der spielerische Schwerpunkt ins Mittelfeld, die Formation war immer wieder ein 4-4-2. Unter Maurizio Sarri kehrt man nun zum offensiv ausgerichteten 4-3-3 zurück. Der Italiener versucht seinen typischen Defensivstil mit Juves Offensivkraft zu vereinen. Das zentrale Mittelfeld dürfte dabei eine große Rolle spielen. Durch die ablösefreien Verpflichtungen der spielstarken Adrien Rabiot (24, Paris Saint-Germain) und Aaron Ramsey (28, FC Arsenal) wurde dies rechtzeitig in der Breite verstärkt. Sie stellen qualitativ hochwertige Alternativen zu Blaise Matuidi (32), Miralem Pjanic (29) und Sami Khedira (32) dar.

Im Fokus: Cristiano Ronaldo

Der Superstar, letztes Jahr als große Champions League-Hoffnung verpflichtet, bleibt auch in dieser Spielzeit in dieser tragenden Rolle. Das hat einen simplen Grund: Trotz seines fortgeschrittenen Alters agiert Cristiano Ronaldo körperlich sowie mental weiterhin auf dem höchsten Level. 28 Tore, davon sechs in der Königsklasse, in 43 Pflichtspielen 2018/2019 sprechen Bände.

Gerade in schwierigen Situationen ist der Portugiese immer wieder zur Stelle und avanciert zum Matchwinner. Gepaart mit seiner Erfahrung auf dem höchsten Level dürfte Cristiano Ronaldo auch 2019/2020 der Schlüssel zu einem Erfolg in der Champions League sein.

Prognose:

Die offensivstarken Gruppengegner könnte die neuformierte Defensive der Alten Dame auf die Probe stellen. Der Einzug ins Achtelfinale dürfte allerdings kein Problem darstellen. Was danach passiert, hängt davon ab, wie sich Mannschaft und Maurizio Sarri finden.

Piet Bosse

Atletico Madrid

(Letzte Saison: Achtelfinale CL)

Atletico Madrid blickt auf eine Saison zurück, in der deutlich mehr möglich gewesen wäre. Vor allem das Ausscheiden in der „Königsklasse“ im Duell mit Juventus Turin ist im Rückblick sehr bitter. Nachdem die „Rojiblancos“ das Hinspiel im eigenen Stadion noch mit 2:0 gewinnen konnten, mussten sie sich im Rückspiel mit 0:3 geschlagen geben und schieden doch noch aus. Vor dem Hintergrund, dass das letztjährige Champions League Finale in Atleticos Heimspielstätte, dem Wanda Metropolitano, stattfand, war diese Niederlage umso schmerzhafter.

Nicht weniger unnötig war das Ausscheiden im Achtelfinale der Copa del Rey gegen den FC Girona, was ebenfalls für einigen Frust sorgte. Der zweite Platz in der Liga konnte dagegen durchaus als Erfolg gewertet werden, zumal die „Colchoneros“ wieder einmal besser platziert waren als der ungeliebte Rivale Real Madrid. Trotzdem blieb insgesamt eine gewisse Unzufriedenheit zurück, die den großen Umbruch im Sommer sicherlich ebenfalls befeuerte.

(Photo by Denis Doyle/Getty Images)

Der große Umbruch

Atletico war einer der aktivsten Vereine in der abgelaufenen Transferphase und setzte dabei ungeheure Summen um. Insgesamt nahm Atletico unfassbare 313 Millionen Euro an Ablösen ein, von denen man wiederum 243,5 Millionen Euro in Neuzugänge re-investierte.

Auf der Abgangsseite finden sich mit Diego Godin (33, Inter), Lucas Hernandez (23, FC Bayern), Juanfran (34, Sao Paulo), Felipe Luis (33, Flamengo), Rodrigo (23, Manchester City) und last but not least Antoine Griezmann (28, FC Barcelona) gleich sechs wichtige Stützen der vergangen Erfolge wieder. Dazu kommen noch etliche weitere Spieler, die sportlich allerdings nicht vergleichbar relevant waren. Als Ersatz verpflichteten Simeone und Co. u.a. Felipe (30, Porto), Mario Hermoso (24, Espanyol), Kieran Trippier (28, Tottenham), Renan Lodi (21, Club Athletico Paranaense), Marcos Llorente (24, Real Madrid), Hector Herrera (29, Porto) und Joao Felix (19, Benfica). Die Mannschaft hat also einen vollkommen neuen Anstrich bekommen und der Verein einen Transferüberschuss von knapp 70 Millionen Euro erwirtschaftet, ohne sich dabei großartig verschlechtert zu haben.

Trotz der großen Veränderungen, die vor allem die Viererkette komplett durcheinander wirbelten, verfügt Atletico immer noch über einen gut etablierten Stamm. Torwart Jan Oblak (26), der gereifte Innenverteidiger Jose Maria Gimenez (24), die starken Mittelfeldspieler Koke (27), Thomas Partey (26) und Saul Niguez (24), sowie Stürmer Alvaro Morata (26, der im vergangenen Winter kam), sind noch da und geben der Mannschaft Struktur und Halt.

Mehr Chance als Risiko?

Außerdem scheint der Top-Transfer des letzten Sommers, Thomas Lemar (23), immer besser anzukommen und auch Stefan Savic (28), Santiago Arias (27), Angel Correa (24), Vitolo (29) sowie Diego Costa (30) verfügen über sehr viel Qualität und verleihen dem Kader die nötige Tiefe. Atletico ist also auch in dieser Saison hervorragend aufgestellt und sollte definitiv sehr ernst genommen werden.

In der Saisonvorbereitung und in den ersten Ligaspielen macht die Mannschaft von Diego Simeone zudem bereits einen sehr guten Eindruck. Die neuen Spieler scheinen sich im bewährten 4-4-2-System sehr gut zurecht zu finden und auch der 126-Millionen-Euro-Einkauf Joao Felix zeigt bereits seine Klasse, trotz des großen Drucks, den die hohe Ablöse auf den 19-jährigen ausübt.

In den ersten beiden Ligaspielen gewann die Mannschaft, ganz Atletico-like jeweils mit 1:0, doch Spiele wie das 3:2 gegen Eibar oder auch der 7:3-Testspielsieg gegen Real Madrid im Sommer deuten an, dass man in der Offensive nun deutlich schwerer auszurechnen und gefährlicher ist, während die neuformierte Defensive noch nicht ganz so stabil scheint wie gewohnt. Der Umbruch ist aber definitiv auch als Chance zu verstehen, nicht nur als Risiko.

Im Fokus: Joao Felix

Wenn ein Verein wie Atletico Madrid bereit ist, 126 Millionen Euro für einen 19-jährigen auszugeben, dann muss er etwas ganz Besonderes sein. Und Joao Felix ist ohne jeden Zweifel etwas ganz Besonderes. Als Ersatz für den abgewanderten Antoine Griezmann tritt er in sehr große Fußstapfen, doch man könnte sich kaum eine passendere und vielversprechendere Lösung vorstellen. Felix spielt idealerweise als hängende Spitze, doch er ist enorm mobil, taucht auch immer wieder auf den Flügeln auf und verhält sich sehr gut in den Räumen. Wenn man ihm die Freiheiten lässt, ist er im Grunde nicht zu fassen, was schon für sich genommen sehr außergewöhnlich ist.

Darüber hinaus ist er durchaus schnell, überaus flink und am Ball nicht weniger als brillant. Er verfügt über ein gutes Passspiel, eine tolle Übersicht, ein starkes Dribbling und einen erstaunlich guten Abschluss. Die Fans der Frankfurter Eintracht werden ein Lied davon singen können.

Allerdings ist natürlich auch klar, dass er noch kein fertiger Spieler ist. Trotz allen Talents, hat er noch viel zu lernen und muss sich vor allem in der Defensivarbeit noch steigern. Atletico Madrid (vor allem mit Trainer Simeone) ist in dieser Hinsicht der ideale Schritt für ihn. Darüber hinaus muss er erst noch die Erfahrungen sammeln, insbesondere auf Champions League Niveau, und auch physisch muss er sicherlich noch zulegen. Trotzdem ist er einer der interessantesten Spieler des Wettbewerbs und könnte schon in dieser Saison für Furore sorgen.

(Photo by Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images)

Prognose

Die Gruppe D ist sehr stark besetzt und dürfte für jede Mannschaft eine echte Herausforderung sein. Trotzdem ist Atletico klarer Favorit auf das Weiterkommen, genauso wie Juventus Turin. Vom Selbstverständnis her, kämpfen die „Colchoneros“ mit den Italienern um Platz 1, doch ihnen dürfte auch klar sein, dass man weder Leverkusen noch Moskau auf die leichte Schulter nehmen darf. Angesichts der ersten Spiele und dem Potenzial, dass in der Mannschaft steckt, ist es aber schwer vorstellbar, dass man ins Stolpern gerät. Platz 1 ist das Ziel und scheint darstellbar zu sein.

Christoph Albers

Bayer 04 Leverkusen

(Letzte Saison: 16/-Finale EL)

Ein Team mit zwei Gesichtern

In der Bundesliga mit drei Niederlagen schlecht gestartet, kam Leverkusen in der Hinrunde nicht so richtig ins Rollen, während man im DFB-Pokal über Borussia Mönchengladbach mit 5:0 hinwegfegte und in der Europa League die K.O.-Runde souverän erreichte. In der Winterpause ersetzte Peter Bosz Heiko Herrlich auf der Trainerbank. Es war ein Trainerwechsel, der sehr viel verändern sollte.

In der Liga spielte Leverkusen fortan spektakulär und vor allem variantenreich im Angriff, tabellarisch verbesserte man sich von Platz neun auf Platz vier. In den Pokalwettbewerben tat Leverkusen sich jedoch schwer, scheiterte im DFB-Pokal am Zweitligisten Heidenheim und schied schon in der Zwischenrunde der Europa League überraschenderweise gegen den russischen FK Krasnodar aus.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Bayer in der Breite besser

Die starke Rückrunde hatte zur Folge, dass Leistungsträger Julian Brandt (23) losgeeist wurde. Der Nationalspieler ging für die verhältnismäßig sehr geringe Ausstiegsklausel von 25 Millionen Euro nach Dortmund. Brandt ist aber der einzige schmerzhafte Abgang. Außer Ergänzungsspieler Dominik Kohr (25, Eintracht Frankfurt) verließen nur Profis den Verein, die in der vergangenen Spielzeit kaum zum Einsatz kamen.

Um Brandts Abgang zu kompensieren, wurde mit Moussa Diaby (19, PSG) und Nadiem Amiri (22, Hoffenheim) zwei talentierte, spielstarke sowie flexible Spieler an Land gezogen. Eine weitere Verstärkung stellt Mittelfeldstratege Kerem Demirbay (25) dar, der für die vereinsinterne Rekordsumme von 32 Millionen Euro von der TSG Hoffenheim verpflichtet wurde. Der Nationalspieler kann im Zentrum sowohl den offensiven als auch den defensiven Part übernehmen, soll sich ins Angriffsspiel einschalten und auch für Stabilität sorgen.

Mit Daley Sinkgraven verstärkt sich Bayer auch defensiv. Peter Bosz kennt den 24-Jährigen noch aus Amsterdam, der Niederländer ist zunächst als Alternative für die Linksverteidigung gedacht, kam in Liga und Pokal bislang noch nicht zum Zug.

Mit den Neuzugängen gewinnt die Werkself nicht nur an Spielqualität, wenngleich der Abgang von Julian Brandt natürlich ein herber Verlust ist. Der Zuwachs an Breite sollte Bosz’ Powerfussball in die Karten spielen. Der Niederländer lässt bevorzugt im 4-3-3-System spielen, baut aber auch mal auf nur drei Innenverteidiger mit zwei variablen Außenspielern, die im Angriff mitmischen und gegen den Ball verteidigen.

Das Offensivspiel ist variantenreich, geht sowohl übers Zentrum mit Demirbay und Havertz (20), als auch über die Außenbahnen mit Leon Bailey (22) und Karim Bellarabi (29). Im Zentrum ist Kevin Volland (27) gesetzt, der über einen guten Abschluss verfügt, aber auch beweglich ist und die Außenbahnspieler in der Tiefe bedienen kann. Bayers großer Vorteil im Vergleich zur vergangenen Spielzeit: Man kann in der Offensive rotieren. Amiri, Diaby, Paulinho (19) und Alario (26) sind allesamt qualitativ hochwertige Alternativen.

Entscheidend für Bayers Erfolg ist bei unbestrittener offensiver Klasse die Stabilität in der Abwehr, gerade in der Champions League wird man gegen die Schwergewichte Atlético und Juventus gut verteidigen müssen. Der Kader ist auch im hinteren Mannschaftsteil um Jonathan Tah (23) gut aufgestellt. Hier wird Angriffsfreund Peter Bosz jedoch noch etwas Justierungsarbeit leisten müssen. Das wurde insbesondere beim Ligaauftakt gegen Aufsteiger Paderborn (3:2) auffällig. Leverkusen war hier vor allem anfällig bei Kontern.

Im Fokus: Kai Havertz

Der erst 20-jährige offensive Mittelfeldspieler ist bereits in seinem jungen Alter Dreh- und Angelpunkt des Leverkusener Spiels. Havertz ist die zentrale Anspielstation im Mittelfeld, leitet mit seinem Blick für den Raum viele Spielzüge durch geniale Pässe ein. Auch mit dem Ball am Fuß kreiert er viele Angriffe, hat das Gespür und die Technik für die besonderen Momente.

Er ist einer, der Spiele durch Einzelaktionen entscheiden kann, sei es durch einen Distanzschuss, einen besonderen Pass oder einen feinen Lupfer.

(Photo by Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images)

Havertz ist das Gehirn des Leverkusener Offensivspiels und ist nach Julian Brandts Abgang noch wichtiger als vorher. In der Europa League machte er schon letztes Jahr auf sich aufmerksam, erzielte in sechs Spielen drei Tore und bereitete drei weitere vor. Der nächste logische Schritt ist für ihn die Champions League. Gegen defensivstarke Teams wie Juventus Turin und Atlético Madrid werden seine besonderen Ideen gefragt sein. In diesen Spielen kommt es auf die Überraschungsmomente an, für die Kai Havertz prädestiniert ist.

Prognose:

Bayers Offensive hat europäisches Topniveau, auch große Mannschaften können geknackt werden. Möchte man in der schweren Gruppe bestehen, muss sich die Defensive aber noch steigern. Ein Weiterkommen wäre sicherlich eine positive Überraschung, Platz drei dagegen ist das Minimum.

Piet Bosse

Lokomotiv Moskau

(Letzte Saison: Gruppenphase CL)

Der russische Überraschungsmeister von 2018 blickt auf eine recht erfolgreiche Saison zurück. Der zweite Platz in der Liga und der Pokalsieg machen das schwache Abschneiden in der Champions League mehr als vergessen. Das liegt vor allem daran, dass der erneute Einzug in die Champions League Gruppenphase dem Verein finanziell enorm weiterhilft und die sportlichen Erfolge der vergangenen beiden Saison ökonomisch untermauert. Das sang- und klanglose Aus in der Champions League ist natürlich trotzdem ein echter Wermutstropfen. Nur drei Punkte und Platz 4 in der nicht allzu stark besetzten Gruppe D (mit Schalke 04, Galatasaray und dem FC Porto) waren für die eigenen Ansprüche deutlich zu wenig. Das soll in dieser Saison definitiv besser werden, auch wenn es alles andere als einfach wird.

FIXpunkt Krychowiak

In der Gruppe D trifft Lokomotive auf Juventus Turin, Atletico Madrid sowie Bayer Leverkusen und ist damit natürlich klarer Außenseiter. Trotzdem werden die Russen natürlich alles reinwerfen und versuchen, eine Überraschung herbeizuführen. Damit das überhaupt gelingen und man auch national weiterhin mithalten kann, wurde die Mannschaft im Sommer nochmals verstärkt.

Der teuerste Transfer ist dabei allerdings keine echte Neuverpflichtung. Der Pole Grzegorz Krychowiak (29) war bereits in der abgelaufenen Spielzeit von Paris Saint-Germain ausgeliehen und wurde nun für eine Ablöse von 12 Millionen Euro fest verpflichtet. Der defensive Mittelfeldspieler war und ist unangefochtener Stammspieler und gehört zu den unverzichtbaren Leistungsträgern in der Mannschaft von Trainer Yuri Semin. In der Saison entdeckte er zudem auch noch das Toreschießen für sich (drei Treffer in den ersten acht Ligaspielen) und wird somit immer wichtiger.

Darüber hinaus konnte Lok mit Joao Mario (26), der auf Leihbasis von Inter Mailand kam, noch einen weiteren namhaften Mittelfeldspieler für sich gewinnen. Der Portugiese dürfte mehr oder weniger der direkte Nachfolger seines Landsmannes Manuel Fernandes (33) werden, der nach Ablauf seines Vertrages zum FK Krasnodar wechselte. Ansonsten verpflichteten die Moskauer eher unbekannte Spieler: Rechtsverteidiger Dmitri Zhivoglyadov (25), Innenverteidiger Murilo Cerqueira (22) und Stürmer Luka Djordjevic (25). Auf der Abgangsseite fällt dagegen nur noch ein Name auf, der des legendären Mittelfeldspielers Igor Denisov (35). Er beendete im Sommer, mit 35 Jahren und nach über 500 Profispielen, seine Karriere. Sein Rücktritt hat er emotionale Folgen, Denisov spielte in der letzten Saison nicht mehr die allergrößte Rolle.

(Photo by Epsilon/Getty Images)

Mit der „Achse“ und einer echten Legende

Insgesamt setzt Lokomotive aber weitestgehend auf das gleich Gerüst wie im Vorjahr: Torhüter Guilherme (33), Kapitän und Abwehrchef Vedran Corluka (33, u.a. zuvor bei Bayer 04), „Sechser“ Krychowiak, die beiden Miranchuk-Zwillinge (23) im offensiven Mittelfeld, Anton und Aleksey, sowie Fedor Smolov (29) im Sturm. Dazu kommen noch die beiden Ex-Schalker Benedikt Höwedes (29), der auch meistens von Beginn an spielt, und Jefferson Farfan (34), der polnische Nationalspieler Maciej Rybus (30) oder auch der vielversprechende Dmitri Barinov (23). Es ist also durchaus einiges an Qualität und Erfahrung vorhanden, sodass Lok keineswegs chancenlos ist.

Ein weiterer Pluspunkt für den amtierenden russischen Pokalsieger ist mit Sicherheit Trainer Yuri Semin. Der 72-jährige arbeitet seit 2016 höchst erfolgreich und verfügt über extrem viel Erfahrung, was sich offenbar auszuzahlen scheint. Er war u.a. einst als Spieler (1975-78) und Präsident (Januar bis Dezember 2007) bei Lokomotive und ist nun schon zum dritten Mal Trainer des Vereins. Seine erste Amtszeit währte von 1986 bis 1990, dann wurde er Trainer der neuseeländischen Nationalmannschaft, nur um dann 1992 zurückzukehren und bis 2005 im Amt zu bleiben. 2016 kehrte er dann abermals als Trainer auf die Bank zurück. Er wurde mit „seiner“ Lokomotive dreimal russischer Meister, sechsmal Pokalsieger und holte zweimal den Supercup. Es geht also nicht zu weit, wenn man sagt, dass er den Verein wie kaum ein Zweiter verkörpert und ein echter Glücksfall für ihn ist. Ob das in dieser schwierigen Gruppe ausreichend ist, darf allerdings bezweifelt werden.

Im Fokus: Die Miranchuk-Zwillinge

Es kommt nicht allzu häufig vor, dass zwei Zwillinge gemeinsam den Weg in den Profi-Fußball schaffen und dort Seite an Seite spielen. In der diesjährigen Gruppe D gibt es diesen Fall aber gleich zweimal: Die Bender-Zwillinge bei Bayer 04 und die Miranchuk-Zwilinge bei Lokomotive. Eine besondere Situation.

Anders als die Benders, sind die Miranchuks Offensivspieler. Beide kommen vorwiegend im offensiven Mittelfeld zum Einsatz, meistens einer zentral der andere auf links, und beide sind sehr ähnliche Spielertypen. Aleksey ist allerdings Linksfuß, während Anton lieber den rechten Fuß verwendet. Beide sind außerdem russische Nationalspieler, wobei sie dort zumeist eher Konkurrenten sind und nicht Partner, wie bei Lok. In der letzten Saison wusste Anton mit 11 Toren und fünf Vorlagen in 25 Spielen mehr zu überzeugen als Bruder Aleksey, der in 30 Spielen dreimal traf und acht weitere Tore vorbereitete. In dieser Saison hat Aleksey, der auch insgesamt deutlich mehr Spiele, Tore und Assists in seiner Statistik stehen hat, allerdings wieder die Nase vorn. Es lohnt sich aber definitiv beide im Auge zu behalten!

(Photo KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP/Getty Images)

Prognose

Lokomotive ist ist dieser Gruppe natürlich klarer Außenseiter. Im Normalfall bleibt für die Russen nur der vierte Rang, da die anderen drei Teams stärker einzuschätzen sind. Doch möglicherweise können die Moskauer, mit mannschaftlicher Geschlossenheit und einem guten Spirit, für die ein oder andere Überraschung sorgen und eventuell um den dritten Platz kämpfen. Je nachdem, ob Leverkusen womöglich zu naiv auftritt, könnte Lok für die „Werkself“ gefährlich werden.

Christoph Albers

 (Main Photo by Emilio Andreoli/Getty Images )


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